Dave Hause
Dave Hause ist derzeit in aller Munde. Der Ex-Frontmann von The Loved Ones hat sich in den letzten Jahren Solo vor allem im Vorprogramm von The Gaslight Anthem und auf der Revival Tour einen sehr guten Ruf erarbeitet. Sein zweites Album „Devour“ erschien erst vor Kurzem. Ich traf mich mit Dave im Vorfeld seiner Show in Zürich.
Du befindest dich im Moment auf deiner ersten Tour durch Europa als Headliner. Wie fühlt es sich an?
Es fühlt sich auf jeden Fall anders an. Es ist aufregend, ermutigend und ich fühle mich geehrt, das machen zu dürfen. Es war bisher wirklich großartig. Ich habe sehr viel, sehr schnell gelernt. Dass die Tour so toll läuft, mit so vielen ausverkauften Shows, ist unfassbar für mich.
Hast du damit gerechnet?
Nein, gar nicht. Ich erwarte eigentlich nie irgendwas. Ich glaube, es ist besser, niedrige Erwartungen aber große Hoffnungen und Mut zu haben. Darüber hinaus kann man sowieso nichts kontrollieren. Es ist besser, sich einfach auf die Arbeit zu konzentrieren.
Da du gerade von Mut gesprochen hast; das letzte Mal habe ich dich gesehen, als du für The Gaslight Anthem eröffnet hast. Du bist da alleine mit deiner Gitarre vor einem Publikum gestanden, das eine Rock-Show erwartet hat. Wie war das für dich?
Ja, das stimmt. Da muss man sich schon zusammenreißen. Zugegeben, das war natürlich für mich nicht das erste Mal, dass ich auf einer großen Bühne stand. Man wächst da rein. Ich habe auch sehr klein auf kleinen Bühnen angefangen. Man lernt immer mehr dazu und hat den Dreh immer ein bisschen besser raus. Das wächst dann immer weiter und irgendwann bekommt man große Gelegenheiten. Die versuche ich dann zu ergreifen und hoffe das Beste.
Wie laufen die Headliner Shows ab? Hast du eine Band dabei?
Nein. Mein Kumpel Mitch spielt Gitarre, Mandoline und Lap-Steel. Er war Co-Produzent von „Devour“ und hat auch auf dem Album Gitarre gespielt. Er ist mit dabei, ansonsten spiele ich aber alleine. Ich habe allerdings vor, im Sommer noch einmal mit einer kompletten Band zurück zu kommen.
Es scheint fast so, als ob viele Solo-Künstler, die nur mit Gitarre und Gesang angefangen haben, immer wieder bei einem Band-Setup ankommen. Dein neues Album „Devour“ ist auch eher ein Band-Album.
Ja, da ist was dran. Als Solo-Künstler hat man generell viel mehr Freiheiten. Man kann alleine spielen, mit einem Freund oder mit einer ganzen Band. Ganz egal. Eine Band ist natürlich auch sehr spannend und hat eine ganz andere Dynamik. Ich mag eigentlich beides. Im Moment habe ich aber wirklich Bock drauf, mit einer Band zu spielen. Das werde ich dann wohl eine Weile machen – so viel es eben geht. Danach kann ich mir aber auch wieder eine reine Akustik-Tour vorstellen. Ich lege mich ungern fest und habe gern etwas Abwechslung. So bleibt man inspiriert und das Ganze bleibt eine Herausforderung. Ich kann jetzt noch nicht zu weit in die Zukunft schauen, aber die Band-Sache werde ich als nächstes angehen.
Würde es sich da nicht anbieten, auch wieder mit The Loved Ones zu spielen?
Ich habe im Moment keine Pläne in diese Richtung. Ich will mich auf die Songs konzentrieren, die ich für „Devour“ geschrieben habe.
Aber ihr habt euch nie offiziell aufgelöst, richtig?
Nein, das nicht, aber wir haben schon ewig nichts mehr zusammen gemacht und alle sind sehr beschäftigt.
Einige der Songs auf „Devour“ sollten ursprünglich neue Songs für The Loved Ones sein. Wie kam es zum Entschluss, sie doch auf dem Solo-Album zu veröffentlichen?
Ja, die ersten vier Songs auf dem Album waren für The Loved Ones gedacht. Das Leben gibt einem manchmal einfach den Weg vor. Manchmal muss man einfach abwarten und sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Mir wurde nach der Revival Tour klar, dass ich als Solo-Künstler weiter machen muss. So war auch klar, dass ich diese Songs verwenden muss. Das Feedback von der Tour und die Reaktionen der Fans auf meine Songs, die ich quasi nackt vorgetragen habe, war einfach überwältigend. Es war einfach an der Zeit. The Loved Ones waren eine kleine Band. Wir haben zwei Alben gemacht, in den Staaten getourt und auch ein bisschen in Europa. Wir waren nicht die Foo Fighters oder The Gaslight Anthem. Wir waren einfach eine Band unter vielen. Ich habe jetzt selbst schon mein zweites Soloalbum veröffentlicht. Mit The Loved Ones wird passieren was auch immer passieren wird, wir werden sehen. Das ist aber nichts, was mich im Moment in meinem Leben beschäftigt. Ich habe damit gerade wirklich gar nichts zu tun. Ich sehe die Jungs noch immer und sie sind nach wie vor meine besten Freunde, aber jetzt über die Band zu reden ist für mich wie über eine Ex-Freundin aus Jugendtagen zu reden. Es ist im Moment nicht relevant.
Hast du die Loved Ones je live gesehen?
Ja, habe ich tatsächlich.
Interessant, da bist du eine Ausnahme. Wir haben zwei Alben gemacht, sind getourt und ausgebrannt. Mehr gibt es nicht zu sagen.
Deine Solokarriere läuft ja ziemlich gut.
Ja, ich kann mich nicht beklagen. In Deutschland und England läuft es am besten aber auch in Teilen der Staaten. Philadelphia und New York vor allem. Es ist ein echter Trip, ich fühle mich sehr geehrt.
Ist es dir wichtig, eine Botschaft zu transportieren?
Nicht in der Art eines Predigers oder Politikers. Das erste Drittel des Albums handelt davon, wie ich aufgewachsen bin, das zweite Dritte beschreibt, wie mein bisheriger Lebensweg mein Handeln heute beeinflusst und das letzte Drittel zeigt auf, wo ich hin will oder wo wir als Menschheit sein können, wenn wir uns auf Liebe und Kreativität fokussieren. Die positiven Dinge eben. So kann man seinen Weg aus der Dunkelheit finden.
Du zeichnest immer wieder ein sehr düsteres Bild der Arbeiterklasse.
Ich selbst habe einen solchen Hintergrund. Mein Vater arbeitet seit 40 Jahren für dieselbe Steinbruch-Firma und meine Mutter hat bis zu ihrem Tod geputzt und auf Kinder aufgepasst. Die Väter all meiner Freunde hatten ebenfalls normale Jobs. Ich kannte nicht allzu viele Kinder von Ärzten oder Anwälten. Meine Eltern haben sehr darauf geachtet, dass unser Leben nicht so hart war wie es hätte sein können. Ich glaube aber, dass die heutige Arbeiterklasse es deutlich härter hat als wir damals. Die Leute wurden ein paar Stufen weiter nach unten gedrückt. Die Reichen hingegen wurden noch reicher. Zwischen Arm und Reich hat sich ein deutlich größerer Graben aufgetan. Es ist sehr schwer geworden, sich wieder nach oben zu kämpfen. Alles aufgrund von Gier, Lügen und den schrecklichen Dingen, die von den Verantwortlichen bewusst auf dem Rücken der Arbeiter durchgeführt wurden. Ich glaube, heute ist es nochmal deutlich härter als in den 80ern. Das ist wirklich traurig.
Siehst du eine Verbesserung seit Obama im Weißen Haus ist? Immerhin war in den 80ern Ronald Reagan an der Macht.
Mit Reagan hat das Problem angefangen, meiner Meinung nach. Ich glaube schon, dass Obama sein Bestes gibt, um die ganzen schrecklichen Entscheidungen seiner Vorgänger wieder auszubügeln. Die beiden Bushs waren furchtbar und auch einige Entscheidungen von Bill Clinton waren alles andere als gut für die Arbeiterklasse. Das System in Amerika wurde von der Gier gekidnappt. Das ist eine Schande, denn historisch betrachtet ist es ein sehr cooles Experiment. Die Gründerväter der USA haben diese Nation mit großartigen Ideen und Idealen gegründet. Sie sollte atmen und sich entwickeln. Nun sieh, was daraus geworden ist. Im Moment herrscht eine seltsame Stimmung in Amerika. Aber ich drücke die Daumen für Obama und hoffe auf Obamacare und die anderen Dinge, die er tun will. Die Republikaner haben sich im Moment selbst vor die Wand gefahren, vielleicht hat Hillary Clinton beim nächsten Mal eine Chance. Mal schauen was passiert.
Bist du selbst politisch aktiv?
Nein, überhaupt nicht. Ich versuche nur informiert zu sein so gut es geht.
Hast du jemals darüber nachgedacht deine Popularität zu nutzen, um andere Menschen für politische Themen zu interessieren?
Nein, das ist nicht meine Motivation. Ich mache Musik für gut informierte Fremde mit einem offenen Geist und Verständnis dafür wie die Welt funktioniert. Ich versuche nicht, den Leuten zu sagen wie sie leben und handeln sollen. Ich versuche würdevolle Songs zu schreiben, die aber auch für eine gute Zeit am Freitagabend sorgen. Ich bin niemand dem man folgen sollte. Was bei den Leuten hängen bleiben sollte, ist, dass ich mir meinen Weg durch die Dunkelheit bahne. Ich bin mir all der Missstände bewusst, ich glaube aber, dass wir es besser machen können. Das treibt mich an.
Wie könnte etwas besser gemacht werden?
Das fängt mit kleinen Schritten an. Man sollte versuchen, ein guter Bruder, Sohn, Vater oder Onkel zu sein. Was auch immer deine Rolle ist. Weiterhin muss man immer wieder aus sich heraus gehen. Als Solokünstler oder generell als jemand, der sein Geld mit Musik verdient, kann das Ganze sehr schnell allein vom Ego angetrieben werden. Ich glaube, es ist wichtig nicht darin zu verfallen und zu versuchen, gut zu anderen zu sein. Man darf sein Leben nicht in seinem eigenen kleinen Vakuum verbringen. Man muss sich immer wieder daran erinnern die Leute so zu behandeln wie man selbst behandelt werden möchte. Es gibt da einen Haufen dieser Goldenen Regeln, an denen viel Wahres ist. Ich habe zwar hart gearbeitet, letztendlich wurden mir aber all diese Chancen von anderen Leuten gegeben, die an mich geglaubt haben. Sie haben es mir ermöglicht, bei ihren Konzerten aufzutreten und Platten zu veröffentlichen. Also sollte ich meine Sache auch gut machen und an mir arbeiten.
Woher beziehst du deine Inspiration?
Eigentlich nur aus meinem Alltag, meinen Freunden und Bekannten, aus Büchern, Filmen und den Nachrichten. Das sind die größten Einflüsse.
Wie du bereits gesagt hast, kann es als Musiker recht schnell passieren, dass man in einer Blase lebt, die aus der Tour-Crew, immer gleichen Backstageräumen und viel Rumhängen besteht. Versuchst du diese Blase hin und wieder zu verlassen?
Ja, das versuche ich tatsächlich indem ich mir auch die Städte anschaue, in denen ich auftrete. Allerdings haben ich lernen müssen, dass ein Headliner sehr viel mehr Zeit im Club verbringen muss. Wenn man nicht gerade in einem Nightliner unterwegs ist, ist der Tag mit sehr vielen Fahrten gefüllt. Darüber hinaus muss man den Soundcheck machen, eine Show spielen und immer darauf achten, dass man genügend isst und trinkt. Ich habe auf dieser Tour nicht viel von den Städten gesehen. Ich war in den meisten schon früher mal, daher ist das nicht so schlimm. Es ist schade für Matt, da er zum ersten Mal in Europa ist und nicht viel sieht. Ich selbst versuche auch meine Energie für die Show aufzusparen. Wir haben zu wenige Off-Days. Ich versuche inzwischen bewusst welche einzulegen, wenn es geht. Die Balance ist schwierig zu finden, aber in der Tat versuche ich daran zu arbeiten. Es gibt einen Punkt, an dem dein Publikum dir vertraut und du dir eine solide Fanbasis erspielt hast. Den erreicht man meist, wenn man ein paar gute Alben veröffentlicht hat, man hat quasi einen Pakt mit den Fans geschlossen, keine seltsamen Alben aufzunehmen und sie kommen dafür auf deine Shows. Im Moment bin ich immer noch eher dabei, die Leute zu schütteln und davon zu überzeugen, auf mein Konzert zu kommen. Wenn ich aber mal diesen Punkt erreicht habe, werde ich vermutlich auch wieder mehr die Zeit und Muße haben, um auch mal die Städte anzuschauen. Es ist in der Tat immer wieder wichtig, etwas frische Luft zu schnappen, aus dem Club rauszukommen und ein paar Sehenswürdigkeiten anzuschauen.
Lass uns nochmal auf das neue Album zurückkommen. Die neuen Songs haben ein deutlich stärkeres Band-Feeling, sind aufwändiger und komplexer als die des Debüts. Wie sind die Songs entstanden?
Entstanden sind sie eigentlich wie immer. Es sind einfach Ideen, die mir kommen. Wenn ich eine grobe Vorstellung des Songs habe, arbeite ich weiter an den Details. Ich wollte bewusst ein Rock-Album machen. Einer der Auslöser war zum Beispiel die Revival Tour, die bekannterweise eine gemeinschaftliche Akustik-Tour ist. Ich bin nicht der Typ, der Ahnung von Geigen, Banjos oder all dem Zeug hat. Die Tour war eine Herausforderung für mich. Ich habe mich ganz gut geschlagen und konnte meine Ideen in diesem Kontext rüberbringen. Ich wollte aber doch klar machen, dass ich kein Countrysänger bin. Ich bin ein Rock´n´Roller. Ich höre Rock´n`Roll, ich liebe es, ich glaube daran. Das ist einfach mein Ding, ich hab das im Blut. Es war mir also wichtig, ein „Band“-Album zu machen. Es gibt einen Akustiksong darauf, aber im Gegenteil hat nicht jeder Song überhaupt Akustikanteile. Das war eine sehr bewusste Entscheidung. Das Album ist im Grunde ein Balanceakt, zu respektieren was die Leute denken dass du bist und auch dazu zu stehen, aber auf der anderen Seite die Grenzen weiter zu verschieben und die Wahrnehmung der Fans zu öffnen. Nur so bleibt die Sache interessant für alle. Ich bin sehr davon überzeugt, dass dieses Album ein gutes Album ist. Ich bin auch sehr überzeugt von der technischen Umsetzung, obwohl ich dazu kaum etwas beigetragen habe. Die Leute, die die Parts größtenteils eingespielt haben, sind unglaublich talentiert. Wir haben in einem der besten Studios der Welt mit einem großartigen Techniker aufgenommen. Es ist also nicht nur mein Album. Es war einfach Zeit, ein solches Album zu machen. Ich bin sehr froh darüber, dass es jetzt erschienen ist.
Die Details der Songs sind also erst im Studio entstanden?
Ja, genau. Wir haben eine Vorproduktion gemacht, in der wir uns all die Arrangements ausgedacht haben. Als es dann ans Aufnehmen ging, waren wir gut vorbereitet. Vieles von dem Kern der Songs hatte ich aber bereits im Kopf, was sehr hilfreich war.
War es leicht für dich, deine Ideen auch an die Musiker weiter zu geben?
Mit dieser Band im Besonderen war es wirklich sehr einfach. Die Jungs können alles. Sie sind Monster. Ich spiele nicht in deren Liga. Ich fühlte mich wie ein Kind, das mit schweren Maschinen spielt und staunt was man alles tun kann.
Hast du noch letzte Worte?
Nein, eigentlich nicht. Vielen Dank für das Interview.
Rolf Gehring
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Review: Devour, 2013 (rg)
Live-Review: 05.11.2013, Zürich - Komplex 457