An Albatross haben mit ihrem neuen Werk “An Albatross Family Album” die Messlatte in Sachen durchgeknalltem Post-Hardcore wieder ein Stückchen nach oben verschoben. Frontmann Eddie B. Gieda III hat mir einige Fragen per Email beantwortet. Wobei die Bezeichnung „Antwort“ auf einige seiner Aussagen vielleicht nicht ganz zutrifft, aber lest selbst.
Wie würdest du euer neues Album “An Albatross Family Album” in eigenen Worten beschreiben?
Eine psychedelische, akustische Barriere und ein höchst wichtiger Punkt in der Karriere der Band. Ich betrachte die Platte als metaphorische Übung darin, die Dinge wie ich sie sehe zusammen zu fassen. Es geht um Dinge wie die aktuellen Veränderungen in globaler Politik, Wirtschaft und Spiritualität. Es war das erste Mal, dass wir aus dem Studio gegangen sind und mit dem künstlerischen Ausdruck den wir geschaffen hatten zufrieden waren. Es ist uns gut gelungen unsere eigene Vitalität und die Art wie wir Songs performen einzufangen.
Hattet ihr eine Vorstellung davon wie die Platte klingen sollte bevor ihr die Songs geschrieben habt?
Nun gut, man hat immer eine Art Vorstellung davon wie bestimmte Aspekte klingen sollen. Das ist interessant, denn bevor man im Studio den Song aufnimmt, existiert er lediglich als abstraktes Konzept in den Köpfen einiger Musiker. Erst wenn man den Song auf Festplatte oder Tonband aufnimmt wird daraus eine konkrete Version, eine fühlbare Repräsentation davon was ein Song ist. Wir sind mit den größten Hoffungen ins Studio gegangen und man findet in der Arbeit immer wieder etwas das man gerne ändern würde. Aber irgendwann kommt einfach der Punkt wo man es so lassen muss wie es ist, seine Arbeit enthüllen muss und weiter machen muss.
Euer Stil klingt ziemlich durchgeknallt aber auch innovativ. Wie hat er sich entwickelt?
Unser Stil ist ein Gespann aus den feuchten und düsteren Tiefen der Kohlemienen und Schieferhügeln des Nordöstlichen Pennsylvania. Er ist aus der beidseitigen Affinität zu Schieferhügeln, der zerbröckelnder Industrie und der lebenslangen Residenz im Rostgürtel entstanden. Wir sind ein Bataillon von musikalischen Guerillas die sorgfältig einen akustischen Angriff vorbereiten.
Woher bezieht ihr eure Einflüsse?
Alles von Earl Scruggs über Vangelis und Ravi Shankar bis Comus und Anthrax.
Wie schriebt ihr eure Songs?
Das hat sich im Lauf der Jahre bzw. den Lineups verändert. Dieses Album wurde so geschrieben, dass jemand (im Normalfall unser Bassist) mit einem Riff oder einer Idee ankam die dann durch Jam Sessions von der gesamten Band weiter entwickelt wurde. Ich denke, die Laufzeiten der Songs auf dem Album verdeutlichen diese Arbeitsweise. Sie sind manchmal sechs mal so lang wie Songs auf unseren alten Alben.
Wie schafft ihr es so technisch anspruchsvoll aber gleichzeitig auch so spontan und so voller Energie zu klingen?
Vielen Dank. Das ist ein außergewöhnliches Kompliment. Es ist ein Balanceakt zwischen auf Vollgas zu fahren und auf die technischen Aspekte zu scheißen und das gleichzeitig absolut mathematisch korrekt darzubieten. Ich denke die Idee ist irgendwo zwischen Emerson Lake & Palmer's ultra rigidem „Brain Salad Surgery“ und dem ersten Album der Ramones.
Ich kann mir vorstellen, dass ein Album wie dieses sehr viel Detailarbeit im Studio erfordert. Zumindest deutlich mehr als für ein „normales“ Rockalbum nötig wäre. Hab´ ich recht? Magst du die Arbeit im Studio?
Unser Bassist Jay blüht im Studio absolut auf. Ich werde damit erst jetzt nach ein paar Jahren so langsam warm. Ich finde das hört man auch bei meinen Aufnahmen, wenn man die Entwicklung chronologisch verfolgt. Der Gesang schien immer der Nachkömmling im Aufnahmeprozess bei An Albatross zu sein. Ich fühlte mich dieses Mal gut, war vorbereitet und hatte genügend Zeit zur Verfügung um meine Gesangsideen auszuführen. Wir haben uns mit den Vocals allein für die ersten beiden Songs mehr Zeit gelassen als ich für den Gesang auf den kompletten Alben "We Are The Lazer Viking" und "Blessphemy“ zusammen gebraucht habe. Wenn man mal die Aufnahmen für ein komplettes Album abgeschlossen hat, hat man die Schnauze voll von den Songs. Es ist als würde man den Wind aus den Segeln nehmen. Ich denke es ist gut, dass es im Normalfall ein paar Monate Pause gibt zwischen dem Beenden der Aufnahmen und bis man auf Tour geht um sie zu präsentieren.
Was ist dein Ziel mit deiner Musik?
Akustische Revolution durch den Wechsel der Gezeiten in den Schlafzimmern und befreiten Orten auf dieser Welt.
Ist es dir dabei wichtig anders zu klingen als andere?
Nein.
Wie würdest du dich ausdrücken wenn du nicht in einer Band wärst?
Ich wäre wahrscheinlich ein Schreiber. An einem typischen Tag verbringe ich bis zu zwei Stunden damit zu schreiben und zu kritzeln. Es wäre wohl ein natürlicher Übergang.
Wovon handeln deine Texte?
Die Texte sind für gewöhnlich in metaphorische Schichten verpackt, die gesellschaftliche und spirituelle Themen behandeln. Sie reflektieren auch die psychedelischen Erfahrungen.
Wie sind die Reaktionen der Presse bisher?
Von dem wenigen was ich bisher gehört habe, waren die Reaktionen wohl ganz gut. Ich versuche so wenig wie möglich in das hinein zu interpretieren was die Leute über uns denken. Es wird mir nicht dabei helfen bessere Songs zu schreiben oder besser zu performen.
Wie sehen eure Tourpläne aus?
Wir haben im November 2008 gerade eine Europatour hinter uns gebracht und wollen im Sommer 2009 wiederkommen. Im Moment haben wir keinen festen Gitarristen für Touren und wir brauchen dringend einen Ersatz. Wir wollen auch zum ersten Mal nach Skandinavien und Russland.
Eure Live Shows haben den Ruf sehr intensiv zu sein. Was kann man erwarten?
Maximales Temperament und Ausdünstungen. Seelen durchdringende Wellen der Energie.
Was ist das verrückteste was du je getan oder erlebt hast in Verbindung mit der Band?
Ich spiele seit zehn Jahren in dieser Band und habe seitdem konstant weniger als 1000 Dollar auf meinem Konto. Ich stehe permanent unter finanziellem Druck und ich habe mich damit angefreundet öfter mal betrunken und in altem Schweiß gebadet auf den Fußböden fremder Leute einzuschlafen. Ich werfe den kleinsten Funken eines normalen Lebens aus dem Fenster und verfolge Kunst und Musik als gäbe es kein Morgen mehr. Der Großteil meiner Familie hält mich für komplett bescheuert.
Hast du noch letzte Worte?
Vielen lieben Dank für das Interview.
Rolf Gehring
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