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aus der Welt des organisierten Krawalls

Leopold Bloom berichtet

(Folge 1)

aus der Welt des organisierten Krawalls

Textsammlung zum Konzert der Gruppen „Ignite“ und „Terror“, geschehen im SO 36 am 18.04.2008.

(in: 1 Betrachtung in zwei Teilen, 3 Skizzen, 3 Erzählungen sowie einem Beitrag aus der Serie: „Mit ungewöhnlichen Kenntnissen gelegentlich mal gut dastehen“ von Leopold Bloom).

  1. Betrachtung: Ein schweres Geschäft (1. Teil)

 

„Auf Konzertberichte“ so teilte Herr Bloom seinem Beschäftigungsgeber unlängst mit, „sollte ja im Allgemeinen eher verzichtet werden“. Es handele sich da, so führte er weiter aus, um praktisch undurchführbare Projekte, die für die Urheber anstrengend, für das Publikum hingegen in der Regel unerheblich seien. Für ihn persönlich, so Bloom, sehe er da „keine Aufgabe“.
An die Replik des Angesprochenen kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Widerworte erscheinen am Wahrscheinlichsten. Das könne wohl schon angehen, so ein Konzertbericht, schließlich lesen es die Leute ja. Ob es stimmt? Wer weiß. Und selbst wenn es so wäre, was hieße es denn schließlich? Den Beweis trete er an, dass die Leute nicht auch Unfug lesen würden! Gleichwohl hat er Recht: Vielleicht lesen es ja wirklich welche. Denen sage ich: „Hallo“. Und: „ Wir fangen gleich an“.
Vorher aber noch: das Ende des eingangs beschriebenen Dialogs. Denn noch kennen wir die Gründe ja nicht, die Herrn Bloom zu solch üblem Urteil über die Konzertberichterstattung bewogen haben. Es waren, im Wesentlichen, die Folgenden:

Einer musikalischen Darbietung fehlten drei für die Berichterstattung wesentliche Eigenschaften, nämlich ein beschreibbares Ergebnis, ein beschreibbarer Inhalt und ein erkennbarer Sinn für das Publikum. Das Ergebnis fehle, weil es – außer dem musikalischen, davon später – keinen Sinn in der Anordnung der einzelnen Ereignisse gebe, und diese daher weder Handlungen noch Resultate hervorbrächten. Über die inhaltlichen Verknüpfungen, die in Büchern oder Filmen zu Handlungen oder bei, zum Beispiel, Fußballspielen zu gültigen Entscheidungen führten, ließe sich köstlich berichten (oder auch, wie er empört anmerkte, auch ganz und gar unköstlich; was ihm beispielsweise das schamlose Dilettantentum, so es an der Fernsehberichterstattung von Fußballspielen beteiligt ist, zu beweisen immer fantastischere Anstrengungen unternehme). Das tue aber nichts zur Sache. Berichten ließe sich so oder so. Von Konzerten, zumindest auf diese Art, nicht.
Hieraus ergäbe sich die Sinnlosigkeit für das Publikum. Er, Bloom, glaube sagen zu können, dass ein – zumal schriftlicher – Bericht ihm rein gar nichts vom all dem vermitteln könne, um dessentwillen Konzerte zu besuchen sind und er glaube, dass gehe den meisten Menschen so.  Sieh an, denke er sich dann, so war das also, dieses haben sie gespielt und jenes und „reingehauen“ haben sie wie „nix Gutes“. -  Sehr brav. Aber was gehe ihn, Bloom, das an? Er war nicht dabei und die Freude der Anderen, sosehr er sie ihnen gönne, sei nun einmal nicht seine Freude, oder – je nachdem -  Enttäuschung oder was immer. Für die Planung zukünftiger Konzertbesuche brächte es auch kaum etwas. Schließlich müsse er sich der Einschätzung eines Menschen mit unbekannten Hörgewohnheiten und, möglicherweise, zweifelhaftem Urteilsvermögen anvertrauen, der einer Band den schärfsten Rock nachsagt, wo in Wahrheit ein Verein talentbeschränkter Misanthropen sein bemitleidenswertes Publikum peinigt. Oder, genauso schlimm, anders herum.
Das, was einzig Sinn hat am Ereignis, die musikalische Darbietung unter bestimmten Umständen und vor bestimmtem Publikum, sei mit den Mitteln der Sprache nicht zu bewältigen. Hier könne in der Beschreibung nur Mangel herrschen und an mangelhaften Beschreibungen bestünde, wie allgemein bekannt sei, kein Bedarf.
Dies führt, unsere kurze Betrachtung abschließend, zu Blooms letztem Einwand; der Unmöglichkeit das eigentliche, musikalische Ereignis überhaupt beschreiben zu können. Hier liegen die Dinge etwas komplizierter und das Verständnis des Erzählers ist bei all jenen, die sich die nachfolgenden Erwägungen lieber ersparen möchten. Gründe, es zu versuchen, gäbe es immerhin:

Mit ungewöhnlichen Kenntnissen gelegentlich mal gut dastehen (Folge 1)

Die Kultur der Menschheit ist ein reicher Garten und wohl dem, der da tüchtig zugreift. Großes ist geleistet worden in den Äonen und wer hier teilnimmt, hat es gut. Selbst erfährt er Schönes und wo er auftritt, ist ihm die Achtung der Zeitgenossen gewiss. Gerne lauschen sie den gelehrten Anekdoten des Gastes und umso tiefer ist ihr Eindruck, je wüster er äußerlich daherkommt.
Nun mag es welche geben, denen am gelungenen Auftritt wohl liegt, die für die Suche nach den  - oft genug schwer auffindbaren – Schätzen keine Zeit oder keine Lust haben. Ist er ihnen deswegen zu verweigern? Keineswegs! Solidarität mit den Gehetzten sowie mit den Faulen! Mögen sie gestatten, dass ich ihnen einen Teil der Arbeit abnehme und in dieser Serie fortan das Wichtigste zusammenstelle, dass ihn einer passenden Situation und um des Effektes willen zu einem bestimmten Thema gesagt werden kann.

Heute: Schopenhauer / Musik
Anwendungsbeispiel:
Aussaufgesellschaft in der Absturzkneipe, Gespräch befasst sich mit musikalischen Dingen. Möglicher Einstieg: (belehrend) „Ja, Alter, aber überleg doch mal, was der Schopenhauer sagt!“

Wichtigste Teile des Beitrages:
Dann, in etwa, so weiter machen: Schopenhauer, seinen Platon wohl kennend, stellt sich das künstlerische Wirken der Menschen als Annäherung an eine Idee vor, die der Welt vorausgeht und nach der sie sich bildet. Somit sortieren sich die Variationen der Kunst nach der Unmittelbarkeit, mit der sie die Idee wider zugeben im Stande sind. Grundsätzlich gilt: Je mehr Stoff, desto weniger Idee. Baukunst oder Gartenbau enthalten vorwiegend Stoff und folgerichtig kaum Idee, während Poesie fast schon reine Idee ist und den Stoff nur noch zur Vermittlung benötigt.
Am stoffärmsten geht es aber in der Musik zu. Hier ist reiner Geist. Während die Sprache ohne Zeichen und Symbole nicht auskommt, Idee daher immer nur abbilden kann, besteht hier der wesensgemäße Unterschied zur Musik, die Idee nicht abbilde, sondern sei.

Der Meister selbst:
„Die Erfindung der Melodie, die Aufdeckung aller tiefsten Geheimnisse des menschlichen Wollens und Empfindens in ihr, ist das Werk des Genius, dessen Wirken hier augenscheinlicher, als irgendwo, fern von aller Reflexion und bewusster Absichtlichkeit liegt und eine Inspiration heißen könnte. Der Begriff ist hier, wie überall in der Kunst, unfruchtbar: der Komponist offenbart das innerste Wesen der Welt und spricht die tiefste Weisheit aus, in einer Sprache, die seine Vernunft nicht versteht; wie eine magnetische Somnambule Aufschlüsse gibt über Dinge, von denen sie wachend keinen Begriff hat“.

Wer noch einen drauf setzen will:
„Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“ (Friedrich Nietzsche)

  1. Betrachtung: Ein schweres Geschäft (2. Teil)

 

So also sprach und dachte Leopold Bloom über die Unmöglichkeit des Konzertberichts. Warum er ihn trotzdem unternahm? Warum nicht? Schließlich ist Herr Bloom ein freier Mensch und kann tun und lassen, was er will.

  1. Erzählung (1): Struggle of Empires

 

Der Unternehmung, als solcher schon fordernd genug, fehlt es auch an sonstigen Schwierigkeiten nicht: Ich selbst, von einer sich schon länger vorbereitenden Grippe grimmig angegangen und die Konzertleitung offensichtlich nicht in Kenntnis davon, dass mir auch ohne Eintrittskarte Einlass zu gewähren sei, finde mich, noch vor Beginn der eigentlichen Veranstaltung und jedenfalls nach wie vor ante portas, in entmutigende Gespräche mit dem Einlasspersonal verwickelt. Dieses arbeitet sich zwar mehrere Male durch diverse, mitunter epische, Gästelisten, weist mich letztlich aber doch wegen Ermangelung einer Eintrittsbefugnis ab.
Was ist zu tun? Ich spiele meine letzte Karte: Der Medientycoon in der Ferne, nun muss er selbst heran. Gleich ist er am Telefon: „Hier Ungetüm!“, dröhnt er. „Wer was will, soll herkommen! Dem geb’ ich! Oh ja! Fürstlich einschenken werd’ ich ihm, dem armen Sünder, denn nichts Geringeres als sein Leben wagt er hier!“ Hier unterbreche ich. Das kann ja niemand mehr hören. Immerfort schrecklich wütet dieser Mensch gegen die Welt. Nun aber handelt er: Noch durch das Telefon ist deutlich die Energie zu spüren, die jetzt in Ungetüms Großraumbüro fährt, da er von dem Problem Kenntnis nimmt; In Windeseile werden Schreibtische besetzt, Telefone klingeln, hochrangige Kapazitäten tauschen Anweisungen und Ansichten aus, überall ist hier Einsatz, Kenntnis, Überzeugung am Werk. Der Lohn bleibt nicht aus: Schon quillt eine schriftliche Bestätigung des Veranstalters aus dem Drucker (eines Mannes übrigens, der sich selbst „Herrscher der Beherrscher des Universums“ nannte, später mit zum Konzert kam, dort für den weiteren Abend mit Überzeugung ein Trinken ankündigte „so der Menschheit in aller Zeit noch nicht vorgekommen“, darauf dann aber verzichtete und stattdessen bald nach Hause ging).
Neuerlich gerüstet, kehre ich an den Ort der ersten Auseinandersetzung zurück. Dort hat die Intervention des Moguls Wirkung gezeigt: auch die Gegenseite hat ihren Champion mobilisiert, der Tourmanager selbst ist es, der nun antritt.
Ein nobler Mann ist das! Er traktiert ein futuristisches Gerät so lange, bis mein Name schließlich doch auftaucht und gewährt mir Eintritt, nicht ohne zuvor aber mächtig in Fahrt zu kommen wegen der Maßlosigkeit der Plattenindustrie, für deren Repräsentanten er mich fälschlicherweise hält und gegenüber der er mich beauftragt, „gewaltige Arschritte“ anzukündigen, was ich hiermit tue.

  1. Skizze (1)

 

Einer droht: „Dafür gebe ich Dir so viele Minuspunkte, so viele gibt es gar nicht!“.
Wie er diese Unternehmung dann wohl plante, wie er es praktisch anging und wie im Geiste und ob es ihm, dann aber aller Bewunderung würdig, schließlich wirklich gelang, habe ich leider nicht mehr mitbekommen, wg. Terror.

  1. Erzählung (2): Terror

 

Bei den Leuten ist es ja oft so, dass die Personen irgendwie zu den Namen passen, die sie tragen. Bei Gruppen ist das ähnlich. „Terror“ ist ein einigermaßen guter Name. Typisch für die Arten von Namen, die eigentlich nahe liegend sind, aber einem trotzdem nicht einfallen, wenn man sie gerade brauchen könnten. Das Potential für gelungene Wortspiele besteht allemal, das für ausgesprochen dumme Wortspiele aber auch, was einen kleinen Abzug gibt. Trotzdem: nicht sehr originell zwar, aber eigentlich ganz nett. So auch die Band. Das sind erprobte, technisch tadellos vorgetragene Konzepte, die sie da zu Gehör bringen, und die ihnen das Publikum auch wohlwollend abnimmt. Besonders inspiriert finde ich das alles trotzdem nicht, aber ich mag mich täuschen. Erst recht täuschen müsste ich mich allerdings, würde ich versuchen, dies irgendeinem musikalischen Genre zuzuordnen. Der Bezeichnungs- (und, wo wir gerade dabei sind, Erscheinungsbild-)kleinkrieg, der unter Anhängern unterschiedlicher Musikstile mitunter ausgetragen wird, hat mich noch nie interessiert und so gebe ich daher meinem Laientum hier beherzt Ausdruck und sage: Terror spielen zwar etwas simplen aber zweifellos publikumswirksamen Hardcore, in etwa so, wie ich mir älteren „NYHC“ vorstelle. Das mag genügen. Wer’s besser weiß, soll’s sagen.

  1. Skizze (2)

                           
Rechts von mir steht einer, der eine Mütze, wie er sie trägt, lieber nicht tragen sollte, weil er sonst nämlich aussieht wie die Wehrmachtsangehörigen, die in vom Kampf in der Wüste berichtenden Wochenschauen mit nacktem Oberkörper an den Kanonen  schuften. Oder, wenn er schon auf die Mütze nicht verzichten will, wenigstens sein Hemd anlassen oder die Frisur ändern.

  1. Erzählung (3): Ignite

 

Ignite erwischen einen guten Start. Das war zuletzt nicht immer so: Keine andere Band als diese, die auf Studioalben regelmäßig grandiose Einstiege hinlegt, hat zuletzt in dieser Hinsicht deutlich geschwächelt, namentlich bei ihrem letzten Berliner Auftritt, als sie es unerklärlicherweise für richtig hielt, das Intro von „bleeding“ zwar anzufangen, dann aber irgendwo in der Mitte völlig uninspiriert abzubrechen und ein wirres Rückkopplungs- und Schlagzeug-Inferno zur Aufführung zu bringen. Diesmal alles richtig. Wovon man aber nicht viel hat.
Es man ja der Logik dessen entsprechen, der zu Beginn des Abends die Kosten einer solchen Konzertereignisses anzuklagen nicht müde wurde, dass einer möglichst großen Anzahl zahlender Gäste ein dann auch sehr erfolgreicher Abend entspricht. Dies ist aber nur bedingt richtig. Wenn sich auf einem stark verengten Raum eine – bei so gut wie jedem Konzert dieser Art präsente – kritische Masse von Tänzern so aufführt, als hätten sie es bei den Leuten um sich herum mit persönlichen Feinden zu tun und – in einer für seine Verhältnisse wenigen Mitteilungen an das Publikum – selbst der gutmütige Herr Teglas ärgerlich zur  gegenseitigen Rücksichtnahme auffordert – dann kann einem dies die Freude am Ereignis schon stark eintrüben. Hätten hier alle mehr Platz, gäbe es auch viel weniger Probleme. Ob sich das dann rechnet, wenn weniger Leute (am besten, ohne mehr Eintritt zu bezahlen, gerade ein Schnäppchen ist das ja alles nicht) so ein Konzert besuchen, weiß ich nicht. Besser wäre es jedenfalls.
Die Band jedenfalls hält ihr hohes Eingangsniveau die meiste Zeit aufrecht. Nicht immer: Der Anteil dessen, was von den letzten beiden Alben kommt, ist deutlich im Übergewicht, und der ein oder andere Aussetzer von dort schafft es eben auch auf die Setlist. Schon bedenklicher als das ist eher der Hauch von Stagnation, den ich mählich bei dieser Band einziehen sehe und von dem auch an diesem Abend etwas zu fühlen ist. Die ja im Übrigen, wie gesagt, eigentlich alles richtig macht. Die Ansagen sind treffend, ein Kämpe von der Sea-Sehepheard-Conservation-Society darf allein auf die Bühne und was sagen und zum Ende hin spielen sie eine sehr schöne Akkustik-Variante von „Slowdown“. Schön eben, das alles. Nichts, weswegen man seine Freunde aus dem Bett klingelt aber: schön.

Epilog: D., der das Konzert am darauf folgenden Abend besucht, erklärt, eine „Wahnsinnsshow“ gesehen zu haben und gespielt hätten sie „fast nur alte Sachen“.

 

l.b.

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