Keith Caputo / Ricky Warwick /
Unverhofft kommt oft, ich jedenfalls hatte ein paar Stunden bevor Mr. Caputo die Bühne der Röhre betrat noch gar keine Ahnung, dass ich dem Auftritt beiwohnen würde. Recht spät wurde also die Entscheidung gefällt gen Stuttgart zu fahren und so kamen wir auch gerade noch rechtzeitig zum Beginn der Show des Headliners und verpassten somit leider Ricky Warwick. Laut anderen Anwesenden schlug der sich ganz wacker, stand ganz alleine mit seiner Gitarre auf der Bühne und schmetterte seine Singer-/Songwriter-Kompositionen ebenso wie Bearbeitungen vom ein oder anderen The Almighty-Song ins Volk. Einziges Manko war wohl, dass er dabei wirkte, als hätte er nen Stock im Hintern – was eigentlich verwundert, denn der Mann war bei seiner ehemaligen Band The Almighty durchaus der souverän rockende Fronter.
Um 22 Uhr war es dann Zeit für Keith Caputo und seine fünf Mitstreiter. Zwei Gitarristen, ein Keyboarder, Basser und Schlagzeuger – klassische Rockbesetzung also. Optisch fiel eigentlich nur der Basser etwas aus dem Rahmen, der sah eher aus, wie ein holländischer Hooligan mit seiner kurzgeschorenen blonden Stoppelmatte und der Lederjacke. Anfangs kam auch der Keyboarder etwas seltsam rüber, mit fast bis zum Bauch aufgeknöpftem Hemd und getönter Sonnebrille huldigte er etwas dem Atze Schröder-/Porno-Style... Wie auch immer, trotz wirklich winziger äußerer Erscheinung (geschätzte 1,50 m), stand der Sänger an diesem Abend ganz klar im Mittelpunkt. Der Auftritt begann selbstbewusst mit einem seiner stärksten Song vom immer noch ungeschlagenen Debut „Died Laughing“, nämlich „New York City“. Darauf folgte „Monkey“ vom „Hearts Blood On Your Dawn“-Album und erst an dritter Stelle dann ein Song vom aktuellen Album „A Fondness For Hometown Scars“. Zu „Crawling“ wusste Keith dann auch zu berichten, dass er mit einer guten Freundin in London gerade einen sehr feinen Vieoclip zu diesem Song gedreht habe, den man dann in Kürze bei Youtube, Myspace und Konsorten finden wird. Laut eigener Aussage würde sich Caputo heute zwischen den Songs mit dem Erzählen zurückhalten, denn es gäbe ein Curfew und er möchte trotzdem das volle zwei Stundenset spielen. Diese zwei Stunden vergingen dann wie im Flug und glücklicherweise verkniff sich der Mann das Erzählen dann doch nicht völlig. So ließ er das Publikum unter anderem wissen, dass er immer irgendwie an die abgedrehten Frauen gerate. Zwar braucht er einige Zeit um sich überhaupt zu verlieben, aber bei dieser bewussten Lady war er grade dabei als sich herausstellte, dass sie ihn von vorne bis hinten belogen hatte und ein Junkie war. Bei der Gelegenheit wies er auch darauf hin, dass es gerade in den USA oft Gerüchte gebe, dass er selbst an der Nadel hänge, seine Eltern sind ja wohl beide an einer Überdosis gestorben, er hat das Zeug aber nie angefasst. Was ich ihm auch völlig abnehme, denn er sah recht fit aus und verstand es für einen bestimmt Vierzigjährigen aufs beeindruckendste sich Yogalike zu verbiegen! Dem Großteil der Anwesenden hätte die ein oder andere gezeigte Pose sicher wehgetan, er hatte aber offensichtlich viel Vergnügen bei seiner Performance. Und die einzige Droge, der er sich offensichtlich hingab, war der Rosewein, den er sich brüderlich mit seiner Band teilte. Bei jedem anderen hätte ich sein Verhalten auf der Bühne oft als übles Gepose moniert, bei ihm hats aber sehr authentisch und ehrlich gewirkt. Oft sahs aus, als sei er sich gar nicht bewusst gerade vor einem Publikum zu stehen, sondern durchlebte die Songs in seiner eigenen Welt. Streckenweise sah das durchaus albern aus, so nach dem Motto „kleines Mädchen mit Korb und Kleid hüpft selig durch eine Blumenwiese“, aber wie gesagt: hat schon gepasst!
Bei der Songauswahl ließ er das doch eher grottige und damals bezeichnenderweise nur über seine Website zu beziehende „Perfect Little Monsters“-Minialbum dankenswerterweise außen vor und spielte sich mit seiner engagierten und gefühlvollen Band sonst aber durch ein buntes Programm seiner bisherigen Alben. Zwischendrin bedankte er sich immer wieder beim Publikum, dass sie an einem Montagabend aufs Konzert gefunden haben und kündigte an, dass die Band sich noch mehr Mühe geben würde und versuchen würde noch „erotischer“ zu spielen. „This Song is for one of the greatest Songwriters of all Time, too bad he is not alive anymore, ‘cause he’d be kickin fuckin Ass!”, da konnte nur “Cobain” vom Debut folgen, dem sogar zwei Mal ein “Smells Like Teen Spirit”-Part beigemischt wurde. Zum Schluss des regulären Sets gabs “Troubles Down” das im Gegensatz zu so mancher ruhigen Nummer mal so richtig aufs Rockpedal trat und ausgiebigst zelebriert wurde. Wollen mal hoffen, dass niemand Velvet Revolver nen Tipp gibt und die demnächst Herrn Caputo bei sich an Bord holen. Nach dem Weggang von Scott Weiland suchen die dieser Tage ja nach nem Sänger, der in die Fußstapfen des Stone Temple Pilots-Sängers treten könnte – Keith könnte, wenn er wollte!
Jedem im Raum, der mit dem Material des kleinen Mannes vertraut ist, war klar, dass das nicht das Ende des Abends sein konnte und so kam die Band dann auch für einen weiteren Song zurück. „Selfish“ geriet zu einem der Höhepunkte der Show, das Publikum sang lauthals mit und der Gänsehautfaktor dürfte im Publikum ähnlich hoch gewesen sein, wie auf der Bühne. Danach verabschiedete sich die Band erneut und nach langem Applaus kam Caputo und sein Keyboarder noch mal zurück. Und es kam, was kommen musste, ein Life Of Agony-Song. Und obwohl ichs echt nicht gebraucht hätte und der Songs sogar von einem von mir eher ungeliebten Album stammte, „Pretend“ war göttlich! Nachdem der Song lange nur von Keiths Stimme, seiner Performance und den perfekt unterstützenden Keyboardparts getragen wurde, kam die Band dann plötzlich doch noch mal auf die Bühne und setzte fulminant ein. Ganz großes Tennis! Es folgte frenetischer Applaus und die ersten Leute wandten sich zum Gehen. Nach ca. fünf Minuten hielt der Applaus aber immer noch an und die Band kam noch mal für ein kurzes Stück auf die Bühne - nach dem eigentlichen Curfew! - und spielte den leisesten Song, den sie im Programm hatten um den Veranstalter ja nicht zu sehr zu verärgern – der sah aber sehr glücklich aus, wie man überhaupt nur selig grinsende Leute nach der Show sah.
Ein ganz großer Konzertabend, der mal wieder unterstrich, dass man für ein großes Konzerterlebnis weder Schminke, Kostüme, Backdrops, Pyros, mords Bühnenaufbauten oder ne Lichtanlage von der NASA braucht. Schade dass sich nur geschätzte 200 Leute an diesem Montagabend in der Röhre einfanden. Von der Magie her, die hier versprüht wurde, würde die Band locker das zehnfache an Zuspruch verdienen. So muss klein Keith wohl auch weiterhin als Sänger der nicht ganz so vielseitigen (aber trotzdem großartigen, nicht falsch verstehen!) Life Of Agony vergangenen Großtaten hinterherhecheln. Die haben ihren Zenith wohl überschritten, in der gezeigten Form könnte Caputo aber noch für die ein oder andere Überraschung sorgen!
Thomas Jentsch
Setlist:
New York City
Monkey
Crawling
Razzberry Mockery
I Wanna Fly
In This LIfe
Nothig To Lose
Devils Pride
Home
Cobain
Son Of A Gun
Sad Eyed Lady
In December
Troubles Down
Selfish
Pretend
Thomas Jentsch
(tj)Dieser Artikel wurde 780 mal gelesen