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War From  A Harlots Mouth aus Berlin veröffentlichen mit „MMX“ ihr mittlerweile drittes volles Album. Die Band hat damit ihr bis Dato kompromisslosestes Werk vorgelegt. Wir fühlten Gitarrist Simon mal etwas genauer auf den Zahn.

Wie ist euer Album „MMX“ entstanden?

Wie schon unsere letzte Platte ist sie vor allem in relativ kurzer Zeit entstanden. Statt über 1,5 Jahre an neuem Material zu schreiben, machen wir das immer in einem sehr engen Zeitrahmen und dafür dann sehr intensiv. Das Material bekommt so einen zusammenhängenderen Vibe, was nun bei ‚MMX’ wirklich auch richtig gut geklappt hat, denke ich.

Habt ihr euch selbst im Vorfeld Vorgaben gemacht, wie die Platten klingen soll?

Nun ja, wir hatten auf jeden Fall vor, ein extremeres Album zu schreiben und den Metal-Anteil deutlich nach oben zu schrauben, da wir uns in Sachen Hardcore-Einfluss sehr ausgelebt hatten in den letzten Jahren. Ansonsten war uns der bereits angesprochene Vibe wichtig. Wir alle wissen, wie schnell Musik, die einfach nur extrem und technisch ist, auch langweilig werden kann. Deswegen haben wir uns besonders darauf gestürzt, eine gewisse Grundatmosphäre über sehr flächige und böse Melodien zu erzeugen.

Es fällt auf, dass die neuen Songs noch etwas direkter und härter geworden sind. Woran liegt das?

Direkter sind sie vor allem geworden, weil wir nicht mehr versucht haben, unbedingt chaotische Parts zu schreiben und dieses Element viel subtiler eingebunden haben als zuvor. Dadurch funktionieren die Songs besser und extremer, bzw. „härter“ als auf dem sehr experimentellen Vorgänger wollten wir ja wie gesagt sowieso werden.

Wie seid ihr über die Jahre als Band gewachsen und wie unterscheidet sich die Entstehung der neuen Platte von der Entstehung des Debüts?

Als wir angefangen haben, kannten wir uns größtenteils gar nicht besonders gut. Kaum hatten wir unser Line-Up zusammen, mussten wir auch schon ein Album schreiben. Und der Unterschied zum Schreibprozess heute liegt vor allem darin, dass wir damals eben über ein gutes halbes Jahr die Songs geschrieben haben, während wir heute eher ein bis zwei Monate dafür brauchen.
Als Band wächst man natürlich auch durchs viele Touren zusammen. Das kommt dem Songwriting auch zugute, da sich irgendwann die Mechanismen herauskristallisieren und jeder weiß, was er tut und beiträgt. Es ist eben nicht mehr so ein spontaner Prozess, sondern hat geregeltere Abläufe. Ich denke, man hört beides unserem Debüt auch an: Diese Spontaneität und das noch recht zusammenhangslose Bandgefüge. Das hat sich definitiv im Sound niedergeschlagen, aber trotzdem hat es irgendwie am Ende funktioniert.

Euer Sound ist ja recht anspruchsvoll. Hat man es bei eurer Spielart schwerer, originell zu klingen und immer wieder etwas Neues zu liefern oder ist es im Gegenteil vielleicht sogar leichter?

Das „leichte“ daran ist, dass man nicht das Gefühl hat, etwas auf eine ganz bestimmte Weise machen zu müssen, damit es den Leuten gefällt. Es gibt kein Erfolgsrezept Marke Schema F, nach dem wir uns richten müssen. Wir können machen, was wir wollen und genau das erwarten wahrscheinlich auch viele von uns.
Allerdings sind wir mit ‚MMX’ auch endlich an einem Punkt angekommen, wo wir nicht mehr das Bedürfnis haben, bei der nächsten Platte dann wieder was betont Neues abliefern zu müssen. Wir haben hier unseren Sound und unsere Nische gefunden und werden nun wohl eher darauf aufbauen, als wieder alles einzureißen und es neu zu ordnen.

Gibt es so etwas wie ein WFAHM Rezept?

Ja. Wir machen einfach, worauf wir eben Bock haben und versuchen dabei nicht, irgendwelchen Formeln zu entsprechen, die womöglich bei den Kids ankommen könnten. Der Geschmack der heutigen Szene ändert sich mittlerweile eh alle 6 Monate. Gestern Metalcore, heute Deathcore, morgen dieser moderne Entwurf des Hardcore. Man kann sich natürlich nach jedem dieser Trends den Hals verrenken und immer versuchen, dort zu sein, wo die Kids grad hinströmen. Wir wollen aber lieber etwas Nachhaltiges schaffen. Und ein bisschen musikalische Integrität schadet heutzutage auch nicht, haha…

Was beeinflusst euch musikalisch?

Puh… eine große Bandbreite extremer und experimenteller Musik. Als wir WFAHM ins Leben gerufen haben, waren es Bands wie The Dillinger Escape Plan, Between the Buried and Me, Turmoil oder auch Cephalic Carnage, Gorguts und Ion Dissonance. Ansonsten fallen mir noch Deathspell Omega und Gaza als Einflüsse ein… eben Bands, die schon immer für sich standen und aus der Masse herausragten. Bands, die schon immer musikalische Herausforderungen waren. Für den Hörer und sicherlich auch für die Musiker selbst.

Was sind eure Ziele mit dem Album bzw. der Band?

Wir wollen weiter das tun können, was uns eben Spaß macht. Touren, Alben schreiben, aufnehmen und veröffentlichen. Dadurch können wir was von der Welt sehen und Orte bereisen, die wir sonst nie gesehen hätten. ‚MMX’ wollen wir auf jeden Fall so intensiv wie nur möglich betouren.

Warum habt ihr das Album schlicht nach dem Erscheinungsjahr benannt? Einfach keine bessere Idee gehabt oder ist der Titel irgendwie symbolträchtig?

Die Idee dahinter war, dass wir das Album mitsamt seinem textlichen Inhalt einfach als Zeitzeugen verstehen, von daher bietet sich der Titel einfach an. 2010 ist natürlich auch ein symbolträchtiges Jahr, mit der Zahl haben wir auch in den Texten teilweise gespielt.

Wovon handeln die Texte der Platte?

In erster Linie von sozialer Entfremdung, in Form von fiktiven Charakteren, die aus verschiedenen Gründen nicht in die Gesellschaft eingebunden sind. Sei es, weil sie sich nicht einfügen wollen, oder weil sie eben nicht können… durch Krankheiten oder den sozialen Status. Die Bandbreite der Charaktere reicht also vom Cliché des Misanthropen über jemanden, der sein Gedächtnis verloren hat, bis hin zum alten Mann, der nichts mehr vom Leben hat.

Ihr seid 2008 auf Tour in den USA gewesen. Wie war das für euch? Gab es eine besondere Erkenntnis von dieser Tour?

Ja, die Erkenntnis, dass man als Band dort am unteren Ende der Nahrungskette steht, hahaha. Hier in Europa zu touren, bedeutet jeden Abend etwas zu Essen zu bekommen und einen Schlafplatz. Dort zu touren, heißt alles Essen aus der eigenen Tasche zu bezahlen und Kids nach Schlafplätzen anzubetteln. Letzteres funktioniert zum Glück super, da die das da drüben schon gewohnt sind.
Eine weitere Erkenntnis war damals, dass die Kids auf den Shows angenehm untrendy rüberkamen und größtenteils sehr interessiert an der Musik wirkten. Vielleicht war unsere Tour aber auch einfach nicht trendy genug, um die Hipster anzuziehen, hahaha.

Ich nehme mal an, dass ihr euren Lebensunterhalt anderweitig bestreiten müsst, trotzdem seid ihr relativ viel unterwegs. Wie bekommt ihr alles unter einen Hut? Ist da noch viel Platz für Privatleben?

Das ist richtig. Wir alle müssen unser Geld anders ranschaffen, da das mit der Band nicht möglich ist. Unsere Jobs, oder was auch immer wir neben der Band machen, würde ich als „Privatleben“ bezeichnen. Also alles, was eben nicht mit der Band zu tun hat. Und irgendwie kriegen wir es schon unter einen Hut, auch wenn natürlich immer was auf der Strecke bleibt, wie eben mal Beziehungen oder so was. Da muss man durch.

Extreme Mucke wie die eure scheint derzeit recht beliebt zu sein. Entsprechende Stilblüten treibt die „Szene“. Wie seht ihr euch in dieser Entwicklung? Interessiert sie euch überhaupt?

Es interessiert mich schon, was passiert. Es ist zwar oft nicht so besonders erfreulich, da man das Gefühl hat, dass sich auch diese Szene sehr dem Mainstream angenähert hat und die Strukturen und auch das Image von Subkultur immer weiter in Richtung Popkultur verschoben werden, aber so ist es nun mal. Das Interesse ist jedenfalls nicht groß genug, um es auf unsere Musik abfärben zu lassen.

Was treiben die einzelnen Mitglieder neben der Band?

Nico verkauft Klamotten bei Ben Sherman, Paul verkauft Tickets in der O2 World, Daniel arbeitet bei Fielmann, Filip studiert Musikwissenschaften und ich bin Freelance Mastering Engineer.

Ihr teilt euch den Drummer mit Burning Skies. Wie funktioniert das in der Praxis?

Die Jungs haben sich ja nun leider aufgelöst und Paul war auch immer mehr der Aushilfsdrummer, nur eben sehr regelmäßig. Wir standen an erster Stelle für ihn, allein logistisch macht das ja auch schon Sinn. Es ist jedenfalls schade um die Band, da sie eine der wenigen Bands waren, die sich nie dem Mainstream angepasst hat, sondern musikalisch immer extremer und asozialer wurde.

Was sind eure unmittelbaren Zukunftspläne?
Zunächst mal steht die Berlin Angst Tour vor der Tür, diese geht vom 26. bis zum 30.12. durch einige Deutsche Städte und mit dabei sind unsere Freunde von Final Prayer. Ansonsten arbeiten wir daran, im Frühjahr wieder in die USA zu gehen und auch an einer Tour für Europa, um ‚MMX’ noch mal etwas ausführlicher zu betouren, als mit der Never Say Die! Tour.

Letzte Worte?

Danke für das Interview und auch schon mal an die Leser für die Geduld, es bis hierher zu schaffen. Checkt unser neues Album aus und schaut mal bei www.facebook.com/wfahm oder www.wfahm.com vorbei, wenn ihr auf dem Laufenden bleiben wollt, was in Sachen Tour und so weiter bei uns so passiert.

Rolf Gehring

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