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Hot Water Music lösten sich 2006 auf, re-formierten sich 2008 und spielen seitdem immer wieder Shows in Deutschland. Ein neues Album blieb die Band bis jetzt schuldig. Mit „Exister“ haben die Jungs aus Gainsville aber ein neues Meisterwerk veröffentlicht. Ich traf Gitarrist/Sänger Chris Wollard und Bassist Jason Black vor ihrer Show im Stuttgarter LKA, um mit ihnen über das neue Album zu sprechen. Die beiden waren in sehr gelöster Stimmung und äußerst gesprächig. Meine vorbereiteten Fragen warf ich sehr bald über Bord und es entwickelte sich ein sehr natürliches Gespräch, bei dem sich die beiden auch selbst immer wieder Stichwörter lieferten. Gesprochen wurde über die Reunion, das neue Album und das Leben auf Tour.

Ihr habt euch 2006 praktisch aufgelöst. Was ist damals passiert?

C: Wir waren damals wie eine Maschine und wir wussten nicht, wie wir anhalten können. Der Motor lief und lief und lief immer weiter, bis er einfach den Geist aufgegeben hatte. Jeder von uns brauchte eine Pause zum Durchatmen und wieder mehr Zeit für die Familie. Wir mussten einfach wieder Mensch sein. Die Zeit war sehr stressig für uns, aber nachdem wir jetzt etwas Abstand dazu gewonnen hatten, war uns allen klar, dass wir genau das wieder wollen. Nachdem jeder die Chance hatte, sich zu erholen, haben wir wieder Lust bekommen, ein paar Shows zu spielen. Nicht viele, aber ein paar nur zum Spaß. Plötzlich wollten wir auch wieder auf Tour gehen und schließlich kamen auch wieder Ideen für neue Songs. Das kam alles sehr natürlich wieder zu uns zurück.

Nachdem ihr Hot Water Music beendet hattet, habt ihr aber quasi sofort The Draft gegründet. Das klingt nicht nach Urlaub.

C: Ja, wir haben die Band in der Tat quasi sofort gegründet, nachdem klar war, dass mit Hot Water Music erst einmal nicht viel passieren wird. Wir haben uns damals ja nicht wirklich aufgelöst, wir haben nur gesagt, dass das jetzt für eine Weile die letzte Tour gewesen sein könnte. Nachdem Chuck uns mitgeteilt hatte, dass er erst einmal Solo etwas machen will, haben wir tatsächlich noch in demselben Gespräch beschlossen, weiter zusammen Musik zu machen.

J: Für mich gibt es zwei Arten von Menschen in Bands. Es gibt Menschen, die in Bands gefangen sind und es gibt Menschen, die es lieben in einer Band zu spielen. Die Grenzen sind dabei fließend und jeder wechselt in seiner Karriere hin und her.

C: Nach dem Ende einer sechswöchigen Tour ist jeder ausgebrannt und will nur noch nach Hause. Man hat jeden Abend sein Bestes gegeben und man hat physische Schmerzen. Da braucht man einfach eine Woche, um seine Batterien wieder aufzuladen, etwas Zeit mit seiner Lady und dem Hund zu verbringen. Danach will und muss ich aber wieder raus und spielen.

J: Für mich war es nie ein Ziel, mit der Band einmal so viel zu verdienen, dass ich nicht mehr auf Tour gehen muss. Im Gegenteil, das ist es doch, was mir die meiste Freude bereitet.

Habt ihr alle Familie?

C: Ja, ich bin verheiratet und habe ein Kind. Jason und Chuck sind verheiratet. Wir alle leben privat sehr ruhig, wir haben alle kleine Häuschen gekauft und sind sehr domestiziert. Wenn wir zuhause sind, treffen wir uns mit Freunden und leben ein ruhiges Leben.

J: Ja, ich bin im Moment ein Tier verglichen mit meinem Leben zuhause. Ich trinke Bier am Mittag. Normalerweise stehe ich morgens um 7:30 Uhr auf. Gestern bin ich erst um diese Zeit ins Bett gegangen.

Wie hat sich das Touren im Lauf eurer Karriere verändert?

J: Wir sind heute natürlich in der glücklichen Lage, bessere Gagen zu bekommen. Das macht natürlich vieles einfacher. Deshalb müssen wir nun auch nicht mehr so viel spielen wie früher. Das entspannt natürlich alles und wir laufen nicht mehr Gefahr, erneut auszubrennen.

C: Unsere erste Tour in Europa dauerte ca. fünf Wochen, gut drei davon waren in Deutschland. Wir hatten unseren Break-Even Point erst zwei Shows vor dem Ende erreicht. Wäre auch nur eine Show ausgefallen oder etwas mit unserem Van passiert, wären wir ganz schön angeschissen gewesen. Wir haben damals im Van geschlafen und so, unsere Standards waren recht niedrig.

J: Ich glaube, das Schlimmste, was man als Band machen kann, ist zu viel zu touren. Man macht sich selbst kaputt und die Fans werden einem überdrüssig. Der Nutzen, den man daraus zieht, nimmt immer weiter ab und kehrt sich irgendwann sogar um.

C: Früher war es gefühlt so, dass wir in jedem kleinen Kaff dreimal im Jahr gespielt haben. Irgendwann rufen dich sogar deine Freunde an um dir zu erklären, dass sie dieses Mal nicht zur Show kommen, weil sie etwas anderes vorhaben und man sich ja das nächste Mal bald wieder sieht. Sogar unsere Fans waren der Meinung, wir kommen zu oft. Wir haben uns in dieser Zeit quasi selbst umgebracht. Das war eine harte Lektion, die wir da gelernt haben, zumal wir damals aus finanziellen Gründen viele Shows spielen mussten. Man bucht dann alles was möglich ist und ehe man sich versieht, ist man ein ganzes Jahr lang auf Tour. Wir sind natürlich sehr glücklich, dass wir das überhaupt machen können, versteh mich nicht falsch. Aber das ist es, was eine Band zerstören kann. Es ist sehr wichtig, dass man innerhalb der Band ehrlich zu einander ist. Das ist manchmal gar nicht so einfach. Wenn man unterwegs ist und coole Shows spielt, ist das letzte, was man als Bandmitglied zugeben will, dass man eine Pause braucht. Man arbeitet über ein Jahr hart an seiner Karriere, schreibt die Songs für das Album und geht auf Tour, um es den Fans vorzustellen. Es braucht eine Menge Überwindung in dieser Situation, den anderen gegenüber zuzugeben, dass man am Ende seiner Kräfte ist und eine Pause braucht. Man muss dafür lange genug als Band zusammen sein und gut genug miteinander befreundet sein, um das offen ansprechen zu können. Früher war es bei uns so, dass keiner derjenige sein wollte, der es ausspricht. Also haben wir immer weiter gemacht. Es gab Shows, bei denen einzelne von uns ohnmächtig geworden sind oder bei denen der Backliner mich stützen musste, weil ich mein Bein kaputt gemacht habe. Sobald einer anfängt sich zu beschweren, fangen alle damit an. Also traut sich keiner etwas zu sagen. Irgendwann geht es aber einfach nicht mehr. Wir haben uns bisher zweimal aus genau diesem Grund vorübergehend aufgelöst. Ich bin mir sicher, dass das nächste Mal wieder aus demselben Grund sein wird. Ich bin mir aber auch sicher, dass wir aus denselben Gründen wieder zusammen kommen werden.

War es schwer für euch, die neuen Songs zu schreiben?

C: Überhaupt nicht. Ich selbst bin eigentlich permanent dabei, Songs zu schreiben. Das ist ganz normal für mich. Ich habe nie damit aufgehört, ich musste nur wieder in einen anderen Gang schalten. Wenn ich mit den anderen in der Band zusammen bin, ist es etwas ganz anderes. Nach all den Jahren haben wir diese unglaubliche Chemie entwickelt. Wir müssen oft gar nicht mehr sprechen und wissen was in dem anderen vorgeht. Wir haben uns viel über das Internet ausgetauscht, uns aber auch wieder zum gemeinsamen Jammen getroffen. Das lief alles sehr natürlich.

Es hat trotzdem eine ganze Weile gedauert bis ihr das Album endlich im Kasten hattet.

C: Ja, das stimmt. Es hat etwas gedauert bis die richtige Zeit gekommen war. Auch für uns war es eine lange Zeit.

J: Als wir eine Weile lang wieder zusammen gespielt hatten, wurden wir selbst der alten Songs überdrüssig und wollten neue Songs aufnehmen. Wir fühlten uns auch schlecht von den Leuten Eintritt zu nehmen und dann immer wieder dieselben Songs zu spielen, die wir schon vor vier Jahren gespielt hatten. Wir haben uns dann auf einen Tag geeinigt, wann wir mit den Aufnahmen beginnen wollten und ein Studio gebucht. Das hat dann den nötigen Druck aufgebaut auch die Songs zu schreiben.

C: Das war dann auch rein logistisch gar nicht so einfach. Jason lebt in Seattle, Chuck in Kalifornien und George und ich noch immer in Florida. Man kann da nicht einfach spontan eine Jam-Session ansetzen. Da müssen erst Flüge gebucht werden. Darüber hinaus gibt es durch die anderen Projekte auch immer wieder Studiozeiten und Touren, die unter einen Hut gebracht werden mussten. Das hat Jahre gedauert bis wir den perfekten Zeitpunkt gefunden hatten. Das eigentliche Songschreiben hat dann ungefähr ein Jahr gedauert. Wir haben viele Songs hier in Europa während Soundchecks geschrieben. Als wir dann in der richtigen Stimmung waren lief es auch wirklich sehr gut. wir haben uns zu immer neuen Ideen angestachelt. Am Ende hatten wir wirklich sehr viele Songs fertig.

J: Das tolle an dem Album war, dass es uns überhaupt keine große Mühe gemacht hat, es zu schreiben. Es ging sehr schnell und lief sehr gut. Es war sicherlich ein Haufen Arbeit, klar. Aber es ging uns sehr einfach von der Hand.   

Ich finde, das kann man dem Album auch anhören, es klingt…

J: …fröhlich.

…ich wollte „erleichtert“ sagen, vor allem verglichen mit dem Vorgänger „The New What Next“.

J: Stimmt. Damals waren wir als Band in einer sehr viel düsteren Phase. Das hat sich auf das Album ausgewirkt.

C: „The New What Next“ war ein sehr schwieriges Album für uns. Ich mag es nach wie vor sehr, aber der Entstehungsprozess war sehr viel zäher als bei dem neuen Album. Beim neuen Album merkt man einfach, dass wir wirklich Bock hatten es zu machen. Es gab sehr viele wirklich inspirierende Momente.

Wie hat sich der Entstehungsprozess im Vergleich zu früheren Platten unterschieden?

C: Zum einen haben sich die Computer seither deutlich weiter entwickelt, das hatte sehr großen Einfluss auf die praktische Arbeit. Wir haben schließlich keinen gemeinsamen Proberaum mehr. Jeder von uns hat einen eigenen, aber es gibt keinen Ort mehr wo alle unsere Verstärker stehen. Wir schreiben die Songs in Studios oder in Backstageräumen. Früher war es so, dass wir nach einer Tour jeden Tag zusammen im Proberaum standen und Songs geschrieben haben. Heute machen wir das immer dann, wenn wir uns sehen.

J: Ich denke, was auch sehr wichtig war für das Album war, dass wir es aufgenommen haben wo niemand von uns lebt. Man ist einfach viel weniger abgelenkt.

C: Wir hätten das Album auch zuhause aufnehmen können und wir hätten im Studio sicherlich auch hart gearbeitet. Aber abends trifft man sich doch mit Freunden, trinkt und feiert. So ist man viel mehr abgelenkt. In Ft. Collins kennen wir vielleicht drei Leute. So konnten wir uns voll auf das Album konzentrieren.

J: Wir haben das Studio quasi nicht verlassen.

Nach all den Jahren haben sich von Seiten der Fans hohe Erwartungen aufgebaut. Wie geht ihr damit um?

J: Natürlich will man immer, dass jeder das Album mag. Dieses Mal ist es mir aber egal, da ich einfach weiß, dass die Platte wirklich gut ist. Wenn es jemandem nicht gefällt, dann hat er entweder einen beschissenen Geschmack oder er mag generell die Art von Musik nicht.

C: Die Erwartungen anderer an deine Band sind immer etwas, mit dem man als Band umgehen muss. Das einzige Mal, wenn man als Band nicht damit umgehen muss, ist wenn man etwas zum ersten Mal tut. Also seinen ersten Auftritt hat, seine erste 7“ veröffentlicht oder das erste Album. Niemand kennt dich und niemand erwartet etwas von dir. Von diesem Zeitpunkt an wird man aber Erwartungen an dich richten. Als wir „Forever And Counting“ veröffentlichten, standen wir unter Druck, bei „No Division“ standen wir unter Druck, genau wie bei allen Epitaph Alben. Auch mit allen Nebenprojekten gab es immer Erwartungen von außen. Im Grunde will man sich darüber nicht den Kopf zerbrechen. Man muss lernen damit umzugehen und sie auch ausblenden zu können.

J: Wenn man künstlerisch arbeitet, sei es mit Musik, Film oder sonst was, wird es immer Meinungen anderer dazu geben. Man bekommt auch viele negative Meinungen dazu. Wenn man aber wirklich liebt was man tut, muss man selbstbewusst genug sein, um dazu zu stehen. Man stellt nicht einfach ein gesichtsloses Produkt her wie Coca-Cola. Man steckt immer sehr viel von sich selbst hinein. Manche Musiker werden wütend, wenn jemand schlecht über ihre Band redet. Das kann ich nicht verstehen. Wenn einem wichtig ist, von jedem gemocht zu werden, sollte man keine Band gründen.

C: Auf der Show heute sind einige Kids, die eher aggressive Musik mögen und andere, die eher melodische Musik mögen. Man kann es unmöglich jedem Recht machen und man darf auf keinen Fall an so etwas denken wenn man sein Album schreibt. Man muss sein Ding durchziehen. Dazu muss man an sich selbst und seine Band glauben. Man muss darauf vertrauen, dass man die richtigen Leute um sich hat, die einem dabei helfen.

J: Wir haben sehr viel Glück, eine populäre Band zu sein. Das wissen wir jetzt erst. Das gibt uns ein gewisses Selbstbewusstsein, das wir zuvor nie hatten. Wir sind gut und wir haben uns das verdient.

Das war euch früher nicht bewusst?

C: Es ist manchmal schwer, irgendetwas zu wissen wenn man dauernd auf Tour ist. Man ist so in dieser eigenen Welt gefangen, dass man von der Außenwelt nicht viel mitbekommt. Man ist dann meist auch in diesem Trott aus Tour und Studio gefangen. Jedes Bandmitglied hat mit eigenen Dingen zu kämpfen und man ist einfach auf unterschiedlichen Wellenlängen. Bei dieser Platte war das anders. Alle waren aufgeregt und voller Energie. Das gab uns zusätzliches Selbstvertrauen. Wir alle waren an genau dem Ort, an dem wir sein wollten, nämlich im Studio. Auch die Leute um uns herum hatten alle Bock auf die Platte. Der Produzent, die Techniker, alle. Es war ein sehr positives Vibe. Ich habe mich richtig gefreut, wenn ich dran war meine Parts einzuspielen. Früher war das anders und man musste sich richtig dazu überwinden.

J: Wir hätten auch an keinem besseren Ort aufnehmen können. Es war wirklich großartig mit Bill Stevenson abzuhängen. Wir sind alle große Fans von ihm und respektieren ihn sehr. Er ist ein wirklich netter Kerl und liebt Musik über alles.

C: Er hat wirklich das Herz der Band verstanden.

J: Man kann es kaum glauben, aber es gibt keine doppelten Gitarrentracks auf dem Album. Er hat tatsächlich einfach die Band aufgenommen wie sie ist. Wir wussten immer genau, dass wenn er das Album mag, dass es wirklich gut sein muss. Es war manchmal wirklich großartig, wenn man Bill durch das Studiofenster sah wie er zu unseren Songs abgeht. Das hat uns sehr bestärkt.

Es ist faszinierend zu sehen, wie leidenschaftlich ihr über eure Musik redet. Ihr seid wirklich selbst Fans.

C: Das ist genau der Grund warum wir wieder als Band zusammen spielen. Das Feuer ist wieder entfacht. Das Vibe, das wir als Band zusammen verspüren, ist wirklich großartig. Die Band ist im Moment eine wirklich sehr positive Sache, die uns vollkommen Spaß macht.

Besteht hier nicht auch wieder die Gefahr sich mit zu vielen Touren kaputt zu spielen? Was macht ihr wenn ihr eine große Tour angeboten bekommt?

J: Wir würden sie sofort nehmen.

C: Wir mögen nach wie vor die kleinen Shows, aber wir mögen natürlich auch die großen Shows. Es kommt viel mehr auf die Leute an, mit denen man zusammen arbeitet und wie viel Kontrolle du auf dein Umfeld ausüben kannst. Nur so kann man sicherstellen, dass deine eigene Ethik gleich bleibt, egal auf welchem Level man sich bewegt. Wir wollen die Herausforderungen, wir wollen an Orten spielen, an denen wir noch nie waren und für Leute, die uns noch nicht kennen.

J: Für uns wäre es recht einfach, den Status den wir im Moment haben zu halten, vorausgesetzt wir bauen keine komplette Scheiße. Weiter zu wachsen ist aber sehr schwierig. Den Schritt von Clubs mit 200 Leuten zu Clubs mit 500 Leuten ist nicht so groß. Der nächste Schritt, auch 1000er Clubs zu füllen, ist schon größer, aber selbst das war machbar. Von dort dann den Sprung auf 4000er Clubs zu schaffen, ist dann aber sehr hart. Das machen nur Bands, die in den Charts sind oder Bands wie NOFX.

C: Wann immer wir also wieder die Chance bekommen, den nächsten Schritt zu machen, werden wir diese auch nutzen. Gestern habe ich Refused gesehen wie sie eine riesige Show gespielt haben und habe mich daran erinnert, wie ich sie in einem 50 Mann Schuppen gesehen hatte. Das war toll. Ich gönne es ihnen, so groß zu sein. Sie sollen immer größer werden und die Früchte ihrer Arbeit ernten. 

Aber ist das nicht ein Widerspruch? Gerade haben wir noch darüber gesprochen, dass ihr es eher ruhiger angehen lassen wollt.

C: Es darf einfach nicht zu schnell gehen. Man muss sich in der Tat immer wieder bremsen. Aber alle von uns wollen weiterkommen.

J: Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich es nicht cool fände, in der größten Band der Welt zu spielen. Warum sollte ich das nicht wollen?

C: Musik ist einfach unsere große Leidenschaft. Wenn ich ein neues Album höre, das ich noch nie zuvor gehört habe, kann ich nicht einfach chillen und es anhören. Ich beschäftige mich damit. Ich versuche herauszufinden wie es funktioniert, wie es gespielt wird. Mit Musik ist es wie mit einer Beziehung, es ist Liebe und es ist etwas Permanentes. In meinem Haus stehen überall Gitarren. Egal wo ich mich hinsetze, ich kann immer eine Gitarren nehmen und spielen.

J: Niemand von uns will auf der Stelle treten.

C: Und die Fans wollen das auch nicht. Egal von welcher Band. Man will doch, dass seine Lieblingsbands wachsen und sich entwickeln. Wenn man immer wieder dasselbe tut, immer und immer wieder, das wird doch langweilig.

J: Das ist auch der Grund, warum wir ein neues Album machen mussten. Ich kenne keine Band von der ich ein Fan bin, bei der es mich nicht gefreut hat, wenn sie auch kommerziell erfolgreich waren. Ihr seid gut, ihr habt es verdient.

C: Es gibt auch so viele Geschichten von großartigen Bands, die es nie geschafft haben. Niemand hat sie je gehört und sie haben sich früh aufgelöst. Das ist immer bedauerlich. Wenn es dann jemand schafft, sein Publikum zu vergrößern und auch davon leben zu können, ist das toll.

J: Niemand würde eine Gehaltserhöhung im Job ablehnen. Man hat schließlich auch hart dafür gearbeitet.

Seht ihr die Band wirklich als Job an?

C: Ich versuche eigentlich, was wir tun nicht als Job zu betrachten, aber ich sage immer wieder „Mann, ich liebe diesen Job“. Ich bin so froh, dass ich das hier machen kann und zuhause nicht noch einen anderen Job machen muss. Wir haben Glück, dass wir auf Tour gehen können und unsere Musik auf Platten verkaufen können. Das allein war schon früher immer genau das, was wir wollten. Aber damals stellte man zuhause fest, dass man kein Geld mehr hat und man einen bezahlten Job brauchte. Es ist ein langer, harter Weg bis man wirklich von einer Band leben kann.

J: Was man immer wieder übersieht ist, dass man auf Tour eigentlich 24 Stunden lang arbeitet. Ich bin jetzt gerade nicht zuhause und gehe auch um fünf heute Abend nicht nach Hause.

C: Zuhause ist das Leben einfach viel komfortabler. Ich könnte den ganzen Tag mit meiner Freundin telefonieren und es wäre einfach nicht dasselbe.

Der Erfolg bringt sicherlich auch seine Schattenseiten mit sich. Wie geht ihr damit um, von manchen Fans als Stars betrachtet zu werden?

J: Das mag ich überhaupt nicht. Ich mag es deshalb nicht, weil ich in der Punk Szene groß geworden bin und man dort eigentlich keinen Unterschied zwischen den Leuten vor der Bühne und denen auf der Bühne macht. Allerdings bin ich auch inzwischen etwas älter und deshalb vielleicht etwas zickig geworden. Wenn Leute mir vorwerfen, dass ich mich wie ein Rockstar aufführen würde, dann ist das meist, weil ich auch auf Tour eine gewisse Privatsphäre wahren möchte. Dieser Raum ist für ein paar Stunden heute mein Zuhause. Wenn man auf Tour ist, hat man kein echtes Zuhause und man versucht es sich so angenehm wie möglich zu gestalten.

C: So wie wir aufgewachsen sind, hat man Shows vor 20 Leuten gespielt. Jeder im Raum war aber entweder in der anderen Band, die noch gespielt hat oder war ein Promoter, Labelmacher oder Fanzine Schreiber. Jeder hat etwas zur Szene beigetragen, jeder war auf demselben Level. Es war eine kleine Szene und man bewegte sich darin zusammen. Die Roadies sind genauso wichtig wie die Musiker. Jeder arbeitet hart. Für mich ist eine große Show wie heute noch immer wie früher die Shows in kleinen Kellern. Wir versuchen uns zumindest noch immer so zu verhalten.

Wenn ihr jetzt aber nach unten ins Publikum gehen würdet, wäre da sicherlich ein Haufen Leute, die ein Autogramm haben und Fotos mit euch machen wollen.

C: Ja, das wäre wahrscheinlich so. Aber das ist auch in Ordnung. So habe ich viele Freunde kennengelernt. Ich selbst mache das übrigens auch. Hey, man ich weiß, dass du gerade gespielt hast und ich will dich auch gar nicht aufhalten, aber… kann ich ein Foto mit dir machen?

J: Beim Southside werde ich den ganzen Tag nach Robert Smith suchen um genau das zu tun.

Warum habt ihr das Album „Exister“ genannt?

C: Das Album ist thematisch sehr breit gefächert. Es handelt sehr viel vom täglichen Leben, unseren Freunden, unseren Familien und Tätigkeiten. Der Song  „Exister“ im speziellen aber handelt von einem Freund und dessen beschissenem Job. Er redet immer sehr viel darüber. Es ist ein Song über einen normalen Kerl, der sein Leben mit den täglichen Hindernissen bestreitet und sich nicht unterkriegen lässt, ganz egal wie hart es auch sein mag. Das steht stellvertretend für den Tenor der ganzen Platte. Chuck und ich haben viel darüber geschrieben, sich selbst zu reflektieren. Wo stehe ich im Leben? Was mache ich hier und warum passe ich hier nicht rein? Wir haben nie geplant, dass „Exister“ der Titel der Platte sein sollte. Wir haben viel darüber gesprochen wo denn das Herz der Platte liegt. Der Song ist im Grunde etwas albern, es ist schließlich ein Song über den Scheißjob eines Freundes, dennoch ist der Text recht ernst und passt gut für das Album. Es passte einfach. Wir haben nicht darüber nachgedacht was der Titel beutet. Es geht darum, erwachsen zu werden und neu zu definieren wo man steht in der Welt. Wir sind vier Typen, die diese Band machen weil sie noch immer Bock drauf haben und noch immer die Leidenschaft dafür haben. Hier sind wir. Das ist „Exister“.

Das Gefühl nicht so recht in die Gesellschaft zu passen ist oft der Antrieb, warum man sich als Jugendlicher in der Punk Szene wiederfindet. Hat sich das über die Jahre bei euch verändert?

J: Wenn ich abends ausgehe will ich noch immer in die Punk-Bar gehen. In normalen Kneipen sitzen einfach nur Idioten. Ich bin jetzt bald 40 und ich hasse noch immer diese dummen Spießer.

C: Wir passen noch immer nicht rein. Wenn man in eine neue Stadt kommt und niemanden kennt, in dem Punk Schuppen fühlst du dich immer wie zuhause. Hier wird man verstanden.

J: Genau. Ich werde mich nie mit dem Massengeschmack anfreunden können. Natürlich schaue ich auch Fernsehen und mag Baseball. Aber generell kann ich mit diesem öden normalen Zeug nichts anfangen.

C: Je länger man auf Tour ist, desto weiter weg ist das normale Leben. Ich kann mich kaum noch daran erinnern wie es ist, einen regulären 40-Stunden Job zu machen. Meine Probleme sind völlig andere wie von jemandem zuhause. Der ganze Lebensstil ist ein komplett anderer. Man denkt immer, dass dieser Lifestyle total super sein muss, schließlich spielt man jeden Tag eine Show. Das stimmt natürlich, das ist großartig. Doch der Tag hat noch 23 weitere Stunden in denen man verloren in einer Stadt ist, in der man noch nie war und keinerlei Orientierung hat. Man wacht morgens auf einem neuen Parkplatz auf und fragt sich in welcher Richtung man einen Laden findet, um Frühstück zu bekommen. Es kann sein, dass man für zwei Meilen in eine Richtung läuft, nur um heraus zu finden, dass es dort nichts gibt. Ich denke das schweißt uns als Band zusammen und ist wohl auch der Grund dafür, warum wenn wir zuhause sind, wir die Band als unser eigentliches Zuhause ansehen. Denn mit den Leuten auf Tour teilt man einfach dieselben Erfahrungen.

J: Man fängt an, sich auf sehr grundlegende Dinge zu konzentrieren. Man muss sich jeden Tag aufs Neue darum kümmern wo man etwas zum Essen bekommt, wo man Duschen kann, wo man aufs Klo gehen kann. Man bekommt so eine Art Tunnelblick, wo man das ganze Chaos einer Tour ausblendet und versucht, seine Grundbedürfnisse zu stillen. Dadurch bekommt man vieles auch nicht mit. Ich kann mich an sehr viele Dinge nicht mehr erinnern, die auf Tour passiert sind. Nicht, weil ich betrunken war, sondern weil ich sie einfach ausgeblendet habe.

C: Ein Tag auf Tour ist wie eine emotionale Achterbahnfahrt. Man fängt den Tag ruhig an und groovt sich so langsam ein, man muss aber all seine Energie für diese letzte Stunde des Tags aufsparen. Dann geht man raus auf die Bühne und von null auf hundert von einer Sekunde auf die andere. Sobald es dann vorbei ist, fühlt man sich, als habe man einen Boxkampf hinter sich. Man muss dann erst einmal runter kommen. Am nächsten Tag fängt es wieder von vorne an. Der ganze Tagesablauf ist auf diese eine Stunde konzentriert.

Nehmt ihr euch auf Tour auch Zeit, um die Orte, an die ihr reist, anzuschauen?

C: Auf Tour ist das wirklich sehr schwer. Es ist zeitlich immer knapp und man hat nur selten freie Tage. Ich persönlich versuche aber immer wieder nach einer Tour in Europa noch etwas länger zu bleiben und als Tourist zu reisen. Schließlich ist mein Flug schon bezahlt. Auf Tour lohnt sich das oft nicht so richtig. Man findet schon mal die Zeit, eine Stunde oder zwei herum zu laufen, aber das reicht im Grunde gerade mal aus, um herauszufinden, dass es sich lohnt wieder herzukommen um mehr zu sehen. Man hat dann auch eine ganz andere Perspektive auf die Dinge. Zuhause fliege ich auch gern mal in die Karibik, um Urlaub zu machen. Das ist von Florida aus bezahlbar und bequem zu erreichen. Von den Touren kann ich dir aber sehr detailreich von jedem schmierigen Club erzählen.

J: Ich kann auch sehr gut von Autobahnraststätten erzählen.

C: Von den eigentlichen Städten sehen wir aber oft nichts. Wie oft waren wir schon in Berlin und wie wenig haben wir bisher davon gesehen. Das ist oft bedauerlich.

Wie seht ihr rückblickend The Draft?

C: Ich habe mit dieser Band sehr viele Dinge gelernt von denen ich damals nicht wusste, dass ich sie lerne. Ich habe noch nicht viel darüber nachgedacht. Ich wollte mehr experimentieren und stärker in Richtung traditionellen Rock´n Roll gehen. Ich wusste damals nicht wie ich das anstellen sollte. Auf dem Album gibt es viele Dinge, die neu für uns waren, sowohl musikalisch als auch lyrisch.

J: Auf der Platte gibt es einen Song über „Darth Vader“.

C: Ja, stimmt. Es ist ein Song darüber, wie ich zu Darth Vader stehe.

J: Der Typ hat einfach viel Pech gehabt. Er hat im Grunde nur seiner Frau helfen wollen.

C: Ich habe den Film geschaut und die Tragik in der Geschichte hat mich zu dem Song inspiriert. Der letzte der neuen Filme kam gerade raus als wir im Studio waren. Ich fand es interessant, wie alle sechs Filme im Endeffekt die Geschichte von Darth Vader erzählen. Der Song selbst war schon fertig aber ich wusste nicht was ich schreiben sollte. Also hab ich beschlossen, darüber zu schreiben wie ich zu Darth Vader stehe. Ich habe in der Vergangenheit oft über meine Beziehung zu verschiedenen Charakteren, beispielsweise Leuten mit denen ich aufgewachsen bin, geschrieben. Ich wollte einfach Spaß haben auf dem Album. Das Album sollte nicht so schwermütig und ernst sein. Wir haben das bei Hot Water Music immer wieder. Ich wollte davon einfach weg kommen.

J: Man darf sich selbst einfach nicht zu ernst nehmen. Nach all den Jahren steht bei uns immer noch der Spaß im Vordergrund. Wenn ich auf die Bühne gehe weiß ich genau, dass ich das ganze Set über den Spaß meines Lebens haben werde.

C: Das stimmt, aber natürlich kann man in unseren Songs sehr viele ernste Passagen finden. Ich glaube nicht, dass ich im Allgemeinen als ein besonders ernster Mensch bekannt bin. Trotzdem war es mir wichtig einen etwas anderen Unterton in die Texte zu bekommen. Das hatte einen generellen Einfluss auf mein Songwriting. Ich schreibe noch immer über ernste Themen, aber versuche ihnen eine veränderte Sichtweise zu geben.

J:  Ein perfektes Beispiel für jemanden der es richtig macht ist Dave Grohl. Man sieht diesen Typen nie ohne ein fettes Grinsen im Gesicht und so zufrieden mit seinem ganzen Leben. Er hat gewonnen.

C: Ich denke von ihm kann man viel lernen. Nimm dich selbst nicht so ernst und liebe das was du tust. Wir sind hier weil es Spaß machen soll. Das ist der Grund. Ich will jeden Abend auf der Bühne meinen Spaß haben, ich will lachen. Ich will mich selbst nicht wieder in diesen ernsten, tiefgründigen und negativen Geschichten aus meinem Leben wiederfinden. Aber gleichzeitig will ich natürlich auch diese Aspekte haben. Sie sind wichtig für mich und genauso ein Teil von mir. Man kann immer den Autor in den Songs erkennen, aber auch die Geschichte selbst.

Durchlebt ihr eure Songs auf der Bühne jeden Abend aufs Neue?

C: Manchmal ist es wirklich so. Besonders wenn die Themen noch recht frisch sind. Es gibt Songs, die wir mit Hot Water Music aus diesem Grund nicht spielen können. Es gibt Songs, die wichtig sind für uns, aber nie live gespielt werden, weil man mit den Themen auch abschließen will. Wir haben über sie gesungen, wir haben sie durchlebt und die Probleme bewältig. Damit sind sie abgeschlossen. Manchmal ist es wirklich schwer sich emotional zu lösen. Man steht auf der Bühne und versucht ein Profi zu sein und seinen Job zu machen, aber man driftet gedanklich ab und stellt fest, dass einen gewisse Dinge einfach noch immer beschäftigen. Man vergisst nie worüber man singt. Es ist wichtig, die richtige Mischung zu finden. Ich brauche den Spaß-Aspekt genauso wie die Ernsthaftigkeit. Ich denke, darum geht es generell beim Song schreiben. Alle unsere Lieblingskünstler singen über sehr ernste Dinge. Auch Sachen wie Politik oder Religion.

J: Wenn eine Band selbst keinen Spaß hat, ist sie scheiße.

C: Ja, oder wenn jemand eine fünf-minütige Rede vor einem zwei-minütigen Song hält, nervt das einfach nur. Leck mich, spiel deinen Song. Ich selbst sage eigentlich kaum etwas auf der Bühne. Ich will nicht erklären, worum es in einem Song geht. Dieser Song handelt von Polizeigewalt. Ich denke wir sind uns alle einig, dass Polizeigewalt scheiße ist. Jeder weiß das, warum muss ich es dann noch einmal sagen? Ich will den Leuten nicht sagen was sie denken sollen. Das letzte was jemand tun sollte, ist, auf mich zu hören. Abgesehen von meinem Sohn.

Wie sehen eure Zukunftspläne aus?

C: Wir wollen einfach weiter machen und weiterhin Spaß haben.

Ein guter Plan. Vielen Dank für das Interview.

J: Wir danken dir.

 

Rolf Gehring

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