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Night in Gales wurden einst als die deutsche Antwort auf In Flames gehandelt. Doch seit der Veröffentlichung ihres letzten Albums vergingen gut zehn Jahre. Jetzt meldet sich die Band mit einem grandiosen neuen Werk zurück. Gitarrist Jens Basten beantwortete uns ein paar Fragen zu „Five Scars“.

Es ist gut 10 Jahre her, seit ihr ein Album aufgenommen habt. Was habt ihr in der Zwischenzeit getan?

Wir haben in einigen anderen Bands und musikalischen Projekten gewütet. Die davon geläufigsten Namen dürften Deadsoil, In Blackest Velvet, Bloodred Bacteria, The Very End, oder Grind Inc. sein. Mit Night in Gales haben wir ab und zu mal eine Show gespielt, 2005 die Ten Years of Tragedy MCD (Free Download) aufgenommen und 2008 ein weiteres Promo.

War die Band offiziell aufgelöst oder hattet ihr immer vor, wieder etwas zu machen?

Die Band war nie aufgelöst. Es war uns immer klar, dass da noch was Dickes kommen würde. Wir konnten und wollten das letzte Full-Length Lebenszeichen „Necrodynamic“ einfach nicht so stehen lassen. Wir mussten bloß auf den richtigen Zeitpunkt warten.

Wie kam es dazu, dass ihr euch wieder zusammengefunden habt?

Wir hatten uns ja nie aus den Augen verloren, wir waren nur eben nicht mehr zwanghaft im Proberaum verabredet. Es wurde halt nur irgendwann Zeit, das Album anzugehen und es ergaben sich dann auch irgendwann die dazu notwendigen zeitlichen Freiräume.  

Wie ist das Album entstanden? Gab es schon ältere Ideen oder ist alles neu entstanden?

Die Songs für „Five Scars“ entstanden jeweils in wenigen Stunden. Die Riffs saßen meist direkt beim ersten Anlauf, die Melodien passten direkt wie Arsch auf Eimer. Wenn das so problemlos klappt, weiß ich sofort, dass es ein guter Song wird. Bei „Five Scars“ gab es nur solche Momente. Es war im Prinzip nur ein einziger kreativer Sommer, in dem ich mir extra einige Sonntage in Folge freigehalten hatte, um an jedem dieser Tage einen neuen Song zu komponieren. Und da ich eine gute Phase hatte, ging der Plan dann auch auf. Es ist mir im Umkehrschluss nicht möglich, überhaupt Songs zu schreiben, wenn es mir mal nicht so gut geht, da kommt dann einfach kein brauchbares Songmaterial bei rum. Ich verliere dann direkt jegliche Lust weiterzumachen. Es hat mit „Bloodsong“ allerdings auch ein alter Song vom Promo 2008 auf das Album geschafft, er passte noch gut ins Gesamtbild des Albums.

Das neue Album klingt sehr frisch und hungrig. Würdest du sagen, das ist ein direktes Ergebnis der langen Auszeit?

Ja, das ist einerseits sicher richtig. Es ist generell sehr gut, das Instrument zur Komposition über längere Zeit ruhen zu lassen, vor allem dann, wenn man keinen Druck verspürt. Man sollte seine Kreativität nicht zu sehr herausfordern. Sie ist nunmal nicht permanent abrufbar. Hör Dir Bands an, die jedes Jahr eine Platte raushauen müssen: Das ist dann auch mal ne waschechte Fließbandarbeit, und das hört man dann auch.

War es schwierig, bei den einzelnen Mitgliedern wieder die Begeisterung für die Band zu entfachen?

Nein, das haben die Songs ganz alleine erledigt: Als wir gemeinsam die ersten Vorproduktionen der Tracks abhörten, hatten alle ein breites Grinsen im Gesicht. Da war der Metal-Geist aus der Flasche und es war allen klar, dass dies das Comeback-Album sein sollte. Begeistern musste man wirklich keinen, haha. Im Gegenteil. Für einige von uns war die Zeit ohne Night in Gales – Action quasi wie ein langer, kalter Entzug! Da freut man sich doch, wenn es wieder losgeht und man wieder „darf“…

Was sind die Unterschiede der neuen Songs verglichen mit eurem älteren Material?  

Die Songs sind besser durchdacht, sind im für den Song optimalen Click aufgenommen und knallen besser. Vor allem aber spiegeln sie 100% Night in Gales-Style wieder. Wir klingen auf dem neuen Album genau genommen zum ersten Mal so, wie wir immer schon klingen wollten. Die Stimmung ist nun durchgehend melancholisch, die Melodien düster, die Lyrics  durchgehend voller Tragik. Manchmal braucht es halt ein paar Jahre der Entwicklung, sein Ziel zu erreichen. Früher haben wir ab und zu auch mal positiv klingende Stimmungen durch eher Helloween-artige Riffs transportiert. Solche „Ausrutscher“ wirst Du auf „Five Scars“ vergeblich suchen, haha, und das ist genau richtig so.

Wovon handeln die Texte?

Die Texte sind einerseits wie ein einziger qualvoller Zusammenbruch, gleichzeitig sind Sie Geständnis und ein erlösender Befreiungsschlag. Wie bereits angerissen, behandelt Björn hier auf den ersten Blick vorrangig tragische Themen wie Tod und Ende aus verschiedensten Blickwinkeln und oft abstrahiert durch den massiven Gebrauch seiner ureigenen Metaphorik. In den letzten zehn Jahren hatten wir alle sehr viel Zeit, über das mit Night in Gales Erlebte nachzudenken und das alles auf uns wirken zu lassen. Es waren für uns alle bewegende und vor allem prägende Erlebnisse dabei, positive wie negative. Jeder von uns erlebte und deutet diese Geschichten anders.  Sowas ist kein Pappenstiel und hinterlässt demensprechende Spuren, oder anders ausgedrückt: Narben! Nun kann man sagen: 5 Platten, 5 Galer, 5 Narben. Jede Narbe hat Ihre Geschichte und wird nicht ohne Stolz getragen.

Haben sich eure Einflüsse verändert?  Gibt es neuere Bands, die euch beeinflussen?

Nicht wissentlich. Andererseits kann man sich den unterbewussten Einflüssen natürlich nie ganz verschließen. Das wäre auch nicht unser Ziel. Wir waren ja nicht zehn Jahre lang eingefroren, nur weil wir „auf Eis lagen“! Jeder, der uns noch aus Towards the Twilight und Thunderbeast – Zeiten kennt und jetzt unser neues Album hört, erinnert sich sofort an die alten Zeiten. Man erkennt es an der Art der Komposition, der typischen Melodieführung der Gitarren, Björns krassen Schreien – unserem Stil eben. Vor zehn Jahren klang das für viele noch sehr nach In Flames oder Dark Tranquillity. Heute, geschätzten 752  1:1 Kopien dieser Bands (plus den krampfhaften Versuchen von 6789 Metalcore Bands, At The Gates-Riffs nachzuspielen…) später, fällt den Rezensenten auf einmal auf: Hey, das klingt 100% nach Night in Gales…

Wie hat sich das Musikgeschäft während der Pause verändert? Gab es Überraschungen?

Wir waren ja durchaus mit anderen Bands immer in der Szene unterwegs und somit im Game.  Überraschungen gab es also keine. Wir wussten leider schon die ganze Zeit, was uns erwartet, haha. Vielleicht hatten wir es ja gerade deshalb nicht so eilig, haha. Ich gestehe, dass mir der Post-Underground fehlt, ich merke das, wenn ich heute mal ab und zu ein T-Shirt mit CD in einen Briefumschlag packe und dann reflexartig den Umschlag bis zur Unkenntlichkeit mit Stickern und Flyern vollschiebe. Ich finde mich nur sehr schwer mit der Vorstellung ab, dass sich der heutige Metal-Underground via facebook und co. unterhält und es das dann gewesen sein soll! 

Wie war das Feedback zu eurer Auferstehung bisher? Gibt es noch Fans von früher?

Die Resonanz ist nur fett! Tausend Dank! Wir hatten zwar gehofft, dass eine Menge Leute auf uns warten würden, aber mit derartig fetten Feedbacks und vor allem mit so geilen Reviews konnte keiner rechnen. Die Industrie rechnet dir ja vorher anhand einer ollen Faustregel vor, wie groß der Restbestand deiner Fanbase nach zehn Jahren ist und addiert den potentiellen Zuwachs neuer Teens hinzu, natürlich stets unter Einbeziehung der derzeit gängigen Trends usw. – mit einem Wort: unerträgliches Geschwafel! So mancher Szenekenner proklamierte gar „Melodic Death Metal ist tot“. Mag sein, aber doch nur, solange ein weiteres belangloses Output nach dem Anderen auf den Markt geschmissen wird, Platten, die den Stempel im Prinzip gar nicht verdienen. Da muss man was tun ;).  

Wie hat sich die Band im Vergleich zu früher verändert?

Musikalisch betrachtet sind wir heute einen Riesenschritt weiter: Die Songs klingen erst jetzt  so, wie sie eigentlich schon immer klingen sollten. Gemeint ist das Songwriting, aber auch unsere technischen Fähigkeiten als Musiker. Im Line-Up gab es nur wenig Karussell-Aktionen: Adriano Ricci trommelt seit 2005, nachdem uns  Christian Bass 2003 verlassen hatte.

Was sind eure langfristigen Ziele mit der Band?

Das neue Album „Five Scars“ ist unser bisher stärkstes, daher liegt uns sehr viel daran, dass es den Weg zu all denen schafft, die darauf gewartet haben und gleichzeitig neue Leute erreicht. Das Album verdient unsere volle Aufmerksamkeit, also werden wir alles geben, um das Album zu promoten. Neben Konzerten steht z.B. bald die Produktion eines Videoclips an. Ebenso erfolgt in Kürze die Anbindung an einen schicken Online Merch-Store. Wenn’s gut läuft und die Zeit reif ist, werden wir auch sicher ein weiteres Album nachlegen.

Seht ihr die Band als Hobby oder Karriere an?

Die Band ist generell nicht mit einem Hobby gleichzusetzen, jedenfalls nicht aus unserer Sicht. Es fühlt sich anders an, viel wichtiger! Vergleiche es mit den Büchern eines Autors, es sind seine Lebenswerke, jedenfalls künstlerisch betrachtet sind sie das. Aber wenn du den finanziellen Aspekt meinst: natürlich ist es heute utopisch zu glauben, man könnte mit Metal mal eben so genug verdienen, um 5 Mid-Dreißiger bei Laune zu halten.

Werdet ihr auf Tour gehen?

Ja.

Letzte Worte?

Vielen Dank an dich und an alle, die wir in der aktuellen Thankslist doch wieder vergessen haben!

Rolf Gehring

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Review: Five Scars, 2011 (rg)