Interview mit David, Sänger und Gitarrist von Thorn.Eleven
T: David, wir haben
vor fast zwei Jahren das letzte Mal Kontakt gehabt, fass doch bitte kurz die
Ereignisse zusammen und bring mich und die Leser auf den neusten Stand.
D: Es hat sich viel getan; aber doch weniger, als wir uns erhofft haben. Nach
der ganzen Tourerei haben wir dann angefangen neue Songs zu schreiben, die nächste
Platte vorbereitet und unzählige Schlagzeuger angetestet, bis wir dann
am Schluss zu unserem alten zurückgekehrt sind bzw. er ist vielmehr zu
uns zurückgekehrt.
T: Genau, das mit den Besetzungswechseln ist auch das einzige gewesen,
was nach den Touren noch in der Presse zu finden war ? da scheint ja einiges
passiert zu sein...
D: Matze, unser ursprünglicher Schlagzeuger ist ausgestiegen, weil er sich
hier in der Nähe mit einem Laden selbstständig gemacht hat und es
einfach zeitlich nicht mehr auf die Reihe bekommen hat regelmäßig
zu proben und wochenends noch Konzerte zu spielen. Dann haben wir recht fix
einen Ersatzmann engagiert, der hat sich dann aber leider im Studio nicht so
gerade als die ideale Wahl herausgestellt... sowohl menschlich als auch spielerisch
- ohne da jetzt groß schmutzige Wäsche waschen zu wollen. Wir haben
uns dann wieder auf die Suche gemacht und haben glaube ich beim ersten Mal ca.
20 Leute getestet und beim zweiten Mal warens dann knapp 50 (!). Es war dann
aber einfach nicht das richtige dabei und zwischenzeitlich hatte sich bei Matze
mit dem Laden alles so weit eingependelt, dass er ne Aushilfe hat und sich für
Touren frei machen kann und auch wieder regelmäßig proben kann. Es
war dann einfach das Naheliegendste ihn wieder in die Band zu integrieren ?
wir waren ja sowieso über die ganze Zeit in Kontakt und befreundet.
T: Das klingt jetzt aber schon richtig nach Frust, wenn man mal 20 Drummer
ancheckt und dann ist doch keiner dabei, der rein passt...
D: Naja, wie gesagt, alles in allem warens gut 70, die da waren. Da war alles
dabei, schon auch ein paar gute, aber da hatten wir dann wieder Sorgen, obs
denn menschlich passen wird... Das war streckenweise wirklich wie bei ?Deutschland
sucht den Superstar?, da waren Leute dabei, die wirklich überhaupt nicht
spielen konnten! Wir sind dann aber auch nicht so die Typen die sagen ?Geh mal
wieder heim und üb mal ordentlich und in ein paar Jahren kommst Du wieder
vorbei und wir schauen mal!?
T: In der letzten
Zeit wurden viele hoffnungsvolle deutsche Band von ihren Labels gedroppt, um
Euch war es ja auch recht still und ich hatte schon befürchtet, dass es
Euch ähnlich ergehen würde... Habt Ihr ein gutes Verhältnis zu
Eurer Plattenfirma und sind sie zufrieden mit den Verkäufen?
D: Das ist ja immer alles relativ... Allein die Tatsache, dass wir nach wie
vor bei SPV sind, spricht ja für ihr Vertrauen in uns. Das Engagement und
Interesse von seiten des Labels war sicherlich schon größer, stört
uns insofern aber auch nicht besonders, denn wir haben uns mittlerweile ein
Management genommen und die regeln jetzt eben die ganzen Geschäftlichen
Sachen für uns, weil wir uns da einfach nicht mehr drauf konzentrieren
wollten. Klar könnte mehr Support kommen, aber sie haben immerhin ein paar
Anzeigen geschaltet. Die machen halt auch viel, haben hunderte von Bands und
verdienen die dicke Kohle mit so Selbstläufern wie z.B. Monster Magnet.
T: Wenn man sich mal das letzte Album anschaut, da hat SPV aber mal
richtig reingebuttert, Produktion bei Andy Sneap, Videoclip und drei Touren:
erst Slayer/ Cradle Of Filth/Biohazard, dann Thumb und schließlich Earthtone
9 ? das hat bestimmt ordentlich Geld gekostet...
D: Das schon, aber das ist stellenweise eben etwas unkoordiniert gelaufen. Z.B.
haben wir ja nicht wirklich ins Line-Up der ?Tattoo the Planet?-Tour mit Slayer
gepasst. Da war im Vorfeld schon klar, dass es ein Erfolg wird, wenn wir nach
dem Gig nicht ausgebuht werden... Das Geld hätte man vielleicht für
andere Sachen sinnvoller einsetzen können. Aber na ja, jetzt schauen wir
mal, was so passiert...
T: Ihr seid gerade
von der gemeinsamen Tour mit 4LYN zurückgekommen. Das ist nicht unbedingt
ne naheliegende Kombination, wie kams denn dazu?
D: Dazu kams über das erwähnte Management (Rodeostar). Die haben eben
auch 4LYN im Rooster und wir haben uns u.a. auch deswegen für das Management
entschieden, weil wir eben gesehen haben, was die für 4LYN alles auf die
Beine stellen und wie es bei denen gelaufen ist ? obwohl sie ja von allen Seiten
regelrecht bombardiert worden sind! Ich hatte das neue 4Lyn-Album schon vor
der Tour als Promo geschickt bekommen und war positiv überrascht, muß
ich sagen!
T: Ging mir ganz genauso, war der Band gegenüber immer sehr kritisch
eingestellt und wurde positiv überrascht als ich die neue CD bekommen habe!
Ansonsten kann man über die Tour nur eines sagen: es war super! Wir sind
alle bestens miteinander ausgekommen, das Publikum hat uns überall gut
angekommen und wir hatten riesigen Spaß mit allen Beteiligten. Scheiß
auf musikalische Kategorien und das ganze Schubladendenken, so lange menschlich
alles passt!
T: Ihr wart ja unter
anderem auch mit Thumb auf Tour, gibts da noch Kontakt? Man hört so gar
nichts mehr von den Herren...
D: Von der Band selbst haben wir selbst lange nichts mehr gehört und warten
quasi auf ein Lebenszeichen. Mit Lupe, dem Scratcher und Tätowierer halten
wir so ein bisschen Kontakt, wir fahren mindestens einmal im Jahr hoch zu ihm
zum Tätowieren usw. Ansonsten haben wir Claus Grabke mit seiner anderen
Band, den Alternative Allstars, in Leverkusen bei ner gemeinsamen Show getroffen
und uns auch dort wieder prächtig unterhalten und amüsiert...
T: Das neue Album
ist jetzt mit einem knappen Jahr Verspätung veröffentlicht worden,
wie kams denn dazu, lags an den Besetzungswechseln?
D: Nein, daran überhaupt nicht, bzw. ja schon, aber ausschlaggebend war
das nicht. Bei unserer ersten Platte war das ja schon ganz ähnlich, die
haben wir im Oktober aufgenommen und im August drauf kam sie dann raus! Das
braucht eben auch immer ordentlich Vorlauf und wenn dann die Plattenfirma in
einem nicht gerade die oberste Priorität sieht und wild darauf ist das
Material schnellstmöglich auf den Markt zu bringen, dann kann das schon
mal dauern. Uns gehen derartige Verzögerungen natürlich schon auf
den Senkel, wir haben neues Material und wollen dementsprechend auch raus und
das live spielen, ohne neuen Tonträger macht das aber nur bedingt Sinn.
Ist dann eben ärgerlich, wenn man monatelang daheim rumsitzt und wartet
bis es dann soweit ist.
T: Das neue Material
rückt deutlich ab von den früheren Tool-Parallelen und tendiert eher
in Richtung modern Rock, war das eine bewusste Entwicklung?
D: Ich glaube wir haben bisher noch überhaupt keine bewusste musikalische
Entscheidung getroffen! Es ist vielmehr so, dass wir einfach immer aus dem Bauch
heraus gehandelt haben, es hat sich beim neuen Material ganz von selbst so ergeben,
dass es rockiger und etwas weniger metallisch wurde. Uns ist das beim Songwriting
dann auch erst nach und nach aufgefallen, dass wir uns da in eine etwas anderer
Richtung bewegen. War also in keinster Weise forciert!
T: Ich hab auch gelesen, dass Ihr im Nachhinein gar nicht mehr so glücklich
mit der Andy Sneap Produktion beim letzten Album seid?
D: Oh, ich möchte nichts Schlechtes über Andy sagen, denn wir haben
von ihm erst mal basismäßig fast alles gelernt was es so übers
Aufnehmen zu lernen gibt. Die Produktion mit ihm war auf jeden Fall ein Meilenstein
für uns. Wir waren aber zu dem Zeitpunkt wohl noch etwas unreif und konnten
uns mit unseren Vorstellungen noch nicht wirklich durchsetzen, weil wir gar
nicht wussten, wo wir eigentlich hin wollten. Ich bin zwar immer noch stolz
auf die Platte und find sie auch noch gut, sie klingt aber etwas zu steril und
zu ?metalig?. Deswegen haben wir uns dieses mal auch vorher zusammengesetzt
und überlegt, was wir eigentlich wollen und uns danach dann auch den Produzenten
ausgesucht.
T: Wer ist der neue Produzent und wie seid Ihr auf ihn gekommen?
D: Er heisst Roberto Laghi und hat u.a. Hardcore Superstar gemacht, Mustache,
früher auch mal B-Thong... Und vor allem Dingen hat er aber mal die Eleven
Pictures produziert und das ist so eine langjährige Lieblingsband von uns,
deren Platten wir auch soundtechnisch immer richtig geil fanden.
T: Unglaublich aber
wahr, das neue Album wurde in Cosmopolitan und Joy zur CD der Woche gekürt!
D: Ich hab KEINE Ahnung wie das passieren konnte, die Überraschung auch
bei SPV groß, ist ja auch nicht so wirklich das Zielpublikum! Ob uns das
aber verkaufstechnisch viel bringen wird ist doch sehr fraglich, denn seit wir
auf deren Homepage verlinkt sind, haben gerade mal drei Leute unsere Seiten
abgecheckt... Aber es gibt wohl irgendeine Redakteurin oder einen Redakteur
bei denen, der uns gut findet.
T: "A different
View" heisst das neue Werk, worauf bezieht sich denn das?
D: Naja, zum einen hängt das mit dem geänderten Sound zusammen und
damit, dass wir die Platte auch komplett anders aufgenommen haben als beim letzten
Mal. Da haben wir wirklich immer pedantischst darauf geachtet, dass ja keine
Gitarre auch nur um einen Tick verstimmt ist und alles perfekt und sauber ist
usw. Diesmal haben wir die Songs größtenteils live eingespielt, so
dass das Schlagzeugfeeling eben möglichst erhalten bleibt. Wir sind auch
alle keine Fans mehr von so überglatten Papa Roach-Produktionen oder was
auch immer, sondern wollten definitiv etwas dreckiger und mehr live klingen.
Zum anderen spiegelt das unsere komplett geänderte Sicht auf das Musikgeschäft
und das Ganze drumherum wieder. Klar haben wir seit wir den Plattenvertrag auch
eine Menge cooler Erfahrungen gemacht, insbesondere z.B. die Thumb- oder die
Earthtone 9-Tour auf denen wir soviel Spaß wie noch nie zuvor hatten.
Aber auf der anderen Seite muss man sich eben ständig mit irgendwelchem
geschäftlichen Mist wie Marketingplänen oder ähnlichem auseinandersetzen.
Da man ja noch keinesfalls von der Musik leben kann hat man ?nebenher? auch
noch nen Job und das zieht dann alles ordentlich Energie, die einem beim eigentlich
wichtigen, beim kreativen Prozess im Proberaum, fehlt. Wir haben uns dann manchmal
schon gefragt, ob wir nicht besser dran wären, wie in alten Tagen, in denen
wir nur aus Spass an der Freude Musik gemacht und im Jahr fünf Gigs in
irgendwelchen JuZes gespielt haben.
T: Was ich sehr
cool finde: ihr postet munter Links auch zu schlechten Reviews zu Eurer neuen
CD. In diesem Zusammenhang die Frage: wie sehr nehmt Ihr Euch Kritik zu Herzen?
D: Ich selbst inzwischen fast gar nicht mehr. Am Anfang hab ich mich sehr darüber
geärgert, wenn eben wieder geschrieben wurde, dass ich wie Kermit singe
oder wir wie Creed klingen etc. Mann muss aber einfach irgendwann mal kapieren,
dass das auch nur in einer ganz geringen Hinsicht objektiv ist, was da geschrieben
wird. Vieles ist eben einfach subjektiv geprägt, sei es, dass einer die
Plattenfirma nicht leiden kann oder was auch immer. Da wird oft einfach nicht
gesehen, wie viel Herzblut und Arbeit da drin steckt und wie stolz man selbst
auf die Platte ist. Ich nehms wie gesagt einfach nicht mehr ernst und kann mittlerweile
auch drüber lachen. Wir sind auch alle nicht so die Typen, die jetzt nur
gute Reviews verlinken und sich selbst beweihräuchern. Meistens können
die Leute selbst ganz gut entscheiden, ob es ihnen nun gut gefällt oder
auch nicht. Ich amüsier mich mittlerweile über die Schlechten fast
mehr, als dass ich mich über die Guten freue!
T: Merkwürdigerweise bleiben einem schlechte, oder völlig
abseitige Besprechungen auch viel mehr in Erinnerung...
D: Genau! Über die Guten da freut man sich drüber, hakt sie aber auch
relativ schnell ab, über die Schlechten ärgert man sich etwas länger
und Lachen ist dann oft die beste Methode um drüber ?hinwegzukommen?. Am
besten war übrigens ein italienisches Review, das meinte, ich klinge wie
der Sänger von Spandau Ballet ? da kann man dann wirklich nur noch drüber
lachen!
T: Gerade zum Visions
scheint Ihr ein recht gespaltenens Verhältnis zu haben. Ich bin damals
ja über Euren Track "Sick" vom Demo auf der Visions-CD auf Euch
aufmerksam geworden und war entsprechend überrascht, als dann Euer Album
nicht wirklich gut besprochen wurde, ich glaube es war sogar ein Verriss...
D: Nee, eben nicht, das hätte uns wahrscheinlich noch mehr gebracht als
so ne Larifari-Kritik mit sechs von zwölf Punkten. Auch diesmal ist es
nicht sonderlich positiv ausgefallen... Wir waren damals selbst sehr überrascht,
weil die uns ja wirklich unterstützt hatten und immer cool fanden und quasi
unsere ?Entdecker? waren. Keine Ahnung, wo das her kommt, obs einfach daran
liegt, dass die SPV nicht leiden können? Die meisten SPV-Bands schneiden
jedenfalls nicht so toll ab, gutes Beispiel ist auch Harmful. Die fanden sie
früher auch saugeil, jetzt nicht mehr so... Aber auch dadrüber lachen
wir mittlerweile!
T: Was hältst
Du als Schlangenlederstiefel- und 80er-Jahre Poserrock-Fan von der Rückkehr
des cheesy Sleaze-Metal a la The Darkness?
D: Ich fands am Anfang ja ganz witzig, aber inzwischen geht?s mir auf den Sack!
Ich hab eben die Originale mitbekommen und hab somit den ganzen Scheiss schon
mal gehört. Positiv ist, dass sies wohl selbst nicht so ernst nehmen. Ist
ein weiterer Hype, den ich überhaupt nicht verstehen kann
T: Was sind Deine
momentanen Lieblings-CDs?
D: Uach, da erwischt Du mich mal auf dem falschen Fuß. Ich hab gar nicht
so wahnsinnig viele... Ich hör eher alte Sachen, die ich wieder rauskrame.
Es ist auch irgendwie so, dass ich zwar nach wie vor viel Platten kaufe, mich
in der letzten Zeit aber nichts so richtig vom Hocker gerissen hat.
T: OK, das wars,
danke für das Interview, grüß die Kollegen, viel Erfolg mit
dem neuen Album und hoffentlich bis bald!
D: Ja, vielen Dank fürs Interview!
Telefonisch geführt
am 5.4.2004 von Thomas Jentsch
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Interview: Interview mit Sänger David. (2002)