Napalm Death / Requiem / Brutal Massacre /
Livereviews zu schreiben, ist mir ehrlich gesagt immer zu wieder - früher
war es so ein Fanzinestandard, den ich auch mit meiner gedruckten Variante immer
erfüllt habe. Heute kann ich es nicht mehr verstehen. Vor allem wenn dieses
FanzinerInnenvolk sich darüber ausläßt wen sie dort und dort
getroffen hat, kennengelernt hat, Backstage durfte oder wie Gitarrist X zu Song
Y sich schier einen abgebrochen hat. Wo bleibt die persönliche Note und
wen interessiert das überhaupt. Und nun soll ich doch so ein Review schreiben.
Dazu noch in der Remise, einem Club, in dem Mensch vom Boden essen kann und
Plakate im Glaskasten an der Wand hängen. Nein, nicht das dies schlimm
wäre, aber Gegenfrage: wie fallen Eintrittspreise, Getränkepreise
usw. aus im Gegenteil zu einem besetzten Haus, in welchem vielleicht die hygenischen
Zustände anders ausfallen (übrigens auch nur ein Klischee, welches
von unzähligen Squads (vor allem in Italien) widerlegt wird) und sich eh
nur CleancutVorstadtkids darüber aufregen. Und da stehe ich nun, fühle
mich nicht wohl und... vielleicht ist das voller Vorurteile und vielleicht sollte
mir dafür der Hintern versohlt werden, aber - unabhängig von meinem
Unverständnis für das HC/Punkpublikum - ich finde Metalheads einfach
dumm wie Brot... ich kann mit dieser harten Männertour, Biertrinkermentalität
und Frauen den Arm über die Schultern legen Attitüde, welche keine
ist, nichts abgewinnen. Keine Verallgemeinerung, aber auf einen Großteil
zutreffend... nur in meinem Gedanken an die Professoren von Carcass oder die
politische Aussagekraft von Hirax unterbrochen... und Napalm Death sicherlich
auch, aber wer spricht von dieser Band (nach ihrer grauenhaften Zwischenphase)
schon von einer Metalband.
Und da stehe ich immer noch... ein wenig verloren, unsicher und doch irgendwo
erhaben... und die erste Vorband beginnt... Brutal Massacre (oder waren dies
die Zweiten?)... auf jeden Fall ein Duo aus der Schweiz und nicht nur die Tatsache,
dass sie zu zweit sind lassen mir gleich einen Namen in den Sinn kommen (nein,
nicht Mortician, Fuckhead), sondern auch der Sound, das Aussehen und diese fast
schon stilvolle Schüchternheit sorgen dafür: Active Minds. Die Vorband
erinnert mit ihrem runtergeschrabbeltem Geknüppel mit unverkennbaren Punkrockeinflüssen
total an die englischen Helden. Und so genieße ich und freue mich mit
dieser Band, während ignorante Böhse Onklez und Sepultura betisherte
ihnen keinen Blick oder gar Ohr würdigen... und der Berreich vor der Bühne
leer bleibt. Nur Pat Useless und Andy scheinen meine Begeisterung teilen zu
können. Stehen auch da und genießen, schweigend und Kopf nickend.
Und nach kurzer Zeit ist' s dann vorbei und mit der zweiten Band fällt
mir sofort auf, was diesen Laden auch bei "HC/Punk"bands, die hier
spielen, ausmacht: Heavy Metal Bedingungen. Vorbands werden immer schlechter
abgemischt als der Hauptact... welcome to Stadiorock, Baby! Aber ich habe mich
dazu ja schon zu Genüge ausgelassen, warum wieder aufwärmen? Die Band,
die da auf der Bühne steht, ist die lebende Metalparodie. Gegrunzte Ansagen,
langweiliges Gehacke und der Gitarrist macht mit seinen Solis einen Song dann
entgültig kaputt. Traurig... und doch irgendwo lustig... sehr lustig sogar...
ehrlich gesagt, habe ich zu dem Zeitpunkt schon lange nicht mehr so gelacht.
Egal. Würdigen wir diesem Ausfall keine Zeilen mehr. Denn Napalm Death
sind eingetroffen.
Eine andere Welt beginnt an dem Abend. Und ich tauche in sie ein. Metalpit auseinandernehmen
und all die Klassiker und neuen Hits mitgröhlen. Sich dabei im Hinterkopf
behalten, wo diese Band herkommt, was für ein politisches Bewußtsein
sie hatten und zum Glück wiederhaben. Aber wen interessiert das schon?
Wer von den Mähnenschüttlern hat die letzten zwei Alben und deren
Aussagen bzw. die der MCD verstanden? Ein verschwindent kleiner Teil. Und wenn
interessiert das schon wie hochpolitisch die gespielten "Scum" Plattensongs
sind und was für eine Zeit das war, und dass die Split 7" mit den
Electro Hippies vielleicht das letzte große Punkstatement für immer
war. Das absolute Extrem und mit Rückbezug fast schon ein Witz in sich.
Und so war auch das Konzert, ein sich Durchknüppel durch alle Napalm Death
Phasen inkl. den Rawpower und Dead Kennedys Coversongs, das Drop Dead Shirt
und dann doch wieder diese Metalplattheiten... gegrunzte Ansagen usw. Ein in
sich geschlossener Witz, der einigen Anwesenden an diesem Abend, trotzdem sehr
viel bedeutet hat. Und wenn ich ehrlich bin, würde ich lieber über
das wenig später stattgefundene Bolt Thrower Konzert schreiben und wie
die dort anwesende Frau in ihrer Natürlichkeit und Reife, die so unglaublich
sexy war hinter dem Merchandisestand mich wirklich hat dahinschmelzen lassen,
während - wieder - langhaarige Bierprolls den Arm um aufgetackelte Blondinen
legen und der Benediction Sänger mit Plastikgroupies backstage erwischt
wird.
(ml)
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