Nine Inch Nails / The Po Po /
Irgendwie schlecht getimt der Besuch von Trent Reznor und Co. - das neue Album erscheint ja erst Mitte April – aber man soll ja nicht meckern als Fan, früher verstrichen eher Jahre als Monate bis zum nächsten Tourbesuch.
Das mit den Nine Inch Nails Fansein scheint in Schwaben nicht gar so verbreitet zu sein, denn vor der Halle werden Tickets zum Preis von fünf Euro geradezu verschleudert – da hat sich wohl jemand ordentlich verspekuliert, regulär haben die Tickets wohl so um die 40 Euro gekostet, krass das. In der schicken Halle selbst siehts dann später auch nicht so voll aus wie vor ein paar Monaten noch bei Tool und Mastodon.
The Po Po hatten heute das Vergnügen den Reigen zu eröffnen und teilten sich die Deutschlanddates mit Ladytron. Die Musiker traten recht skurril gekleidet im Scheichstyle auf. Sonnenbrillen schützen sie wohl selbst vor ihren gar glänzenden arabisch-trashigen Outfits, weite, sackartige Gewänder – ob denn zur Krönung auch Schnabelschuhe getragen wurden, liess sich aus der Entfernung nicht aussmachen. Das Publikum hielt sich zurück, die Band servierte zum verstörenden Äußeren durchaus groovige Mucke, war aber insgesamt schwer ernstzunehmen... und zu ertragen! Mir fiel auf, dass ich ja gar kein Getränk in der Hand hielt und machte mich auf diesen Missstand schleunigst zu beheben.
Gegen 21 Uhr ging dann zwar das Hallenlicht nicht aus, aber trotzdem der Headliner ans Werk – auch mal was neues. Beim erneuten Betreten der Halle fiel gleich mal auf, dass da an sich nicht viel auf der Bühne stand. Während die Band mit „Somewhat Damaged“ und einem vom ersten Ton an perfekten Sound ins Set startet registriere ich links und recht je einen niedrigen Riser für Schlagzeuger Josh Freese und Keyboarder Alessandro Cortini. Dazwischen blieb eine Art Gasse frei, in der sich der Meister immer mal wieder vor und zurück bewegte. Jeordie White auf der einen Seite hatte gar keine Instrumentenboxen und sein Kollege Aaron North auf der anderen Bühnenseite hatte nur eine einzige Gitarrenbox – kein Wunder dass die ganze Produktion wohl in drei LKWs gepasst hat. Unter der Bühnendecke hingen sechs große Lampen und im Bühnenhintergrund gabs fünf schmale Säulen mit programmierbarem Lauflicht, daneben noch diverse fernsteuerbare Strahler, die durch die niedrige Höhe der Bühnenaufbauten immer wieder mit einfachsten Mitteln recht imposante Effekte erzielen konnten.. Das wars aber auch schon, kein Backdrop, keinerlei Aufbauten etc., lediglich Nebel wurde von der Seite fast kontinuierlich reingepustet – Let The Music Do The Talking!? Talking war aber auch nix, denn außer einem knappem „Thank You“ kam keinerlei Ansage über Trents Lippen. An sich auch egal, solange die Songs und die Darbietung überzeugen. Weiter gings mit dem Reißer „You Know What You Are” auf den dann die erste Überraschung folgte. Es war ja klar, dass einige Songs im Set vom Meisterwerk „The Downward Spiral“ kommen würden, aber mit „Heresy“ (und später dann auch noch „Ruiner“!) hatten da wohl die wenigsten gerechnet. Beim vierten Song „March Of The Pigs“ kamen dann die Lauflichtsäulen erstmals zum Einsatz. Die Pigs gabs mal wieder im Doppelpack, es folgte also direkt „Piggy“. Sänger Reznor in schwarzen Stretchjeans, Boots und mit olivem Hemd/Jacke war top bei Stimme, reichte gegen Ende von besagtem „Piggy“ sein Mikro zum Weitersingen ins Publikum und leuchtete dann mit nem Suchscheinwerfer hinterher. An sechster Stelle folgte dann auch schon der erste der beiden neuen Songs im Set, „The Beginning Of The End“, später wurde noch die erste Singleauskopplung „Survivalism“ präsentiert, die schon mehr zu gefallen wusste. Die Songs hatten mich schon beim Hören auf der MySpace-Seite wenig überzeugt und live hat das Material nicht so recht gezündet – mal sehen, ob das mit dem Album dann ähnlich läuft. Bei „Closer“, einem weiteren gesetzten Track jeder Nine Inch Nails-Show, war dann alles in rotes Licht getaucht und der Keyboarder spielte im Mittelteil kurz das Thema von „Down In It“ an, so dass ich erst dachte, dass das jetzt eine Art Medley werden würde, war aber nix, hat wahrscheinlich auch kaum jemand bemerkt... Direkt danach gabs dann „Burn“ vom Natural Born Killers-Soundtrack in einer Art Remix-Version mit übergeil verzerrtem Bass. Gitarre spielen durfte scheinbar jeder Mal, der Gitarrist natürlich ohnehin, aber auch Basser White, der Keyboarder und natürlich Trent hatten hier und da mal eine Sechssaitige um. Nach „Gave Up“ gabs dann eine Art Break, Trent ging von der Bühne, es ging mit dem Instrumental . „Help Me I’m In Hell” weiter, bei dem die Bühne fast gänzlich in Dunkelheit getaucht war und nur hier und da mal ein roter Stroboeffekt eingesetzt wurde. Danach gabs das anfangs ja ebenfalls instrumentale „Eraser“ bei dem dann irgendwann auch Trent wieder auf der Bühne erschien. Gerade als das ganze etwas ins Lustlos-Routinierte abzudriften drohte, riss die Band das Ruder dann doch noch mal herum und startete mit „Only“ in den Schluss-Sixpack, in dem natürlich auch „Hurt“ nicht fehlen durfte. Beim finalen „Head Like A Hole“ wurde noch mal alles mobilisiert, die Band spielte sich fast in einen Rausch und am Ende flogen Instrumente über die Bühne, ein Keyboard landete im Fotograben und Aaron richtete seine Gitarre auf einer Box der PA regelrecht hin, quälte sie indem er versuchte sie mit den Stellmechaniken in den Grund zu rammen bis die arme sich schließlich ergab und ihr Hals brach...
Bei einem derartigen Oeuvre wirds natürlich immer schwierig jeden Fan in der Halle zufrieden zu stellen und so hatte wohl jeder der Anwesenden gerne noch den ein oder anderen Song gehört, mir fehlte auf jeden Fall „Something I Can Never Have“, „Reptile“, „Terrible Lie“ - und natürlich „Perfect Drug“ (kleiner Scherz) nach strammen 85 Minuten war um 22.25 Uhr aber definitiv Schluss. Das Saallicht ging an und vorbei wars. Und gut wars. Mal wieder, zwar etwas leblos im mittleren Drittel, aber unterm Strich immer noch weit über dem üblichen Durchschnitt.
Setlist NIN:
01. Somewhat Damaged
02. You Know What You Are
03. Heresy
04. March Of The Pigs
05. Piggy
06. The Beginning Of The End
07. Ruiner
08. Closer
09. Burn
10. Gave Up
11. Help Me I’m In Hell
12. Eraser
13. Wish
14. Survivalism
15. Only
16. Suck
17. Dead Souls
18. Hurt
19. The Hand That Feeds
20. Head Like A Hole
Fotos: Peter Ganske
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