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With Full Force XVIII /

01.07.2011, Roitzschjora, Flugplatz


Da das With Full Force in den vergangenen Jahren immer die Reise wert war, stellte sich auch bei der 18. Auflage gar nicht erst die Frage, ob die Helldriver Crew wieder vor Ort sein würde. Die denkbar schlechte Wettervorhersage für das anstehende Wochenende wurde zwar registriert, aber danach bewusst ignoriert. Voller Vorfreude machte sich die schwäbische Delegation also auf den Weg gen Sachsen, einem wahrhaft unvergesslichen Festivalerlebnis entgegen.


Freitag, 01.07.2011

Nach einer rekordverdächtig schnellen Anreise, die nur durch einen kleinen Abstecher zum Leipziger Flughafenbahnhof unterbrochen wurde, um dort meine journalistische Unterstützung aus Hannover einzusammeln, enterten wir am Freitagnachmittag bei strahlendem Sonnenschein das Flugplatzgelände bei Roitzschjora. Da der Pressezeltplatz im Vergleich zu den Vorjahren erheblich vergrößert wurde, fanden wir tatsächlich noch einen anständigen Standort für unsere temporäre Unterkunft. Noch während wir das Zelt aufbauten und uns über den Wetterbericht lustig machten, sollte sich die Lage aber schlagartig ändern. In einem Augenblick der Unachtsamkeit gingen aus unserem Kofferraum einige Gegenstände unserer Campingausrüstung „verloren“ (auf diesem Weg ein herzliches „Fuck You“ an das Kollegenschwein, das sich bei uns bedient hat). Da sich unter den Sachen auch mein Fotopass befand, fiel die Stimmung ziemlich schnell auf einen historischen Tiefpunkt. Und wie sollte es anders sein, gerade in diesem Moment fiel es den vermehrt aufziehenden Wolken ein, uns einen kleinen Vorgeschmack auf das zu geben, was uns ab Freitagabend ständig begleiten sollte: Regen. Zu diesem Zeitpunkt aber noch in einem erträglichen Maß, und so beschloss das schwäbisch-niedersächsische Partyvolk, sich nicht runterziehen zu lassen, sondern griff ein paar Bier ab und machte sich auf den Weg, die musikalischen Darbietungen zu genießen – auch ohne die Chance auf gute Fotos.

Vor der Hauptbühne angekommen, konnten wir noch die letzten drei Songs von Deadlock begutachten. Und wie schon in den Jahren zuvor konnte uns die Harte-Strophe-vs-Emo-Refrain-Band nicht überzeugen. Im Anschluss schickten sich aber Disbelief an, die Festivalwiese zu rocken, wobei die fünf Hessen – körperlich – nicht wirklich rockten. Dies galt aber umso mehr für das, was da aus den Boxen geballert kam, denn so statisch ihre Bühnenpräsenz war, so gut spielten sie auf. Man konnte förmlich spüren, wie tief die Jungs in ihren Stücken drinsteckten, und natürlich konnte sich auch das bereits recht zahlreich erschiene Publikum diesem Bann nicht entziehen und begann spontan das Festivalgelände umzupflügen. Einzig Chef-Growler Jagger, der wohl die ein oder andere illegale Substanz konsumiert zu haben schien, schwebte über der ganzen Szenerie, was aber nichts daran änderte, dass dieser Auftritt ein sehr guter war.

In der Zwischenzeit hatten Protest The Hero im Hardbowl-Zirkuszelt zum Tanz gebeten. Dieser Aufforderung kamen die meisten Leute auch ohne Weiteres nach, denn der kanadische Fünfer geht aktuell wesentlich eingängiger zu Werke als zu den Anfangstagen der Band. Zudem konnten sich alle Anwesenden eines Mördersounds erfreuen, welcher ein Übriges tat, um die Jungs auf der Bühne und vor allem die Meute davor zum Brodeln zu bringen. Das ist zwar nicht unbedingt meine Musik, aber auf jeden Fall war es eine klasse Show. Nicht zuletzt deshalb besserte sich unsere Laune auch stetig. Jetzt waren wir endlich so richtig auf dem WFF angekommen!

Der ausgiebig diskutierte Umzug zur Hauptbühne sollte sich im Anschluss aber als Fehlentscheidung herausstellen. Denn obwohl sich die Deathcore-Protagonisten Carnifex an beinahe schon überschwänglichen Publikumsreaktionen erfreuen konnten, war der Auftritt in meinen Augen und Ohren bestenfalls durchschnittlich. Ihre Songs kommen mir auf Platte schon nicht sonderlich originell vor (vorsichtig formuliert), und live potenzierte sich dieser Eindruck noch zusätzlich, wodurch ich mich bald entsetzlich langweilte. Den meisten jüngeren Festivalbesuchern schien das alles aber mächtig gefallen zu haben; also soll es mir recht sein… Wir jedenfalls nutzten die Zeit für uns sinnvoller mit dem Organisieren von Verpflegung und Biernachschub. Kurz darauf fanden wir uns wieder vor der Mainstage ein, wo sich Legion Of The Damned aufbauten, um die Freunde der älteren Schule zu bedienen. Die ehemals unter dem Namen Occult geführten Thrasher verstanden es sehr gekonnt, die Massen auf ihre Seite zu bringen. Nicht zuletzt durch einige deutsche Ansagen, aber auch durch eine energiegeladene Bühnenshow und viel Spielfreude konnten die Niederländer etliche Sympathiepunkte einheimsen. Im Übrigen empfand ich das Wechselspiel von Old und New School auf der Hauptbühne an diesem Freitag als recht angenehm, obwohl ich im Vorfeld darüber hergezogen hatte. Zumindest war dadurch eine – im wahrsten Sinne des Wortes – bunte Mischung unter der Zuhörerschaft sichergestellt.

Die vielen ähnlich gekleideten, beinahe uniformierten Kids unter den Besuchern ließen schon vorab vermuten, dass die sowohl in Musik-, als auch in Modetrends bewanderten Bring Me The Horizon eventuell in großem Stil abräumen könnten. Irgendwie gelang es ihnen dann auch, und irgendwie auch nicht. Obwohl mir die Musik der Engländer nicht zusagt, und schon gar nicht der Hype, der um die Jungs gemacht wird, mischte ich mich dennoch unters Volk und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Sobald die Deathcore-Helden die Bühne erobert hatten, machten sie sich sogleich daran das Publikum zu erobern – zumindest den Teil, der genauso gekleidet und frisiert war, wie die Bandmitglieder. Schreihals Oliver Sykes gab sich sichtlich Mühe, der Menge ordentlich einzuheizen und war des Öfteren sogar ganz in der Crowd verschwunden. Die Leute dankten es ihm mit begeisterten Jubelstürmen und folgten allen seinen Anweisungen (egal ob Wall Of Death oder sonstige Dancing Tricks) aufs Wort. Dort vorne steppte also gewaltig der Bär. Ließ man den Blick aber weiter nach hinten über die Festivalwiese schweifen, war zu beobachten, dass immer mehr Leute den Schauplatz dieser Todes-Kern-Orgie verließen. Neben der Tatsache, dass BMTH an für sich eine solide Show ablieferten und sehr engagiert zu Werke gingen, haben sie mehr als alles andere das Potenzial, jedes Festivalpublikum zu spalten. Ob man das nun als positiv empfindet oder nicht, sei jedem selbst überlassen.

Ganz anders verhält sich die Sache bei Agnostic Front. Die Urgesteine des NYHC spalten überhaupt gar nichts, oder alles – je nachdem. Jedenfalls kennt man sie, man weiß was man an ihnen hat und zudem machen sie einfach Laune! Außerdem lieferten die Herrschaften die wahrscheinlich beste Show ihrer recht umfangreichen WFF-Historie ab. Sie waren an diesem Abend definitiv nicht ausgezogen, um Gefangene zu machen, denn die Performance von Geburtstagskind Roger Miret, Gitarrenveteran Vinnie Stigma und deren Kollegen war beeindruckend. Insbesondere wenn man sich vor Augen führt, dass die „Jungs“ fast alle auf die Fünfzig zugehen, beziehungsweise in Mr. Vincent Capuccios’ Fall sogar schon auf die Sechzig. Ungeachtet ihres Alters sprangen die Amis wie entfesselt auf der Hauptbühne herum und animierten die Meute sehr energisch, es ihnen gleich zu tun, mit vollem Erfolg. Einen großen Anteil am Gelingen dieser Show hatte natürlich ebenso die exzellent zusammengestellte Setlist, deren Krönung – wie sollte es auch anders sein – die Sing-A-Long-Hymne „Gotta Go“ darstellte. Was sich nun auf dem Festivalacker ereignete, geht sicherlich in die Full Force-Analen ein: Kaum einem der Anwesenden dürfte es gelungen sein, sich dieser Gänsehautatmosphäre zu entziehen, als die versammelte Menschenmasse beinahe das komplette Stück lauthals mitgrölte… Ganz große Nummer!

Nach einer etwas ausgedehnten Umbaupause schallte schließlich „Carmina Burana“ aus den Boxen und markierte den Einstieg für Bullet For My Valentine, die übrigens zum ersten Mal als Hauptband auf einem europäischen Festival fungieren durften. Auch wenn von meiner Seite aus keinerlei Interesse am Auftritt der Modernmetaller aus dem Vereinigten Königreich bestand, wollte ich doch meine Funktion als ergebener Berichterstatter nicht völlig vernachlässigen. So entschloss ich mich zumindest zeitweise dem Spektakel auf der Mainstage beizuwohnen. Bereits der Opener „Your Betrayal“ vom aktuellen Album „Fever“ wurde ausgiebig abgefeiert, und das folgende „Waking The Demon“ stellte einen echten Höhepunkt für die Fans im Pit dar. Aber auch ihre balladesken Hits hatten B4MV im Gepäck. „Tears Don’t Fall“, „Bittersweet Memories“ und „Say Goodbye“ wurden nicht minder gierig von der Masse aufgesogen und natürlich auch mitgesungen. Ein Übriges tat die ausgeklügelte Beleuchtung der Bühne, die durchaus nicht unbeeindruckend war. Unterm Strich dürften die zahlreich erschienenen Anhänger der Band voll und ganz auf ihre Kosten gekommen zu sein, denn was Präsenz und Spielfreude anbelangt, wurden die Waliser ihrem Headliner-Status gerecht. Und ich für meinen Teil freute mich jetzt nur noch mehr auf die Knüppelnacht, die sich direkt anschließen sollte.

Insidious Disease gebührte die Ehre, die diesjährige Bolzparty des WFF zu eröffnen. Die All Star Combo, die sich aus Shane Emburry, Marc Grewe, Tony Laureano, Jardar und Silenoz (wem diese Namen nichts sagen, empfehle ich eine Recherche über Death und Grind) zusammensetzt, hatte mich mit ihrem letztes Jahr erschienenen Album „Shadowcast“ zwar etwas enttäuscht, aber live traute ich ihnen dennoch einiges zu. Bereits nach den ersten Akkorden wurde klar, dass mich die Herren nicht nochmals enttäuschen sollten. Zum Glück war ich relativ früh vor Ort, sodass ich einen guten Platz, von dem aus sich die wahrlich meisterhaften Fingerfertigkeiten der fünf Musiker bestens bestaunen ließen, ergattern konnte. Das extrem tighte Spiel, ein teilweise abartiges Tempo und eine enorme Menge transferierter Energie stellten sicher, dass hier nichts anbrannte. Der jetzt immer stärker werdende Regen trieb die verbliebenen Festivaljünger immer zahlreicher in Richtung Tentstage, und je stärker es schüttete, desto enger drängten sich die Leute. Der Stimmung war dies nur zuträglich und Insidious Disease zelebrierten ein wahres Old School-Schlachtfest, das sich über volle vierzig Minuten erstreckte und Death Metal par excellence bot. Außerdem waren sie, vom technischen Blickwinkel aus betrachtet, die beste Band, die ich dieses Jahr hier gesehen habe! Sehr geil.

Allerdings hatte ich auch so ein wenig das Gefühl, als ob viele der Anwesenden noch auf etwas warteten, und ich sollte Recht behalten. Nachdem der gesamte Roitzschjora’sche Kerzenbestand auf der Bühne aufgebaut worden war und die Black Metal-Kapelle Watain mit entsprechender Verzögerung gegen 01:15 Uhr erschien, wachte die Menge noch einmal richtig auf. Allerdings nur um alsbald in einer Art Trance zu versinken, denn die atmosphärische Dichte und vor allem die Dunkelheit, mit der die schwedischen Satansjünger das Zelt überfluteten war beinahe physisch greifbar und lullte die Menge gänzlich ein. Von den nicht unumstrittenen Watain kann man halten was man will, aber es gibt definitiv nicht viele Bands, die eine so intensive Show auf die Beine stellen können.

In eine etwas andere Kerbe schlugen die im Anschluss aufspielenden Negator, die musikalisch die perfekte Besetzung für einen Event mit dem Namen Knüppelnacht darstellen. Auch die Tatsache, dass der hier zu bewundernde Sänger Nachtgarm zukünftig bei Dark Funeral tätig sein wird, war im Nachhinein sicherlich ein Highlight, denn wer weiß, wie oft man mit der neuen Konstellation noch die Gelegenheit dazu bekommen wird. Die Soundverhältnisse, die sich aber nun offenbarten, waren für mich zu dieser fortgeschrittenen Stunde doch zuviel, denn außer übersteuerten Gitarren, quietschenden Mics und einer klirrenden Feedbackorgie drang nichts mehr in mein Gehör, und somit ließ ich es auch gut sein.

Der Rückweg zu unserer PVC-Behausung sollte sich allerdings noch als eine echte Herausforderung erweisen, denn mittlerweile war ein Sturm aufgezogen, der mich bis auf die Knochen durchnässte, bevor ich mich schließlich in meinem klammen Schlafsack vergraben konnte. Was für ein Tag…


Samstag, 02.07.2011

Das Aufstehen gestaltete sich nach den Ereignissen des vergangenen Freitags etwas schwieriger und langwieriger als erwartet, und deshalb war die Helldriver-Abordnung auch erst zum Konzertbeginn von Betzefer wieder in der Lage, die Berichterstattung aufzunehmen. Die Israelis hatten offensichtlich einen guten Bühnensound und dementsprechend auch einen Heidenspaß während ihres Sets. Die akustischen Verhältnisse vor der Hauptbühne waren allerdings schlecht bis miserabel. Sicherlich hatte der starke Wind, in Kombination mit dem nun einsetzenden Dauerregen, seinen Anteil am verkrachten Sound, aber die Mannen am Mischpult will ich hier auch nicht ganz außen vor lassen. Schade, denn Betzefer rockten sich den Arsch ab, konnten aber aufgrund der widrigen Bedingungen leider keinen so großen Eindruck auf das Publikum machen, wie sie es eigentlich verdient hätten.

Unsere an den Metal-Gott gerichteten Gebete, das Wetter besser werden zu lassen, sollten am heutigen Tag unbeantwortet bleiben. Stattdessen wurde es immer kälter und es stürmte jetzt auch richtig heftig. Deshalb sollte das nahe gelegene Pressezelt die erste Anlaufstation nach jedem beendeten Auftritt werden, denn dort konnte man sich kurz aufwärmen, abtrocknen und das eine oder andere aufmunternde Getränk zu sich nehmen. Nach einer dieser beschriebenen Pausen fanden wir uns wieder auf dem mittlerweile völlig verschlammten Festivalacker ein, um die Show von The Black Dahlia Murder zu verfolgen. Dank etwas besserer Soundverhältnisse konnte man nun auch richtig hören, was dort auf der Bühne gespielt wurde; und das war nicht von schlechten Eltern. Gleich von Beginn an drückte die Band aus Detroit gewaltig auf‘s Gas und war mit vollem Körpereinsatz zugange. Insbesondere Frontmann Trevor hüpfte wie ein durchgeknallter Gummiball über die Bretter und hatte es sich offenkundig zum Ziel gemacht, einen neuen Dance Move zu etablieren: Fäuste in die Luft und Rumzappeln wie auf einer Überdosis Speed. Da er dies über die gesamte Länge des Sets zelebrierte, fand er tatsächlich etliche Fans die es ihm gleichtaten. Überhaupt wurde der doch recht technische Melodic Death des Quintetts sehr wohlwollend vom Auditorium aufgenommen. Neben dem äußerst präzisen Spiel (O-Ton meines Redaktionskollegen: „Die Doublebass kommt direkt aus der Hölle…“) trug sicherlich auch die gute Songauswahl positiv zu dieser Show bei, wobei mich der hohe Anteil an Stücken des erst kürzlich erschienenen Albums „Ritual“ etwas verwunderte, aber keinesfalls störte. Somit gelang es TBDM, ihren Auftritt trotz des nassen Wetters mit Bravour ins Trockene zu bringen. Respekt.

Nun standen Entombed auf dem Plan, und wie üblich gingen die schwedischen Death’n’Roll-Chefs die ganze Sache recht entspannt an. Wenn ich entspannt sage, meine ich natürlich nicht lasch – im Gegenteil: Voller Einsatz wurde geboten, aber eben ohne dieses erzwungen gekünstelte Engagement, das man bei vielen anderen Bands beobachten kann. Herr Petrov wurde an diesem Samstagnachmittag offensichtlich nach Kilometern bezahlt, denn wie oft er vom einen zum anderen Bühnenrand sprintete, konnte man gar nicht mehr mitzählen. Außerdem zeigte er sich enorm stimmgewaltig und bei bester Laune. Das steckte an, und im Nu rotierte ein wildes Pit und wirbelte dabei ordentlich Dreck und Schlamm auf. Wir für unseren Teil ließen uns vom mörderischen Wikinger-Groove treiben und ertappten uns gegenseitig beim Dauernicken. In dieser Form können Entombed von mir aus noch etliche Jahre weiterrocken, denn es gelang ihnen sogar, uns vergessen zu lassen, dass wir klatschnass waren, froren und bis zu den Knöcheln im Schlamm steckten. Und, da war doch noch was…? Shit, Earth Crisis hatten schon vor einiger Zeit angefangen die Hardbowl-Bühne zu beschallen, und wir hatten uns eigentlich vorgenommen, den militanten Veganern ein Ohr zu schenken. Allerdings mussten wir feststellen, dass es in das Zirkuszelt kein Hineinkommen mehr gab, da aufgrund des immer stärker werdenden Sturms die Mehrzahl der Leute dort Unterschlupf gesucht hatte. Von unserem Standort aus war von der Show lediglich ein verzerrtes Wummern und einige Lichtblitze zu vernehmen, und so trollten wir uns in Richtung unseres eigenen Zelts, welches dem Wetter bisher zwar noch standhielt, aber auch keinen wirklich vertrauenserweckenden Eindruck mehr machte. Doch dazu später mehr.

Nachdem wir uns mit warmen Alkoholika wieder aufgepäppelt hatten, gaben wir uns Terror hin. Die WFF-Stammgäste hatten dieses Jahr die Ehre, zum ersten Mal auf der Hauptbühne zu spielen. Für die Jungs stellte das den größten Auftritt ihrer Bandgeschichte dar, und dementsprechend war man etwas nervös, was Frontmann Scott Vogel auch ohne Scham einräumte. Allerdings hatten die Kalifornier keinerlei Probleme im Umgang mit der Meute und feuerten eine Mosh-Granate nach der anderen ab. „“Always The Hard Way“, „One With The Underdogs“ und „Keepers Of The Faith“ schlugen mit Macht ein, und auch der Gastaufritt von Scotts’ jüngerem Bruder bei „Spit My Rage“ war ein Volltreffer. Nach dem gestrigen Agonstic Front-Set bewiesen nun auch Terror, dass Hardcore-Bands auf der Hauptbühne eines solchen Festivals durchaus eine Alternative darstellen, auch wenn sie nicht unbedingt Sick Of It All heißen.

Die Running Order dürfte Satyricon sicherlich nicht behagt haben, denn es war noch nicht einmal 20 Uhr, als die Norweger auf den Planken der Mainstage aufliefen. Allerdings relativierte sich die frühe Uhrzeit durch das Unwetter, welches das Festivalareal in tiefe Dunkelheit hüllte. So kam die hübsch ausgeleuchtete Show auch bestens zur Geltung und die Anhänger der Band voll auf ihre Kosten. Da ich persönlich aber ein kleines Problem mit Monsieur Satyr und seinen Ansichten habe, verlegte ich meine Position in die Nähe der Hardbowl Stage, wo nun Blood For Blood ihre Aufgabe als Zelt-Headliner antraten. Ohne Umschweife legten die Anführer der ‚Wasted Youth Crew’ los. Ihre zum Mitgrölen einladenden Hits wie „Bitch Called Hope“, „Some Kind Of Hate“ oder „Going Down The Bar“ fegten wie ein Wirbelsturm in die versammelte Menge hinein und brachten diese in Rekordzeit zum Kochen. Selbst in den hinteren Reihen wurde amtlich abgegangen, und ich möchte wetten, dass hier mehr Bier verschüttet, als getrunken wurde. Wem die denkwürdigen Auftritte von Walls Of Jericho der letzten Jahre noch im Gedächtnis waren, dürfte sich hierbei daran erinnert gefühlt haben. Live sind die Amis nach wie vor eine echte Bank!

21:00 Uhr, Hauptbühne. Die Cavalera Conspiracy stand auf dem Programm. Trotz Starkregens und Sturmböen haben sich erstaunlich viele Metal Heads dort versammelt, wo bis gestern noch eine Wiese war, und auch die zahlreich ausgelegten Gummimatten konnten nichts daran ändern, dass das alles in eine Riesenschlammschlacht ausartete. Die wiedervereinten Brüder Max und Igor Cavalera dürfte es nur wenig gestört haben, denn das Dach der Mainstage war wasserdicht und die meisten Fans ließen sich von den widrigen Umweltbedingungen keinesfalls die Laune verderben. Neben einer Songauswahl kreuz und quer durch beide Alben wurden auch die Sepultura-Klassiker „Refuse/Resist“, „Territory“ und natürlich „Roots“ zum Besten gegeben. Als dann auch noch Max’ Sohn für einen Song hinter dem Schlagzeug Platz nahm, war das Familienfest perfekt. Alles in allem lieferten die Brasilianer also einen mehr als soliden Gig ab, der genügend Energie versprühte, um auch über das Festival hinaus in guter Erinnerung behalten zu werden.

Nach der halbstündigen Umbaupause, die wieder einmal mit Aufwärmversuchen zugebracht wurde, waren schließlich Hatebreed an der Reihe. Die Metal- und Hardcore-Verschmelzer um Sänger Jamey Jasta waren offensichtlich gewillt, ihre Performances der letzten Jahre zu toppen und stachelten die Mädels und Jungs im Pit zu Höchstleistungen an. Der mit Mike-Muir-Gedächtnis-Kopftuch ausgestatte Frontmann der Amis forderte schließlich sogar drei parallele Circles auf einmal. Die tanzwütige Menge folgte bereitwillig allen seinen Anweisungen, und ehrlich gesagt, ich hätte aufgrund des saumäßigen Wetters nicht gedacht, dass der Samstags-Headliner solch ein Feuerwerk abbrennen könnte. Als nach erfreulich kurzer Pause noch die obligatorischen Pogo-Nummern „Proven“ und „I Will Be Heard“ gezockt wurden, stand fest, dass es sich für alle Anwesenden mehr als gelohnt haben dürfte, bis zum Schluss auszuharren. Eine mehr als würdige Krönung des heutigen Tages.

Meine Vorfreude auf das trockene Pressezelt und den dort anstehenden Auftritt von Mambo Kurt sollte jedoch ziemlich schnell totalem Frust weichen, denn uns ereilte die Erkenntnis, dass unser eigenes Zelt dem Unwetter nicht mehr gewachsen war. Der Versuch die temporäre Behausung wenigstens für die kommende Nacht notdürftig abzudichten schlug fehl, und uns blieb im Endeffekt nichts anders übrig als völlig durchnässt auf den Morgen zu warten. Wer schon einmal in einem voll gesogenen Schlafsack aufgewacht ist und keine trockenen Klamotten mehr hatte, weiß wovon ich spreche.

Als es hell wurde und immer noch wie aus Kübeln schüttete, war für uns das Maß voll. Wir schmissen unseren Kram, so dreckig und nass wie er war, ins Auto und verließen den Schauplatz dieser Wasser- und Schlammschlacht.

Rückblickend betrachtet, war das 18. WFF für mich sicherlich kein Höhepunkt im positiven Sinn, auch wenn einige sehr gute Auftritte die Unannehmlichkeiten doch irgendwie aufwiegen konnten. Nicht zuletzt aus Eigeninteresse wünsche ich dem Full Force für 2012 aber mehr Glück mit dem Wetter, denn dass wir uns nächstes Jahr hier wieder sehen, dürfte klar sein. Dann allerdings mit Ölzeug und einem vernünftigen Zelt… nur für alle Fälle. (cj)

(cj)

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