Katatonia / Long Distance Calling /
Nach guten fünf Wochen quer durch Europa macht die "New Night Over Europe"-Tour ihren letzten Halt im Münchner Backstage. Viele der Shows waren ausverkauft und auch in München wird es wohl proppenvoll, denn bereits im Vorverkauf sind über 500 Karten weggegangen.
Als wir am Ort des Geschehens eintreffen, sind wir erst mal perplex: der Club ist weg! Rechts von der Brücke hinter den Gleisen, wo das Backstage noch vor ein paar Monaten zu finden war, ist jetzt plattes Brachland. Aha: Glücklicherweise ist der Laden nur über die Straße gezogen und bewohnt jetzt das Areal links von besagter Brücke!
Die Halle hat im Vergleich zur vorigen Halle an sich nur Nachteile, im direkten Vergleich ist sie deutlich kleiner, hat ´nen viel zu engen Eingangsbereich, der zudem direkt an die Bar andockt und auf den erhöhten Merchstand zuführt. Aber naja, wenn man dann mal drin ist, juckt´s nicht mehr arg. Drin waren dann schließlich wohl über 600 Zuschauer, erfreulich bunt gemischt, sowohl Outfit- als auch Geschlechter- und Alters-technisch.
Stichwort Merch: Das war am Ende der Tour natürlich in Teilen schon ausverkauft oder nur noch in Minderheitengrößen zu haben, mit 15 Euro für ein Shirt war es dafür preislich sehr fair gehalten. Schön auch, dass die Neuauflage der „Sattellite Bay“ von Long Distance Calling rechtzeitig zur Tour am Start war. Wobei bei der Vinylversion ein kleiner Fehler unterlaufen ist (das Innere des Klappcovers ist falsch herum eingedruckt), aber hey, wenn die dann demnächst Top Ten gehen, sind das gesuchte und teure Sammlerstücke!
Swallow The Sun haben die Tour bereits vor dieser letzten Show verlassen, da sie in den USA weitertouren. Einerseits schade, andererseits müssen Long Distance Calling deswegen nicht gar so früh auf die Bühne und dürfen auch länger spielen als in ´nem Lineup von drei Bands. Um 20.30 Uhr geht´s los, die Fünf entern offensichtlich hochmotiviert die Bühne. Der Sound ist anfangs leider etwas basslastig, so dass die Details der Saitenfraktion etwas untergehen, aber das bessert sich mit fortschreitender Dauer. Die Münsteraner haben offensichtlich viel Spaß auf der Tour gehabt und nach fünf Wochen fast täglicher Shows läuft die Bandmaschine wie geschmiert, da war dann sogar Raum für die ein oder andere Pose und Bewegung auf der Bühne – zumindest der Knöpfchendreher und die Saitenfraktion auf der (vom Publikum aus gesehenen) rechten Seite bewegten sich leidenschaftlich zum packenden Sound. Der instrumentale Postcore der Herren traf auch in München auf viel Interesse und so war´s ein seliges Geben und Nehmen zwischen Band und Volk – keine Ahnung, warum so viele Leute Probleme mit instrumentaler Mucke haben, die 50 Minuten Showtime sind jedenfalls wie im Flug vorbeigegangen. Beim letzten Song verließ dann der bullige Mann sein Macbook auf der rechten Bühnenseite, schnappte sich seine Luftgitarre und legte sich mit seinen Kollegen fröhlich posend ins Zeug – volle Punktzahl für Long Distance Calling!
Setlist Long Distance Calling:
Black Paper Planes
Fire In The Mountain
I Know You Stanley Milgram
Apparitions
Metulsky Curse Revisited
Gegen 21.45 Uhr betraten dann die Headliner die Bühne. Der Opener „Forsaker“ war mit dem des aktuellen „Night Is The New Day“-Albums relativ vorhersehbar gewählt und wurde vom Lichtmann sehr stimmungsvoll ins passende rote Meer getaucht. Danach schwenkten die Schweden dann gleich zu älterem Material, nämlich „Liberation“ und „My Twin“ vom „Great Cold Distance“. Offensichtliches Problem vom Start weg: Sänger Jonas Renkses Leistung ließ zu wünschen übrig und leistete sich jede Menge schiefe Töne. Er versteckte sich zu Recht hinter einem Vorhang aus Haaren, der CousinIt alle Ehre gemacht hätte. Auch Anders Nyström (mit Whitesanke-Shirt) an der Leadgitarre setzte den ein oder anderen Ton daneben, dafür wirkte der ganze Haufen extrem spielfreudig, agil und glücklich. Was an sich auch nicht selbstverständlich ist, denn an der zweiten Gitarre und am Bass wurden neue Mucker präsentiert. Die überzeugten sowohl instrumental als auch vom Bewegungsdrang her voll und ganz und der neue Gitarrist Per "Sodomizer" Eriksson brillierte zudem noch mit perfekten zweiten Stimmen am Mikro! Obwohl ich ihre Vorgänger, die Gebrüder Norman, sehr sympathisch fand, die Jungs sind mal eine echte Bereicherung für die Band! Nach dem irgendwie ungelenken „My Twin“ wurde mit „Onward Into Battle“ ein weiterer neuer Song gereicht und selbst dieser recht ruhige Track funktionierte live überraschend gut – ich war mir im Vorfeld der Show gar nicht sicher, ob sich der gestiegene Programminganteil live gut wiedergeben lassen würde. Und, oh Wunder, ab dem Moment ging´s stetig bergauf. Renkse riss sich am Riemen, bedankte sich zwischen den Songs auch stets artig beim Publikum und auch ausdrücklich bei Long Distance Calling und hatte offensichtlich auch Spaß an dieser letzten Show der Tour – selbst dem Mercher wurde noch ein Song gewidmet! 18 Songs standen dann unterm Strich auf der Setlist, die waren erfreulich gut über die Veröffentlichungen der Band verteilt, mit „Saw You Drown“ gab´s sogar ´nen Track vom „uralten“ „Discouraged Ones“-Album (von 1998) und auch das ähnlich betagte „For My Demons“ von „Tonight’s Decision“ (1999) bekam einen Platz im Ablauf, nämlich als letzter Song. Bevor die Band dann noch mal für zwei Songs Zugabe zurückkam. Nach leichten Startschwierigkeiten dann also doch noch eine tolle Show der Schweden bei übrigens perfektem Sound.
Setlist Katatonia:
Forsaker
Liberation
My Twin
Onward Into Battle
Complicity
Longest Year
Omerta
Teargas
Saw You Drown
Idle Blood
Ghost Of The Sun
Evidence
July
Criminals
Day And Then The Shade
For My Demons
Disposession
Leaders
Thomas Jentsch
Foto: Dezbah Turnblad
(tj)Dieser Artikel wurde 1796 mal gelesen