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In den Staaten kann die Band auf kanpp 200.000 verkaufte Einheiten ihres letzten Albums freuen. In Deutschland ist die Band bestenfalls ein Insidertipp. Ihr neues Album ?Vices? ist eine wirklich tolle Platte geworden und wird nun über Century Media auch in Deutschland veröffentlicht. Ich stellte Drummer Jesse Sprinkle einige Fragen zur Platte.

Wie würdest du euer neues Album in eigenen Worten beschreiben?

Einfach nur Rock´n Roll trifft es ganz gut. Es passt einfach. Ich betrachte dieses Album als einen ziemlich genauen Griff in unsere Seelen und im Grunde in die Seelen aller Menschen. Lebend aber leidend. Wach aber hoffend. Ohne Schmerz fehlt uns der handfeste Beweis dass wir am Leben sind. Jetzt schweife ich ab, aber ich glaube wirklich, dass im Endeffekt jeder von uns Hilfe braucht. Auch wenn mache Menschen von außen betrachtet sehr gefasst damit umgehen.

Das Album klingt sehr viel erwachsener. Siehst du das auch so? Warum?

Ja, das sehe ich auch so. Das war auch genau unsere Absicht. Es war ein sehr natürlicher Schritt. Unsere Songwriter sind menschlich reifer geworden, ihre Songs reifen natürlich mit. Wir glaubten, dass jetzt unsere beste Gelegenheit war ein Album zu machen, dass uns am ehesten gerecht wird. Also taten wir das.

Wie haben sich die Songs entwickelt? War es für euch eine bewusste Entscheidung mehr in Richtung regulärer Rock Musik zu gehen?

Ich würde schon sagen, dass es eine bewusste Entscheidung war. Uns allen war es sehr wichtig vom den aktuellen Emo Trends loszukommen. Versteh mich nicht falsch, ich weiß, dass es in diesem Genre einige großartige Bands gibt. Für mich ist der Großteil dieses Sounds aber einfach nicht zeitlos. Ich mag jetzt vielleicht wie ein alter Mann klingen, aber es fällt mir schwer eine Band von einer anderen zu unterscheiden. Wir hatten diese Vision von einem Album, das wir lieben und auch noch in einigen Jahren von Leuten die gute Rockmusik zu schätzen wissen gehört wird. Ich bin sehr glücklich mit unserer Entscheidung.

Glaubst du mit der Stiländerung habt ihr ältere Fans vergrault?

Ja, diese Möglichkeit gibt es immer und wir haben in der Tat schon von Leuten gehört die uns nicht mehr mögen. Aber ich denke man kann wohl nie jeden zufrieden stellen. Ich will eigentlich nur, dass die Leute wissen, dass wir ein Album gemacht haben, das direkt aus unserem Herz kommt. Wir haben dieses Album auf keinen Fall gemacht um bestimmten Leuten zu gefallen oder auf bestimmten Märkten vertreten zu sein. Um es anders zu sagen, wir wollten diese Musik genauso machen. Wir haben dabei nicht auf Plattenverkäufe oder Coolness Punkte geschielt.

Warum habt ihr euch wieder entschieden mit Aaron Sprinkle zu arbeiten und welchen Einfluss hatte er auf das Album?

Aaron hat fantastische Arbeit für unser Album ?New Medicine? geleistet. Davon abgesehen ist er mein Bruder. Er ist der Hausproduzent von Tooth & Nail, es war also ziemlich unvermeidlich wieder mit ihm zu arbeiten. Natürlich hat er, als der gute Produzent der er ist, auch einen Einfluss auf die Platten die er macht. Er hält nicht mit seinen Ideen hinterm Berg und hat ein goldenes Händchen für Gitarrensounds. Aber ich glaube, dass wir auch ihn in gewisser Weise beeinflusst haben. Das Album klingt sehr viel organischer und bodenständiger als das meiste was heutzutage heraus kommt. Wir fanden, dass der Sound auf eine schöne Art roh sein sollte um zu der Verdorbenheit und der Aufrichtigkeit in den Texten zu passen. Wir sind sehr mit dem Teamwork zufrieden was zwischen der Band, Aaron und unserem Engineer Randy Torres möglich war. Ich bin sehr stolz darauf Teil dieser Platte zu sein.

Was waren eure Einflüsse für dieses Album?

Da gibt es natürlich einige. Aber um nur ein paar zu nennen: Alkaline Trio, Helmet, Stone Temple Pilots, Nine Inch Nails, Queens Of The Stoneage, Pearl Jam, Deftones, A Perfect Circle

Gibt es ein Konzept bei Vices?

Das gibt es in der Tat. Ich würde sagen, dass dieses Album von allem was wir bisher gemacht haben, dem was man allgemein unter einem Konzeptalbum versteht am nächsten kommt. Ich glaube ich kann da gar nicht zu sehr ins Detail gehen, da das Herz der Texte der Seele und dem Geist unseres Sängers Brandon entsprungen ist. Hinter den rauen und harten Tönen auf dem Album steckt ein verwundbarer und zerbrechlicher Geist. Schmerz und Gebrochenheit ziehen sich durch das gesamte Album. Für mich ist das allerdings kein isolierter Schmerz sondern eher einer der Tief in der Menschheit verwurzelt ist. Niemand ist allein mit diesem Schmerz. Egal wie allein wir uns manchmal fühlen. Wir alle sind gebrochen und leidend. Aber wir alle versuchen an etwas größerem Halt zu suchen, daher muss es Hoffnung in all dem Schlamassel geben. Ich kann auch keine Texte erklären, alles was ich weiß, ist dass sie für den Autor von großer Bedeutung sind. Ich habe schnell gemerkt, dass viele Leute einen eigenen Bezug von ihrem Leben zu diesen Songs herstellen können. Aber da ich auch nicht wollen würde, dass jemand anderer meine Texte erklärt überlasse ich es auch hier besser dem Hörer einen Sinn zu finden.

Ihr seid als christliche Band bekannt. Siehst du euch selbst als solche?

Das ist eine sehr beladene Frage und ich könnte um ehrlich zu sein Stundenlang über sie philosophieren. Ich glaube eine Band kann nicht christlicher sein als eine Schaufel oder ein Sofa. Alle Mitglieder in Dead Poetic sind bekennende Christen und wir reden auch darüber wenn die Leute das wollen. Für uns ist es sehr wichtig, dass unsere Musik eine echte Bedeutung beinhaltet. Wir hoffen immer, dass unsere Musik einen positiven Effekt auf die Leute hat. Es ist wirklich schwierig und ermüdend wenn die Leute bestimmte Erwartungen haben wie ein Künstler oder Musiker zu sein hat. Musik ist von Natur ebenso spirituell als auch unterhaltsam. Also sollten wir es einfach dabei belassen. Im Endeffekt sind wir also wohl das was man allgemein als christliche Band definiert. Aber für mich ist das nicht unbedingt eine positive Sache. Manche Leute finden das toll, für andere beinhaltet es aber auch die Vorstellung von dem Fehlen echter Leidenschaft und fehlendem Bezug zur Realität. Aber ja, wir sind alle Christen und wir hoffen, dass unsere Musik eine bleibende Wirkung auf die Menschen hat und wir Gott durch unser tun preisen.

Was sind in deinen Augen die zentralen Christlichen Lehren und wie wendest du sie auf dein eigenes Leben an?

Für mich ist die stärkste Lehre von Jesus sein Bezug zur Realität. Das bedingt all die anderen Qualitäten und Tugenden die er hatte. Ich glaube, dass in der modernen Gesellschaft der Glaube und Religion entweder verlacht und verachtet werden oder völlig verwässert sind. Ich bin in der Kirche aufgewachsen und habe mich mein ganzes Leben damit beschäftigt. Aber ich habe festgestellt, dass das die christliche Kultur sich nicht nach der bedingungslosen Liebe und dem Risiko real und verwundbar zu sein sehnt, sondern nach Sicherheit, der schönen Oberfläche und der Kontrolle über Situationen. Mein Leben ist aber immer dann am spannendsten wenn die Dinge außer Kontrolle geraten. Dann hält dieses übernatürliche von dem wir immer so abstrakt denken auf unglaubliche Art Einzug in mein Leben. Die Kirche wird dich immer enttäuschen. Aber ich glaube dass Christus so viel mehr ist. Er leidet für die verstoßenen und die gehassten. Zeit mit Gefangenen oder Obdachlosen zu verbringen kann deine Sichtweise sehr schnell verändern.

Auf dem Album sind zwei der Songs zusammen mit Chino Moreno enstanden. Wie seid ihr mit Chino zusammengekommen und wie war die Arbeit mit ihm?

Es war großartig mit ihm zu arbeiten. Die Band ist gut mit seinem Manager befreundet und auch Tooth & Nail wollten ihn unbedingt auf dem Album haben. Es machte also einfach Sinn ihn zu fragen. Es war außerdem sehr ermutigend zu hören, dass Chino unser ?New Medicines? Album mochte. Als er dann zu uns ins Studio kam war das wirklich toll. Chino war immer einer der Haupteinflüsse für unseren Sänger Brandon und ist es noch immer. Es war also eine sehr spezielle Kollaboration. Ich war absolut beeindruckt wie freundlich Chino ist. Er ist voll auf dem Boden geblieben. Es war schön zu lernen, dass die talentierten Leute auch die freundlichen sind.

Die Band stand 2004 kurz vor der Auflösung. Wie habt ihr den Split verhindert und wie hat sich die Band nach dieser Erfahrung verändert?

Das war aus meiner Sicht eine sehr simple Angelegenheit. Wir haben den Split dadurch verhindert, dass wir neue Leute in die Band holten. Es ist wohl damit vergleichbar wenn man geistig gestörte Menschen durch eine Veränderung in ihrem Umfeld wieder in die Normalität zurückführt. Ich weiß, dass die Originalmitglieder zu diesem Zeitpunkt abgekämpft und entmutigt waren. Das neue Blut hat ihre Lust aufs musizieren wieder aufkeimen lassen. Außerdem sind die neuen Songs von ?Vices? sehr inspirierend.

Ihr habt euren Backgound in der Hardcore und Screamo Szene. Laut Bandinfo war Hardcore aber nie wirklich euer Ding. Wie hat die Szene auf dieses Statement reagiert?

Das alles ist in meinen Augen ein chaotischer Wirbelsturm. Ich selbst habe auf dem ersten Album nicht mitgespielt und ich weiß, dass niemand von uns jemals ernsthaft ein Hardcore Kid war. Diese ganze Sache mit den geschrieenen Vocals war eine Sache die der Band anfangs einfach passiert ist und sie damit mit zu den Pionieren dieses Stils zählten. Dieser Stil ist in meinen Augen heute aber vollkommen durch. Heute hat jeder seine Screamo Band. Die meisten Fans stehen zu uns und ermutigen uns zu uns selbst zu stehen. Aber es gibt immer diese Leute die denken wir wären soft geworden und hätten uns verkauft. Manche glauben sogar, dass die Musikindustrie unseren Stilwechsel erzwungen hat. Aber sie liegen falsch. Vielleicht hat uns das aber auch noch mehr dazu ermutigt unseren Stil zu ändern. Es ermutigte uns dazu ein Album zu machen, dass uns vollkommen widerspiegelt, anstatt eins das sich gut verkaufen würde.

Wie kommt es, dass ihr trotz des relativ großen Erfolgs in den Staaten nie in Europa wart?

Hmm?wer weiß. Die Band hat ein paar Dates in England gespielt, soweit ich weiß. Es ist nicht so einfach nach Übersee zu kommen. Ich würde es aber auf jeden Fall sehr begrüßen. Es ist auf jeden Fall schon sehr lange her seit ich selbst das letzte Mal in Europa war. Ich bin deutscher Abstammung, also muss ich endlich mal mein Heimatland besuchen. Außerdem habe ich dort gute Freunde.

Hast du noch abschließende Worte?

Danke für dein Interesse an der Band und an unserer Musik. Die Musik und die Menschen bedeuten uns wirklich sehr viel. Sie sind der Grund warum wir das tun was wir tun. Wir sind dankbar für jede Form von Unterstützung. Wir haben sie nicht verdient, aber wir nehmen sie gern an.

Rolf Gehring

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Review: Vices, 2007 (rg)