Earth Crisis waren bis 2001 nicht nur für die Vegan Straight Edge Bewegung eine wichtige Band. 2007 hat sich die Truppe wieder zusammen gefunden und nun veröffentlichen die Vegan Warriors ihr neues Album „To The Death“. Anlässlich dieser Platte sprach ich mit Gitarrist Scott Crouse über das Album und die durchaus kontroversen Ansichten der Band. Scott stellte sich als überaus netter und smarter Gesprächspartner heraus, der zwar viele Vorurteile ausräumen konnte, aber dennoch durchaus streitbare Thesen aufstellt.
Was waren die Gründe für euren Split 2001?
Wir waren einfach ausgebrannt. Wir haben die Band von 1991 – 2001 permanent unter Volldampf betrieben. Viele Dinge in unserem Leben wurden dadurch vernachlässigt. Dinge wie Familie oder andere Karriereziele. 2001 war es einfach Zeit uns auch diesen Dingen zu widmen. Rückblickend, und da bin ich mir mit den anderen einig, war es eigentlich keine echte Auflösung sondern eher eine Pause. Wir wussten damals schon, dass wir früher oder später wieder in Earth Crisis zusammen spielen würden. Wir hatten während der Pause immer ein freundschaftliches Verhältnis und haben auch teilweise in anderen Bands wie Path Of Resistance oder Freya zusammen gespielt. Die Band Earth Crisis befand sich aber auf einem solchen Level, das einfach nicht mehr mit unserem Leben vereinbar war. Mit Freya und Path Of Resistance fühlten wir uns einfach wohler. 2007 waren wir uns dann aber einig, dass wir es noch einmal versuchen sollten und die Band dieses Mal auch mit unseren Lebensumständen in Einklang bringen zu können. Deshalb haben wir die Band wieder zurück geholt.
Und fühlst du dich nun auch gut damit?
Ja, absolut. Ich kann allerdings jetzt schon erkennen, dass die Sache wieder etwas aus dem Ruder läuft. Das Album kommt überall gut an und wir bekommen all diese Tourangebote. Wir versuchen aber das alles auf einem niedrigeren, kontrollierbaren Level zu halten. Wir wollen uns nicht noch einmal übernehmen. Wir wollen all die wichtigen Dinge tun. Wir werden in den Staaten und Europa auf Tour gehen und auch all die anderen wichtigen Orte besuchen. Aber wir wollen es in einem Zeitraum machen der für uns machbar ist.
Ihr lasst euch da also nicht unter Druck setzen?
Wir versuchen unser Bestes, aber es ist natürlich nicht leicht. Das ist alles für uns ja auch aufregend und wir haben ja auch Bock drauf. Wir touren im Mai in den Staaten, im Juni in Australien und dann werden wir vermutlich im September und August auf der Hell On Earth Tour in Europa spielen. Wir sind also recht beschäftigt. Es gibt aber immer wieder ein paar Pausen dazwischen, wir müssten also klarkommen.
Wie hat sich also deine persönliche Situation verändert seit dem Split?
Für mich persönlich ist es wesentlich einfacher die Band zu machen. 2001 war meine Frau noch im Studium. Sie ist Ärztin und das Studium war sehr hart. Ich musste also in dieser Zeit für sie da sein und sie unterstützen. Heute hat sie das Studium abgeschlossen und arbeitet. Das ist für mich natürlich sehr viel einfacher. Darüber hinaus habe ich heute mein eigenes Studio in dem ich arbeiten kann wann immer ich will. Das ist eine sehr gute Ausgangsbasis um Musik zu machen. Bei den anderen ist es ähnlich, wobei einige recht beschäftigt sind. Es kann also sein, dass wir auf Tour hier und da Ersatz anheuern müssen. Aber das ist für alle ein guter Kompromiss, insgesamt stehen wir voll hinter dem Album und tun was wir können um es voran zu bringen. Auch wenn nicht jeder auf jeder Show spielen kann.
Was waren denn die wirklichen Gründe für die Wiedervereinigung?
Wir haben über die Jahre immer wieder darüber geredet. Auch als wir das zweite Path Of Resistance Album gemacht haben. Das hat so viel Spaß gemacht. Wir haben es einfach vermisst zusammen zu spielen. Die Projekte, die wir alle verfolgten, haben Spaß gemacht und existieren teilweise auch noch. Freya sind noch aktiv und Path Of Resistance wird immer mal wieder auftauchen. Wir haben aber einfach Earth Crisis vermisst. Uns wurden permanent Reunion Shows angeboten. Es hat nie Sinn gemacht, wir brauchten einfach etwas Abstand. 2007 bekamen wir dann wieder ein Angebot für eine Show in Baltimore. Da haben wir dann schon angefangen etwas ernster darüber zu reden und uns gefragt warum wir es eigentlich nicht machen sollten. Uns sind eine Menge Gründe eingefallen warum wir es tun sollten, es würde eine Menge Spaß machen und die Leute wollen die Band schließlich sehen. Aber uns sind keine echten Gründe eingefallen warum wir es nicht tun sollten. Da war die Entscheidung getroffen.
Wie sind die Songs entstanden? War es einfach wieder in den Earth Crisis Modus zu schalten?
Das war wirklich sehr einfach. Als wir für die Reunion Show geprobt haben, hat es sich angefühlt als hätten wir erst zwei Tage zuvor das letzte Mal gespielt. Es war sehr natürlich für uns und es kam alles sehr schnell zurück. Wir haben mit Earth Crisis gelebt seit wir 16 Jahre alt waren. Die Songs sind tief in uns verwurzelt. Das ist wie Fahrrad fahren. Ich habe seit der ganzen Zeit des Splits Songs geschrieben, da ich immer wusste, dass wir früher oder später wieder zusammen kommen würden. Da ich ein eigenes Studio habe, war es einfach, die Ideen festzuhalten und in einem Ordner „mögliche Earth Crisis Songs“ abzulegen. Als wir uns dann also daran machten die Songs zu schreiben, hatte ich eine recht große Sammlung an Ideen. So kamen wir sehr schnell auf ca. 20 Songs. Die anderen haben dann jeweils noch ihre eigene Note hinzu gefügt. Wir haben ein paarmal geprobt und mit Karl in New York an den Vocals gearbeitet. Der ganze Prozess war absolut schmerzfrei und ging uns sehr gut von der Hand. Ich finde das Album klingt sehr konzentriert und hat einen sehr rohen und aggressiven Grundton. So hätten Earth Crisis schon immer klingen müssen. Wir haben über die Jahre einfach gelernt, wie ein Earth Crisis Album klingen soll und haben es auf diesem Album ausgelebt.
Eurer Sound hat sich mit jedem Album immer wieder verändert. Ich finde aber, dass „To The Death“ nicht unbedingt der logische nächste Schritt nach „Slither“ ist, sondern eher an dessen Vorgänger „Breed The Killers“ anknüpft. Findest du das auch?
Ja, irgendwie schon. Was wir aber als Muster für die neuen Songs benutzt haben, war der Song „Panic Floods“ von unserem Coveralbum „Last Of The Sane“. Das ist eigentlich der logische Vorgänger von „To the Death“. Der Song zeigte damals schon sehr gut die Entwicklung an, die wir einschlagen würden. Wie du gesagt hast, waren wir nie eine Band die sich gern wiederholt hat. Welchen Sinn macht es ein neues Album heraus zu bringen, wenn darauf nichts Neues zu hören ist? Wir wollten uns auf jedem Album weiter entwickeln und etwas Neues machen. Dabei war es aber auch wichtig unsere Trademarks beizubehalten. Wenn man immer wieder dasselbe Album heraus bringt, wird man irgendwann zu seinem eigenen Ripp-Off. Das ist sehr monoton. Das neue Album ist wirklich anders als „Slither“. „Slither“ war so progressiv wie wir sein konnten. „To The Death“ ist sehr viel bodenständiger und orientiert sich stärker an unseren Wurzeln. Es ist im Grunde eine Kombination all unserer Alben.
Bist du noch mit „Slither“ zufrieden?
Ja, absolut. Ich werde das relativ oft gefragt. Wir waren sehr stolz auf das Album als wir es gemacht haben und sind es bis heute. Es ist wie du gesagt hast, wir haben uns immer dazu getrieben Neues auszuprobieren und das Ganze auf das nächste Level zu heben. Auf dem Album waren einige sehr eingängige und doch harte Songs. Ich kann schon verstehen, dass die Platte bei den Die-Hard Fans nicht so gut angekommen ist. Man kann die Musik immer aus zwei unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Als Fan der Musik oder als der Musiker. Von dem Standpunkt des Musikers gesehen ist das Album ein Erfolg. Als Fan kann ich aber verstehen, dass man mit dem Album seiner Lieblingsband gewisse Erwartungen verknüpft. Wenn diese dann nicht erfüllt werden und die Band etwas völlig anderes liefert ist das wie ein Schock. Einige Leute haben sich aber mit der Platte angefreundet. Andere sicherlich immer noch nicht. Ich bin aber noch immer sehr stolz auf die Platte. Man muss manchmal einfach Grenzen überschreiten und Songs außerhalb der Komfortzone schreiben um als Musiker weiter zu kommen. Das haben wir im Grunde auf allen Alben gemacht.
Ihr habt einen neuen Plattenvertrag bei Century Media unterschrieben. War es für euch eine Option, zurück zu Victory zu gehen?
Ja, das war es natürlich. Nachdem wir die Tour gespielt hatten und es darum ging neue Songs zu schreiben, machten Victory es klar, dass sie gerne wieder mit uns arbeiten wollten. Als es dann aber wirklich dazu kam, schien das für uns nicht mehr sehr sinnvoll zu sein. Wie passt eine Band wie Earth Crisis 2009 noch zu einem Label wie Victory? Auf dem Label sind kaum noch Bands die zu uns passen würden. All die Bands, die dort waren bevor wir uns aufgelöst haben, gibt es heute nicht mehr oder sie sind nicht mehr auf dem Label. Es hat einfach nicht mehr so gut zusammen gepasst. Viele Fans von Victory Records sind sehr jung. Ich will jetzt nicht schlecht über das Label reden, aber mir scheint, dass sie hauptsächlich 16 jährige Mädchen ansprechen wollen. Das sind nicht unbedingt die Leute die auf Earth Crisis stehen. Nichts gegen die 16 jährigen Mädchen, die sollen uns natürlich auch gut finden… haha. Aber die Mehrheit der Earth Crisis Fans sind wohl andere. Es passte einfach nicht mehr. Mit Century Media hatten wir auch früher schon immer wieder gesprochen. Wann immer wir ein Label wechselten machten sie es sehr deutlich, dass sie mit uns arbeiten wollen. Wir passen heute sehr viel besser zu Century Media. Es gibt eine Menge Bands auf dem Label zu denen wir passen. Century Media sind ein Label, das über die Jahre eine sehr konstante Ausrichtung verfolgt. Sie sind nie auf zu viele Trends aufgesprungen. Das war uns wichtig und dort fühlen wir uns wohl. Ich weiß, dass sie auch in fünf Jahren noch aggressive Musik veröffentlichen werden. Es wird uns nicht so gehen wie bei Roadrunner, als denen in der Hälfte unseres Vertrags plötzlich eingefallen ist, Pop zu veröffentlichen und Bands wie Nickelback heraus zu bringen. Wie passen wir da noch rein? Wir werden nie Top-10 Radio Singles produzieren. Es hat auf vielfache Weise einfach Sinn gemacht zu ihnen zu gehen.
Du hast gerade euer Publikum erwähnt. Hast du seit der Reunion Veränderungen im Vergleich zu früher festgestellt?
Es war auf der letzten Tour ein interessanter Mix. Wir hatten viele jüngere Kids, die uns mögen wollten. Sie kannten Songs wie „Firestorm“ oder „All Out War“ und andere unserer wichtigen Songs. Aber wenn wir dann Songs wie „Broken Foundation“ oder andere, die etwas schräger sind, spielten, hatten sie keine Ahnung mehr. Es war sehr offensichtlich, dass der Musikkonsum heutzutage sehr viel selektiver ist. Man besorgt sich einfach bei I-Tunes nur noch bestimmte Songs. Man muss sich nicht mehr das ganze Album kaufen. Man kann sich genau die aussuchen, von denen dir jeder gesagt hat, dass sie gut seien. Das ist ok, war aber sehr seltsam für uns. Wir haben aber auch eine Menge alter Gesichter wieder gesehen, die froh waren uns wieder zu sehen. Das Verhältnis war ungefähr 50/50.
Lass uns etwas über die Texte der neuen Platte sprechen.
Klar, sehr gern.
Welche Themen habt ihr euch vorgenommen? Wieder typische Earth Crisis Texte?
Haha. Eigentlich sollte ich “Nein“ sagen, aber ja, du hast recht. Es sind wieder typische Earth Crisis Texte. Es sind alle Themen enthalten die man von uns erwarten würde. Aber trotzdem versuchen wir sie immer wieder in einem neuen Licht erscheinen zu lassen. Es gibt natürlich Songs über Tierrechte und Drogenmissbrauch. Das sind Themen die uns immer sehr wichtig waren. Aber wir sprechen darüber auf eine etwas andere Art. Wir hatten beispielsweise noch nie einen Song über die Auswirkungen von betrunkenem Autofahren, um das es in „What Horrorfies“ geht. Wir haben einen Song „To Ashes“, der wirklich etwas Besonderes ist. Er erzählt die Geschichte von jemand anderem. Er handelt von diesem Typ den wir auf Tour kennengelernt hatten und der einen Bruder hatte der von Methylamphetamin abhängig war. Jeder der diese Droge kennt weiß, dass sie sehr gefährlich ist und dein Leben komplett zerstört. Er nahm Kontakt zu dem Dealer von seinem Bruder auf und bat ihn nichts mehr an seinen Bruder zu verkaufen. Der weigerte sich aber und argumentierte, dass er sich den Stoff dann wo anders besorgen würde. Also hat der Typ die Sache in seine eigenen Hände genommen und das Labor in dem die Drogen gemischt wurden abgebrannt. Er saß dafür im Gefängnis. Er hat uns diese Geschichte erzählt und wir wollten sie unbedingt weiter erzählen weil wir sie so cool fanden. Er hat das Gesetz in seine eigenen Hände genommen nachdem er versucht hatte die Polizei aufmerksam zu machen und nichts passiert ist. Er sah seinem Bruder dabei zu wie er an seinem Drogenkonsum zu Grunde ging. Wir alle waren sehr inspiriert von dieser Geschichte und fanden es so cool. Als wir dann Texte für das Album geschrieben haben wollten wir seine Geschichte erzählen, so dass alle von seiner Heldentat erfahren können.
Interessant. Du hältst seine Aktion also für gerechtfertigt.
Ja, absolut. Ich werde jetzt sicherlich nicht sagen, dass es ok ist los zu gehen und etwas anzuzünden was einem nicht passt. Aber ich glaube, dass wenn man mit Gewalt unterdrückt wird, es in Ordnung ist, mit mindestens genauso viel Gewalt zurück zu schlagen. Das war schon immer ein wichtiger Teil der Philosophie von Earth Crisis. Die zerstörerischen Auswirkungen welche die Tätigkeit dieses Drogendealers auf das Leben dieses Individuums gehabt hat, waren so gravierend negativ, dass er es einfach für immer beenden musste. Und man muss auch beachten, dass der Kerl im Knast war. Wir sagen nicht, dass solche Aktionen keine Konsequenzen haben. Uns geht es dabei hauptsächlich um die Idee, dass er etwas so selbstloses und Gutes getan hat für seinen Bruder. Er hat seine Freiheit für die seines Bruders getauscht. Das ist das Wichtige an der Sache. Es geht nicht darum, Dinge in Brand zu stecken. Aber persönlich fand ich das schon eine ziemlich coole Aktion.
Das ist wirklich sehr dünnes Eis. Was wäre, wenn er den Dealer umgebracht hätte? Wäre das dann immer noch cool gewesen?
Nein, natürlich nicht. Das ist wirklich sehr dünnes Eis wenn man anfängt das Rache-Spiel zu spielen. Das ist es, was es im Endeffekt war. Ich sage auch nicht, dass so etwas immer die richtige Art ist, ein Problem zu lösen. In dieser Situation war es aber eine echte Heldentat. Dieses Labor hat schließlich nicht nur Auswirkungen auf sein Leben, sondern auch auf das einer Reihe anderer. Das zu stoppen war schon cool. Ich weiß auch nicht was weiter passiert ist. Der Dealer hat vielleicht eine Straße weiter das nächste Labor aufgemacht. Die Moral der Geschichte ist aber, dass man nicht nur zuschauen kann und mit den Karten spielen muss, die einem das Leben austeilt. Man kann die Karten neu mischen, man kann gegen Ungerechtigkeiten in der Welt kämpfen.
War es für euch wichtig der Straight Edge Szene neue Impulse zu geben?
Ja, auf jeden Fall. Es gibt zwar noch viele Bands die die Straight Edge Flagge hoch halten, aber insgesamt ist die Sache doch etwas ausgestorben. Ich finde schon, dass es wieder zurück kommen muss. Im Hardcore gibt es immer wieder Trends. Einmal war es diese Hare Krishna Bewegung, dann war es Vegan Straight Edge, heute ist es eher diese Crew Geschichte. Das ist alles ok und sie haben sicher ihre Berechtigung im Hardcore. Wir brauchen alles und nicht immer nur ein Ding, je nachdem was gerade im Trend ist. Als ich jünger war gab es auf Shows Informationsstände der Krishnas, der Tierrechtler und von den New York Hardcore Jungs. All das muss im Hardcore repräsentiert werden. So haben die Kids, wenn sie zum ersten Mal mit der Szene in Kontakt kommen, die Möglichkeit, sich die Dinge auszusuchen mit denen sie sich wohl fühlen. Wenn man immer nur einen Haupttrend hat, verwässert das die Vielfältigkeit. Im Moment ist es wohl so, dass Straight Edge etwas unterrepräsentiert ist. Wir hoffen es wieder ein Stückchen zurück zu bringen.
Wie hat sich deiner Meinung nach die Szene verändert während eurer Pause?
In der Szene geht es heute viel mehr um die Musik als um die Substanz die dahinter stecken sollte. Ich bin jemand der beides braucht. Musikalisch gesehen war ich schon immer eher der Metal Typ. Ich liebe die Ethik und den Vibe der Hardcore Szene. Aber rein musikalisch gibt mir Metal einfach mehr. Im Moment ändert sich etwas. Es ist seltsam, aber ich sehe immer mehr Metal Bands die sich zu politischen Themen äußern als Hardcore Bands. Ich finde das cool, denn für mich ist das eine Win-Win Situation. Ich bekomme coole Musik und eine coole Message gleichzeitig. Ich finde aber, dass darin eine gewisse Ironie liegt. Schließlich war es immer so, dass es bei Hardcore wirklich um etwas ging, während es beim Metal lediglich darum ging, wer das coolere Solo spielen kann. Heute gilt das für Hardcore. Es geht nur noch um Breakdowns und um coole Moves im Pit.
Und Haare.
Haha… ja und enge Jeans. Es ist wie eine 180 Grad Drehung. Für Hardcore gilt heute das was man sonst über die Metal Szene gesagt hat und umgekehrt. Im Metal geht es heute stärker um Texte, während es im Hardcore immer mehr um Mode geht. Hardcore muss wieder dazu zurück finden wofür er einmal gestanden hat.
Einige eurer Messages und Ansichten gelten als recht extrem. Hat sich das über die Jahre verändert? Seid ihr heute gemäßigter?
Ich glaube nicht. Es ist schwer zu sagen. Ich denke wir wurden oft einfach falsch interpretiert. Wir waren nie so wie viele gedacht haben, dass wir sind. Earth Crisis ist ein Vehikel für uns um die Dinge die uns frustrieren auszudrücken. Themen wie Tierrechte und Drogenmissbrauch sind und bleiben wichtig und wir singen über sie von einem sehr wütendem Standpunkt aus. Das spiegelt nicht unbedingt wieder wie wir als Individuen im täglichen Leben sind. Earth Crisis ist unsere Stimme, unsere Möglichkeit mit unseren negativen Gefühlen auf eine positive Weise umzugehen. Das Bild das man von uns hatte war, dass wir die ganze Zeit diese negativen, wütenden Typen sind. Das stimmt natürlich nicht. Aber klar, wir unterstützen radikale Gruppen wie die Animal Liberation Front und das ganze Earth First Movement. Das kann natürlich als radikal angesehen werden. Ich persönlich finde, diese Gruppen sind nicht zu radikal, weil sie einfach für die Tiere und die Erde kämpfen. Das ist ähnlich wie mit dem Drogenlabor. Manchmal muss man einfach zurückschlagen. Das heißt nicht, dass man andere Menschen verletzen soll. Aber ich habe nichts gegen einen Stein im Fenster wenn er für Aufmerksamkeit sorgt. Wir haben uns in dieser Hinsicht nicht verändert. Wir sind noch immer dieselben und glauben noch immer an dieselben Werte und an dieselben Methoden. Die Texte des neuen Albums werden für viele genauso kontrovers sein wie unser altes Material. Wir sind immer wieder missinterpretiert worden. Die Leute dachten immer, dass unsere Geschichten die wir über die Animal Liberation Front erzählt haben, Dinge waren, die wir selbst getan haben. Das haben wir natürlich nicht getan, das wäre unglaublich dumm gewesen. Wir glorifizieren aber die Dinge die andere getan haben und vor denen wir unseren Hut ziehen.
In eurer Biographie ist mir ein Wort recht negativ aufgefallen und ich frage mich was es in der Bandinfo zu suchen hat. Es ist „militant“. Warum benutzt ihr ein solch negatives Wort?
Das ist wiederum eine Frage des Standpunkts. Es kann sicherlich negativ belegt sein und ich muss dir ganz ehrlich sagen, dass ich selbst mir etwas den Kopf zerbrochen habe über dieses Wort. Die Tatsache ist aber, dass wir von vielen Leuten aufgrund unserer Ansichten als militant gesehen werden. Wenn militant bedeutet, dass man Gruppen wie Earth First, die Animal Liberation Front oder Sea Sheppard unterstützt, dann sind wir tatsächlich militant, da diese Gruppen als militant gelten. Wenn es aber bedeutet, auf einer Show ein Problem mit dem Typ neben dir zu haben weil er ein Bier trinkt, dann sind wir nicht militant. Solche Dinge tolerieren wir nicht. Das hat man uns zwar immer vorgeworfen, aber es war nie der Fall. Man fängt keinen Streit an nur weil einer eine Zigarette raucht oder Fleisch isst. Daran haben wir gedacht als wir die Bio geschrieben haben, und waren etwas unsicher ob wir es benutzen sollten. Aber für uns war es einfach die Unterstützung für die oben genannten Gruppen. Aber du hast recht, das könnten die Leute falsch verstehen. Vielleicht sollten wir das nochmal überdenken.
Bist du selbst an Aktionen dieser Gruppen beteiligt?
Haha… wenn ich das wäre, würde ich es hier wohl kaum diskutieren. Weil wir diese Gruppen unterstützen wurden einige von uns schon vom FBI überwacht. Wir haben wohl einen recht dicken Ordner bei denen. Enge Freunde von uns standen schon vor Gericht deswegen. Aber natürlich sind ich, meine Frau und jeder in der Band auf die eine oder andere Weise für Tierrechte aktiv. Die anderen haben Kinder die vegan erzogen werden und so.
Ihr wurdet vom FBI überwacht?
Ja, das war eine recht beängstigende Zeit. Es gab damals einige Aktionen in Syracuse, wo wir leben. Daher war es nachvollziehbar, dass sie bei uns auf der Matte standen. Aber wir haben immer gesagt, dass unser Hauptaugenmerk im Kampf für Tierrechte Earth Crisis ist. Das ist auf eine Art unsere eigene Tierrechtsorganisation. Das ist unsere Art, die Leute über diese Themen zu informieren.
Was sind denn die kleinen Aktionen, die du im täglichen Leben unternimmst, um den Planeten zu retten?
Ich versuche einfach so umweltfreundlich und tierfreundlich zu leben wie möglich. Wir alle leben selbstverständlich Vegan. Das ist auf viele Arten ein echtes Opfer. Die meisten Dinge, die sich in unserem Sozialleben abspielen, haben etwas mit Essen zu tun. Wenn man 90 Prozent von den Produkten die man normalerweise isst nicht mehr isst, fallen auch viele soziale Tätigkeiten flach. Grillpartys sind da nur das einfachste Beispiel. Vegan zu leben allein ist oft schon eine Aktion um Aufmerksamkeit für Tierrechte zu erregen. Wenn man mit jemandem Essen geht, kommt man sehr schnell auf das Thema zu sprechen und man öffnet der anderen Person oft eine völlig neue Welt und sie beginnt über Dinge nachzudenken die vorher selbstverständlich waren. Man isst einfach Fleisch und fragt nicht wo es her kommt. Veganer oder Vegatarier zu sein ist eins der effektivsten Dinge die man tun kann um sich für Tierrechte zu engagieren. An zweiter Stellen kommen dann Dinge wie Demonstrationen. Ein großer Teil meines Engagements hat mit Musik zu tun. Ich übernehme beispielsweise den Mix oder das Mastering für Benefiz Sampler oder sowas. Ich versuche auf diese Art etwas beizutragen.
Werdet ihr mit Earth Crisis weiter machen oder war die Reunion nur eine einmalige Sache?
Wir haben auf jeden Fall vor, in der Zukunft weitere Platten zu machen. Wir wollen es noch lange Zeit machen. Aber wie ich schon gesagt habe müssen wir sicherstellen, dass wir es auf einem Level machen auf dem wir uns wohl fühlen. Natürlich werden wir raus gehen und touren, das wollen wir auch. Aber wir werden es nicht übertreiben. Es wird sicherlich noch weitere Alben geben.
Hast du noch letzte Worte?
Danke für das Interview. Es war sehr interessant. Wir werden hoffentlich im August/September auf der Hell On Earth Tour in Europa sein.
Rolf Gehring
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