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Nine Inch Nails / Dresden Dolls /

15.06.2005, Berlin, Columbiahalle

Nachdem Anfang Mai nach fast sechsjähriger Pause endlich das neue Album „With Teeth“ der Nails erschienen war, beehrte uns Meister Trent schon im Folgemonat mit Konzerten auf deutschem Boden. Mehreren Festivalauftritten stand genau eine (!) Headliner-Hallenshow gegenüber – kein Wunder, dass die Tickets für die Hauptstadt-Show entsprechend schnell vergriffen waren. Bei ebay gingen die Gebote zuletzt gar in die dreistellige Region...

Trotz Headlinershow begannen die Nine Inch Nails schon kurz nach 21 Uhr, was zur Folge hatte, dass ich gerade so rechtzeitig (mit Einsetzen des Intros) in der Halle ankam und somit die Dresden Dolls verpasst habe. Man möge mir verzeihen, dass meine Freude rechtzeitig zum NIN-Set in der Halle zu sein größer war, als meine Trauer darüber, die Vorband verpasst zu haben...

Die proppenvolle Halle bot sicherlich auch von der Bühne aus einen beeindruckenden Anblick, denn selbst die bestuhlte Empore war zum platzen gefüllt und stand/tanzte natürlich komplett. Bei Erlöschen des Hallenlichts bzw. den ersten Tönen des Intros („Pinion“ von der „Broken“-EP) kreischte natürlich schon die halbe Halle und als Trent Reznor dann seinen Platz in der Mitte der Bühne einnahm, schwoll dieses Kreischen noch um ein vielfaches an. Messiasartig stand er da in seinem weißen Hemd unter sonst dunkel gekleideten Musikern, gut sah er aus, auch wenn diese neuerlich auftrainierten Oberarm-Muskelpakete nicht so recht zum scheuen Studio-Melancholiker-Image passen wollen. Viel wichtiger war aber, dass er offensichtlich Bock hatte, er bewegte sich viel, legte den ein oder anderen Luftsprung hin und schwitzte nicht umsonst schon nach den ersten Songs und entledigte sich folgerichtig auch bald des Hemds. Spätestens mit der neuen Mannschaft hat sich ja wieder gezeigt, dass Nine Inch Nails an sich eine Oneman-Show ist. Vom letzten Live-Line-Up ist gerade mal Drummer Jerome Dillon übrig geblieben (der sich über die Jahre zum verläßlichen Rückgrat der Band gemausert hat), ansonsten ist mittlerweile u.a. Ex-Manson- und A Perfect Circle-Basser Geordy White aka. Twiggy Ramirez an Bord. Besonders Gitarrist Aaron North kann von Glück sagen, dass er am Schluss der fabulösen Show von der Bühne gehen konnte und nicht getragen werden musste. Was Trent vielleicht im Gegensatz zu früheren Shows an Aggression und Bewegungsdrang eingebüßt hatte, machte der Gitarrist mühelos wieder wett. Immer wieder warf sich er Mann komplett über seine Gitarrenbox, zappelte auf dieser herum, als ob es möglich wäre durch Befruchtung kleine Boxen nachzuzüchten und schaffte es trotz der ganzen Action meist recht gut seine Parts sauber in die PA zu bringen – Respekt! Unterm Strich war ich doch überrascht, wie tight die neue Besatzung das Material interpretierte, wenn man mal bedenkt, dass das erste gemeinsame Konzert in Fresno gerade mal drei Monate her war. Show wurde ansonsten nur dezent, in Bezug auf Licht und Aufbauten sogar nur zurückhaltend stylisch, geboten. Im Hintergrund standen mehrere Lichtsäulen, die verschieden angesteuert und somit sehr abwechslungsreich und atmosphärisch eingesetzt werden konnten, dazu kam zärtlicher Strobo-Einsatz und links und rechts der Bühne zwei Lichtinstallationen, die mich dezent riesige Mikroansammlungen bzw. Tentakeln erinnerten. An sich unnötig zu erwähnen, dass das Publikum dem Meister aus der Hand frass, der liess sich dann auch nicht bitten und knallte dem Volk ein „Best of“-Programm vor den Latz, dass natürlich aufgrund des bisherigen Outputs zwar nicht jeden befriedigen konnte, aber mit stolzen 21 Songs doch wohl auch keinen enttäuscht haben dürfte. Das neue Album war mit fünf gespielten Songs gegenüber z.B. „Pretty Hate Machine“ mit vier, auch nur knapp vorne, ansonsten wars recht ausgewogen über die Alben/EPs verteilt, überraschend an sich nur, dass auch die (sehr starken) Soundtrack-Beiträge zu „The Crow“ bzw. „Natural Born Killers“ gespielt wurden. „The Perfect Drug“ mag der Maestro ja wohl nicht und wird deswegen live auch nicht mehr zu hören sein, andere Songs, die er laut so manchem Interview auch nicht mag (wie z.B. „Starfuckers Inc.“), fanden aber sehr wohl ihren Weg auf die Bühne. Warum die erste Single von „Fragile“, „We're In This Together“ nicht gespielt wurde, ist mir allerdings schleierhaft. Interessant wurde die Show auch durch (gelungene!) Neu-Interpretationen bekannter Songs, „Closer“ z.B. bekam einen neuen Mittelteil: einen Part aus „The Only Time“ vom Debut. Bis auf ein seltsam druckloses „Burn“ war der Sound der beste, den ich seit langem bei einem Konzert erlebt habe, druckvoll, breit und trotzdem nicht schwammig, bei manchen Tracks wurde man bis in die Eingeweide erschüttert. Nach „Head Like A Hole“ flogen dann die Gitarren durch die Luft und das Konzert war relativ abrupt zu Ende.

Fazit des Fans: ein unglaublich intensives Konzert mit jeder Menge Gänsehaut-Attacken, killer Sound und toller Atmosphäre. Die Klasse und Macht wurde mir allerdings erst so richtig in den Stunden bzw. Tagen danach bewusst – das wird sehr lange nachhallen und schwer zu toppen sein!



Bilder von www.sight-of-sound.de

 

(tj)

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