New Bomb Turks
Studenten-Punk?
Mann, ich hab einfach
zu spät angefangen, Punk zu hören. Als die New Bomb Turks gerade die
erste Platte auf Crypt veröffentlichten, habe ich nur Bad Religion und
Nofx gehört. Über die bin ich halt zum Punk gekommen. Jetzt, wo ich
den wilden Sound ihrer Anfangszeit zu würdigen weiß, kann ich den
nicht mehr gescheit live erleben. Der neue Drummer geht finde ich viel zu sehr
auf die anderen ein. Der Alte war mehr so "1...2....3...los geht's und
dieses Getrashe macht auch den Charme der alten Sachen aus. Nicht, dass die
neuen Platten nicht auch sehr gut sind, aber an die "Destroy oh boy"
kommt da so schnell nichts ran. Diese Platte setzte Maßstäbe für
zahlreiche Epigonen und hat so was wie den "nicht-traditionellen"
Garage-Punk salonfähig gemacht - Bands, die sich zu sehr nach den Beatles
oder so anhören, sind also traditionell. Die Turks sind irgendwo so wie
die Devil Dogs, haben aber nicht diese "Yeah baby gimme head"-Texte,
wie sie immer üblich sind. Wir reden über Rock'n'roll.
Wie dem auch sei, ich konnte mich auf dieser ihrer letzten Tour mit Gitarrist
Jim unterhalten. Here we go:
K: OK, ich hab eh nur ein paar schnelle Fragen, und dumme höhö...
uns ist nichts eingefallen.J: Dös is scho ok!
K: Was ist dein Lieblingsfilm?
J: Mein Lieblingsmovie ist "Groundhog Day" mit Bill Murray und
Andie MacDowell, der Film, wo ein Typ denselben Tag immer und immer wieder erleben
muss.
K: Ja den kenn ich...
J: Der kam gestern gerade im Fernsehen, in der Schweiz, ich weiß nicht
ob der hier auch kam. Ist ein guter Film, und, ja, mein Lieblingsfilm.
K: Der Titel eurer neuen Scheibe spielt ja auch auf einen Filmtitel an...
J: Ja, der Titel ist so was wie ein Wortspiel auf den Film "The Day
The Earth Stood Still".
K: Studiert ihr eigentlich alle Literatur?
J: Ja. Und ich werde auch weiterstudieren. Ich werde Graduate Studies machen.
(Anmerkung: In Amerika gliedert sich das Studium in Undergraduate, Graduate
und Post-Graduate Studies. Jim hat also sein Studium abgeschlossen (so Diplom-mässig,
nehm ich an), und wird es nun erweitern)
K: Magst du Viktorianische Literatur?
J: Viktorian Literature? Öhm, yeah some. George Elliott, Thomas Hardy,
so Sachen, wird glaube aber nicht voll als viktorianische Literatur bezeichnet.
K: Magst du Charlotte Bronte?
J : Ich liebe Charlotte Bronte, echt. Das sind Klassiker. Ich mag die Werke
der Bronte-Schwestern sehr.
K: Über was war denn deine Abschlussarbeit?
J: Den letzten Schein habe ich in einem Seminar über die Literatur
der amerikanischen Ureinwohner gemacht. Meine Hausarbeit ging über den
Unterschied zwischen dieser Literatur in den Fünfzigern und heute.
K: Bücher von Indianern quasi.
J: Yeah, es existiert eine sehr lebhafte Szene für diese Art von Literatur,
die sich in den 50er/60er Jahren entwickelte und heutzutage boomt wie noch nie.
Vieles davon behandelt Mystik und/oder die amerikanische Geschichte, es ist
sehr interessant.
K: Dem stimme ich zu. Ich studiere übrigens auch Englische und Amerikanische
Literatur, falls du dich wunderst, wieso mich das interessiert..
J: Echt? Das ist toll! Dann muss ich Dir James Welsh empfehlen. Er ist so
ein Native Amerikan Writer der alten Schule, der heute aber auch noch veröffentlicht,
und der ganz toll schreibt. Er hat einen sehr visuellen Stil, mit abgefahrenen
Metaphern, die Art, wie er erzählt ist wirklich revolutionär. Ich
habe zwei Bücher von ihm gelesen... das ist echt guter Stuff! Die Leute
reden immer von Prime Literature und New Art Literature, und das mag ich auch,
aber ich mein, es gibt mehr als nur Hemingway und Faulkner und Fitzgerrald und
so weiter. Obwohl "The Great Gatsby" wahrscheinlich das beste Buch
ist, das je geschrieben wurde. Aber das ist nur meine Meinung.
K: Magst du Bukowski?
J: Ich find Bukowski ganz ok, aber ich bin kein besonders großer Fan
von ihm. Ich denke, er wird überbewertet.
K: Denkst du, dass er ein Lügner ist?
J: Nein, keineswegs. Ich finde nur, dass seine Masche ein bisschen altmodisch
ist, so dieses "ich bin blau, und ich bin ein Arschloch, und ihr könnt
mich alle"-Ding. Seine Gedichte sind eigentlich besser als seine Prosa
- diese ist lediglich das Gezeter eines alten, betrunkenen Mannes.
K: Echt jetzt?
J: Ja, das meine ich ernst.
Es gibt Leute, die mehr aus sich gemacht haben. Ich meine, da hast du ein Talent
zu schreiben, und verschwendest es, indem du den ganzen Tag rumsäufst -
ist doch Scheiße. Fitzgerrald zum Beispiel war auch ein Säufer. Aber
er hatte die Disziplin, sich anzustrengen und seinen Lebensunterhalt als Schriftsteller
zu verdienen. Bei Bukowski ist alles nur sein Image, seine Persönlichkeit.
Er ist so was wie der Howard Stern in der Literatur. Tut mir leid, wenn ich
jetzt einen deiner Helden verunglimpfe.
K: Nö, nö, keine Bange. Ich war großer Bukowski-Fan, als
ich noch jünger war, aber-
J: Ja, genau, ich auch, als ich ein Kid war, war Bukowski der Größte,
aber ich bin jetzt 34, und ich schau mir sein Leben an, und sein Werk, und ich
sehe: Da fehlt irgendwas.
K: Das denke ich auch.
J: Da ist kein Meisterwerk vorhanden.
K: Ja, und ich denke auch, dass er lügt. Aber ich finde nicht, dass
seine Gedichte besser sind als seine Prosa, besonders seine Kurzgeschichten
sind gut.
An dieser Stelle unterbricht uns die Dirtshakes-Brigade, die irgendwas wegen der anschließenden Party klären wollen oder so. Hernach geht's weiter mit den ursprünglich geplanten Fragen.
K: Also das wird wirklich
eure letzte Tour sein?
J: Ja.
K: Was wirst du dann jetzt machen?
J: Ich werde Lehrer sein. Ich werde Literatur unterrichten. Ich werde die
Grad-School besuchen, für 18 Monate, und danach werde ich anfangen zu unterrichten.
Wir machen nicht mehr genug Geld mit der Band, um davon leben zu können.
K: Also habt ihr die ganze Zeit von der Band gelebt?
J: Ähem, ja, fast 7 oder 8 Jahre haben wir von der Band gelebt.
K: Ist das ein hartes Leben?
J: Definitiv! Wir könnten schon noch weiter machen, aber dann müssten
wir mehr als die Hälfte des Jahres auf Tour sein, und da stehen wir mittlerweile
halt nicht mehr so drauf. Es ist schwer: Wir haben alle Freundinnen oder sind
verheiratet, einer hat ein Kind, wir können nicht mehr so lange weg sein
von zu Hause.
K: Ist verständlich.
Schon wieder werden wir
gestört, diese Mal wegen einer aufschlussreichen Konversation zwischen
dem Dirtshakes-Sänger und Eric, dem Sänger der Turks:
Eric: Hey, ihr bunkert ja
das ganze Bier!
- Ja klar! Das ist doch das erste, was man lernt, als Vorband.
Eric: Aber hey, hab ich dich nicht heut schon mal gesehen, wie du dich an unserem
Kühlschrank zu schaffen gemacht hast...
- Ja, weil man uns sagte, die New Bomb Turks trinken kein Bier. Das seien Intellektuelle,
die Wein trinken. Die tun nur so, als ob sie laut und wild wären...
Eric: Das stimmt ja auch, aber hier den Wein kann man ja nicht trinken, also
bleibt uns keine Wahl.
- Ist der nicht gut, der Wein, oder was?
Eric: Sagen wir mal, wir hatten schon besseren.
-Ah, deswegen spielt ihr so viel in Frankreich!
Eric: Exactly.
Es wurde wieder ruhiger, und wir konnte mit dem Interview fortfahren:
K: Inwieweit war es wichtig
für euch, aus einer eher kleinen Stadt zu kommen, die dennoch eine Studenten-Stadt
ist?
J: Wir haben uns durch das Studium kennen gelernt. Wir haben dieselben Seminare
besucht, wir haben gemeinsam beim Uni-Radio mitgemacht - und irgendwann die
Band gegründet. Die Stadt spielte dabei keine große Rolle. Wir haben
natürlich versucht, das Beste aus der Stadt zu machen. Columbus ist eine
gemischte Stadt, aber es ist nicht viel los da. Wir wollten was auf die Beine
Stellen, wollten Bands in der Stadt sehen, die wir mochten. Wir wollten Musik
spielen, die wir mochten, und ein paar Bands dachten dasselbe, was dazu führte,
das wir eine kleine Szene hatten. Diese war in den 90ern lebendig und bricht
jetzt langsam auseinander...
K: Welche Band hatte den größten Einfluss auf euch?
J: Die Devil Dogs. Meiner Meinung nach die beste Band, die jemals existierte.
Meine absolute Lieblingscombo. Ich musste mal fünf Wochen mit ihnen touren,
und das hat mein Leben in wahrhaft nachhaltiger Weise für immer verändert.
Wir haben gerade auch ein paar Songs für ein Devil Dogs-Tribut Album aufgenommen.
Zuhause höre ich aber nicht so viel heavy Rockmusik, eher ruhigere Sachen
wie Lee Hazelwood.
K: Der Erfolg von Garagepunk in den letzten Monaten/Jahren, von Bands wie
den Hives beispielsweise, hat der euch irgendwas gebracht?
J. Nö, nicht wirklich. Wenn Untergrundbands Erfolg in den Mainstream-Medien
haben, dann gehen die ganzen Mainstream-Leute auch nur zu den dort angepriesenen
Bands. Die Hives haben uns in Interviews erwähnt, von daher kommen vielleicht
ein paar neue Leute, aber es sind doch eher dieselben Gesichter, die wir auf
unseren Shows zu sehen bekommen. Wir profitieren sozusagen nicht wirklich von
der GarageRock-Explosion. Es ist nett, dass die Hives uns erwähnen, uns
sie haben uns auch für fünf Shows oder so in den USA engagiert.
K: Seid ihr über den ausbleibenden "großen" kommerziellen
Erfolg arg enttäuscht?
J: Nö, wir würden jetzt auch nicht alles tun, um diesen zu erlangen,
zum Beispiel nen Song für ne Coca Cola-Werbung oder so.
K: Ist es denn anders, in den Staaten zu touren, denn in Deutschland?
J: In Deutschland ist es gut. Die Leute kommen, haben eine gute Zeit, sie
tanzen, gehen ab. In den Staaten ist es öfter mal so, dass alle nur cool
rumstehen - das ist Scheiße. Machen sind halt einfach zu cool. Es ist
gut, wenn Action da ist, und Spaß, und keine Gewalt. I'd rather have the
people do something, but... Es ist meist so, dass die Leute in größeren
Städten eher cool rumstehen, da sie massig gute Bands sehen, und daran
gewöhnt sind. Ich mag den Süden Deutschlands, die Leute gehen gut
ab, und es ist nicht gewalttätig. Wir wollen ne gute Zeit haben...
K: Wie ist's in der Schweiz?
J: Da ist es ein bisschen langweiliger. Die Schweizer haben viel Geld, und
gehen nicht so ab. Sie kommen, kiffen ohne Ende, und stehen rum.
K: War es früher anders oder gar besser?
J: Kommt drauf an. Bei unser ersten Tour 93 kannte uns niemand, und wir
mussten die Leute mehr motivieren. Heutzutage weiß jeder was abgeht auf
einer Turksshow, die Leute haben ihre Lieblingssongs und wollen die hören,
und manche Abende sind wahrlich bombastisch. Die Anfänge waren schon anders,
neu und aufregend.
K: Welche Band war die beste, mit der ihr je getourt habt?
J: Devil Dogs.
K: Danke für das Interview und alles gute!
Jau, des wars auch schon.
Die Show war übrigens sehr gut, und klar haben sie auch alte Hits gespielt,
aber... Ich weiß nicht, ich hab ein Turks-Video von punrockvideos.com,
aufgenommen 95 oder so in einem Plattenladen irgendwo in Kanada, und die Spielfreude
und Energie, die da rüberkommt, die konnte ich so nicht vorfinden an jenem
Abend in Stuttgart, obwohls abging und so, aber anders. Egal, die Turks sind
das Gesetz.
Keg
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