Baroness / Kylesa / Schmand /
Na, danke schön. Da informiert man sich vorher extra noch auf der Homepage des Clubs und dann wird die Anreise trotzdem zum Gegurke. Auf besagter Homepage stand nämlich, dass sich das JuZe gegenüber von Eurocopter befindet. Vor Ort erweist sich Eurocopter als riesiger Betrieb, der mal eben locker die Ausmaße eines mittlern Dorfes hat. Nach mehr oder minder ziellosem Rumgekurve komme ich irgendwann zufällig am Club vorbei, nicht dass man das draußen irgendwie hätte ablesen können, ich hab einfach mal aufgrund der davor herumstehenden Gestalten kombiniert – es leben das Rauchverbot! Der Veranstaltungsraum ist unterm Dach und die Bühne über Eck untergebracht, klein aber nicht ungemütlich, mit ca. 80 Leuten gut gefüllt aber nicht drückend, der Sound ist auch ok und es spielt bereits der lokale Opener Schmand, wobei lokal... die sind aus Ravensburg bzw. Friedrichshafen. Die vier Herren schlagen sich auch Wacker, der Wackelkontakt im Mikro von Sänger machte mir etwas Sorgen in Bezug auf die nachfolgenden Bands und die Show nicht gerade cooler, aber weder der Mischer noch die Band schritt ein und zog ihr Programm wacker durch. Mit ihrem Sound zwischen Noise, Converge, ein bissi Stoner und teilweise (glaube ich) deutschen Texten passen sie auch ganz gut zu den anderen Bands, allerdings ist die Performance etwas verwirrend. Der Sänger steht beim Singen meist seitlich zum Publikum, Gitarrist Andreas Gessler konzentriert sich ausschließlich auf sein Spiel und bewegt sich fast überhaupt nicht, dafür macht die Rhythmussektion das Defizit an Hingabe wieder wett, sowohl Basser Björn Schade als auch der Drummer Simon Riedel (mit stilsicher gewähltem Tephra-Shirt) gehen ordentlich mit. Auch das Publikum ist wohlwollend am applaudieren, am gut sortierten Merchstand der Band herrscht nachher dann aber nicht so der Andrang. Was aber sicher auch an den sehr fanfreundlichen Preisen der beiden US-Acts lag, T-Shirts ab 10 Euro und CDs ab 12 Euro sind wahrlich die Ausnahme und das Publikum dankte es mit ordentlich Konsum.
Nach etwa 20 Minuten Umbaupause sollte es also mit Kylesa weitergehen. Da standen aber nur vier Leute auf der Bühne als es dann losging und Gitarrist Phillip Cope startete auch gleich mit einer eher schlechten Nachricht. Ihr Basser Corey war nach nur wenigen der ersten Dates in England wieder nach Hause geflogen, weil wohl jemand aus seinem engsten Umfeld überraschend gestorben ist. Kylesa haben sich trotzdem entschlossen die Tour auch ohne Basser durchzuziehen und das war auch eindeutig die richtige Entscheidung! Denn das wichtigste bei Kylesa war am Start: die zwei Drummer. Das sieht man ja nicht allzu oft und die Band wusste das optimal zu nutzen, treibende, hypnotische Tribalpassagen entwickelten einen derartigen Sog, dass man der Band den fehlenden Bass und die streckenweise doch eher suboptimalen Gesangseinlagen vom Gitarrenduo Phillip Cope und Laura Pleasants gerne verzieh – gar nicht vorzustellen, was die Band wohl entfesselt, wenn sie in Vollbesetzung agiert. Überhaupt die Gitarristin. Es war faszinierend ihr zuzusehen wie diese zierlichen Finger am Gitarrenhals entlangwuselten. Die Finger standen dabei im Gegensatz zu ihrer sonstigen Erscheinung mit Stiefeln, Stretchjeans und tätowierten Armen. Einer der beiden Drummer hatte so seine liebe Not mit dem zu kleinen Teppich unter den beiden Drumkits, durch den fehlenden Halt war seine Bassdrum quasi permanent auf der Flucht vor ihm und musste unterm Spielen und zwischen den Songs immer wieder zurückgezogen werden. Ich hatte den Eindruck, dass es im Publikum vielen so ging wie mir, dass man zwar den Bandnamen mal gehört hatte, aber mit dem Material nicht wirklich vertraut war. Trotz des Handicaps durch den fehlenden Basser ein sehr überzeugender Auftritt, die Band wurde abgefeiert und kam sogar für eine Zugabe zurück auf die Bühne. „Set The Control For The Heart Of The Sun“ wurde gegeben, genau, eine Coverversion von Pinky Floyd! Der Track ist seither unveröffentlicht und kann auf der Kylesa-Myspace-Seite für umme runtergeladen werden! Konsequenter Weise ging im Anschluss an ihren Auftritt auch so einiges an Merch von ihnen über den Tisch.
Nachdem ich Baroness seither nur von ihren Alben kannte, war ich mir gar nicht so sicher, ob sie nach der Show von Kylesa noch einen draufsetzen würden können. Man liess sich Zeit beim Umbau, es gab dank der zwei Drumkits ja auch einiges zu tun und es verstrichen weitere 20 Minuten bevor Gitarrist und Sänger John Baizley damit begann „Rays On Pinion“, den Opener des aktuellen Albums „Red Album“ anzustimmen. Sofort kippte die Stimmung im Raum von Gemurmel zu Stille/Konzentration, alle Augen richteten sich auf die Bühne und langsam baute sich der Song auf und die anderen Musiker stiegen in den Song mit ein. Brian Bickle spielte am linken Bühnenrand fast die identische Gibson wie sein Kollege Baizley am rechten Bühnenrand. Optisch war das Erscheinen durch Bassist Summer Welch in der Bühnenmitte etwas zerrissen. Der hatte eine recht enges, zerfleddertes kurzes Tarnhöschen an und riss sich schon nach dem ersten Song das Black Metal-Leibchen vom Körper. Auch wenn er vom Style etwas neben seinen Kollegen stand, spielerisch gab auch er sich voll hin, überzeugte mit wieselflinkem Fingerspiel auf seinem Gibson Explorer-Bass, schüttelte dabei fleissig die Haare und schaffte es gleichzeitig auch noch mit seinem rechten Fuß die meiste Zeit die Bassdrum davon abzuhalten davonzuhoppeln – Respekt! Überhaupt der Drummer Allen, der ja der Bruder von Gitarrist Brian ist... Kotletten die mal locker in der Wolverine-Liga spielen und dazu noch nen schicken Schnäuzer! Aber was ein Hammerdrummer, sehr spielfreudig aber kein Frickler sondern stets songdienlich und kreativ – trotz relativ kleinem Set mit einer Bass-, einer Hänge- und einer Standtom. Ganz klares Zentrum der Band ist trotzdem Mastermind Baizley. Über die 50 Minuten des regulären Sets wirkte der Mann wie in einem Rausch, stierer Blick, völlig in den Songs aufgehend und aus voller Seele seine Vocals intonierend war er ein absoluter Blickfang. Früher hat die Band wohl gerne mal komplette Tonträger am Stück live aufgeführt ohne sie durch Ansagen zu kommentieren und nachdem auf den Opener des aktuellen Albums mit „The Birthing“ und „Isak“ auch Song zwei und drei folgten wähnte ich schon, dass der Hase auch heute so laufen würde, aber das war mit nichten so. Es wurde auch älteres Material gespielt, das sich prima ins Set einfügte und später dann wieder durch Highlights vom aktuellen Werk wie etwa „Wanderlust“ und das abschließende „Grad“ abgelöst wurde. Als nach frenetischem Jubel scheinbar keine Zugabe nachgelegt werden sollte, wendete sich schon mancher zum Gehen als die Band dann doch noch nachlegte. Baizley warnte aber vor, man sei ohne einstudierte Zugaben auf diese Tour gegangen und der gestrige Versuch sei mal so richtig in die Hose gegangen! Aber der Band gelang an diesem Abend einfach alles und so setzte die Zugabe einen Schlusspunkt unter ein fast perfektes Konzert. Bleibt zu hoffen, dass Baroness nach ihrer US-Tour zusammen mit Converge 2008 wie angekündigt auch nochmal in Europa vorbeischauen!
(tj)Dieser Artikel wurde 1273 mal gelesen