Sepultura / Betzefer / Incendiarii / Subconscious /
Zu Ehren des 40jährigen Jubiläums der Rock-Disco „See-Studio“ in Böblingen, wurde in der Stadthalle Böblingen ein Konzert der Superlative mit lokalen Bands wie den Böblingern Incendarii und den Stuttgartern Subconscious, als auch mit internationalen Größen wie Ektomorf und den brasilianischen Kult-Bolzern Sepultura veranstaltet. Also genügend Zündstoff für einen gelungenen Abend unter Freunden mit kühlen Blonden und bester Unterhaltung. Leider kam alles etwas anders.
Schon vor Einlass, der sich um eine Stunde verzögert hatte, brodelte die Gerüchteküche. Zwei recht gesellige Zeitgenossen und überzeugte Hardcore-Fans aus der Umgebung, die ich auf der Suche nach dem Eingang aufgelesen habe, waren ähnlich geschockt wie ich: Anscheinend würden Ektomorf nicht auftreten! Da an Gerüchten immer ein Funke Wahrheit ist, hat sich dieses leider bewahrheitet. Natürlich hielt sich die Begeisterung der Anwesenden daher in Grenzen, da man für die Karten immerhin stolze 34 Euro hinblättern durfte. Jedoch wurde mit den israelischen Betzefer ein würdiger Ersatz präsentiert, der sich als Highlight des Abends entpuppen sollte. Aber zurück zum Anfang. Gegen 18 Uhr wurden endlich die Tore geöffnet und die leicht durchfrohrene Masse konnte sich nun dem Eigentlichen zuwenden – der Musik.
Den wenig beliebten Job des Openers übernahm eine Combo aus Südafrika, von denen nicht mal der Name in Erfahrung zu bringen war. Schon nach den ersten Takten stand eines fest. Der Sound war unterirdisch!! Ganz gleich was die Jungs auf der Bühne ablieferten, vor der Bühne vernahm man lediglich Matsch. Zu schade, denn es wurde ordentlich gerockt. Die Jungs haben sich wirklich Mühe gegeben, obwohl die Halle nicht annähernd halbvoll war. Man versuchte durch schnelle thrashige und langsamere groovigere Part zu überzeugen. Die Anwesenden wurden mit netten Gitarrensoli bombardiert, die aufgrund des wirklich miesen Sounds nicht zur Geltung kamen. Erst nach gut 20 Minuten sprang der Funke so langsam auf das nur sehr schwach vertretene Publikum über, und 10 Minuten später war auch schon alles wieder vorbei.
Nun waren die lokalen Düster-Metaler von Incendarii an der Reihe. Schnell war klar, dass auch von diesen Verfechtern der Geisterbeschwörung keine Höchstleistungen zu erwarten waren. Größter Feind der Musiker war wieder einmal der Sound. Wie soll man nur überzeugen, wenn man mit Problemen wie einem Keyboard oder Gitarren, die kaum Präsenz zeigten, zu kämpfen hat?? Auch der sehr gekünstelt bösartige Sänger von Incendarii konnte mit nervtötenden Gekreische kaum begeistern. Showtechnisch wurde fast nichts geboten. Außer den Bemühungen des Sängers, das Publikum mitzureißen, fand über weite Teile auf der Bühne kaum Bewegung statt. Erst gegen Ende tauten die Jungs und das Mädel am Bass etwas auf. Ein recht netter Zug war, dass man sich bei einem Fan, der extra für diesen Gig aus dem hohen Norden nach Sindelfingen gekommen war, mit einem Hypocrisy-Cover bedankt hat. Na der wird sich ordentlich gefreut haben.
Da die Hoffnung zuletzt stirbt, hofften meine neuen Kameraden (Ihr erinnert Euch an die HC-Freaks?!) und ich, dass mit Subconscious die lang erwartete Steigerung stattfinden würde. Eines muss man zu Subconscious sagen: Die Jungs können wirklich spielen. Vor allem der Drummer wusste auf Anhieb zu begeistern. Auch die Gitarristen und der Kollege am Bass ließen keine Gelegenheit aus, ihr Können unter Beweis zu stellen. Jedoch stellten die stark progressiven Songs dieser Band für die Hörerschaft eine große Herausforderung dar. Man verstrickte sich zusehends in komplizierte Rhythmen und verzwickte Gitarrensoli. Klare Songstrukturen waren kaum zu erkennen. Schwachpunkt dieser Band war eindeutig der Sänger. Kann auch kein Zweifel an seinen Fähigkeiten bezüglich des Gitarrenspiels bestehen, kann seine Art zu shouten kaum überzeugen. Monotonie pur!! Nachdem man nun auch den Auftritt dieser Band (übrigens der anstrengendste des ganzen Abends) hinter sich hatte, konnte man in den Gesichtern einiger Besucher schon die Verärgerung über den unverschämt hohen Kartenpreis ablesen. Doch auch nach so vielen Enttäuschungen wollte ich die Hoffnung auf ein bisschen Abgehen nicht begraben. Und siehe da, ich wurde für mein Ausharren belohnt.
Das israelische Groovemonster Betzefer war nun an der Reihe, die Zuschauer zu entschädigen. Kaum zu glauben, aber kaum hatten die Jungs angefangen zu Bolzen, wurde der Vorraum geleert und der Konzertsaal füllte sich zusehends. Wie eine Dampfwalze rollte diese Quartett über die Zuschauer hinweg und ließen dabei kein Auge trocken. Es wurde mächtig Stimmung gemacht. Für das, was die drei Bands vorab nicht annähernd geschafft haben, benötigten Betzefer lediglich Sekunden. Die Luft brannte, die Stimmung kochte. Endlich eine Band, die zu 100% zu überzeugen wusste. Auch fand erstmals eine richtige Interaktion mit dem Publikum statt, welche dieses dankbar annahm. Man wusste durch kraftvoll stampfende Riffs und brachiale Mit-Mosh Parts zu überzeugen und riss die Stimmungskurve senkrecht in die Höhe.
Dann war es endlich soweit. Nach dem phänomenalen Auftritt von Betzefer durften die lang erwarteten Sepultura an den Start. Nun brannte die Luft endgültig. Vor allem bei den vom Publikum geforderten Klassikern wie „Refuse/Resist“ oder „Territory“ brachten die Menge zum toben. Generell darf man wohl behaupten, dass die Set-List der erfolgreichsten brasilianischen Band sehr ausgewogen war, zwischen älteren und neueren Werken. Allen voran konnten Sänger Derrick Green und Gitarrist Andreas Kisser das Publikum mit sich reißen. Auch der neuer Drummer Jean Dolabella wurde vorgestellt und herzlich begrüßt und gefeiert. Eine energiegeladene, erbarmungslose Show wurde den Anwesenden zu Teil, und alle, die bis zu diesem Zeitpunkt vom Verlauf des Abends enttäuscht waren, kamen voll auf ihre Kosten. Der Sound wurde zusehends besser, endlich wurden die Mähnen pausenlos geschüttelt, und es wurde frenetisch mitgegrölt. Begeistert von den Publikumsreaktionen, erfüllten die Mannen aus Brasilien sogar einige Wünsche der lautstärksten Zuschauer, was die Stimmung endgültig in euphorische Sphären katapultierte.
Nach einem nun doch noch gelungenen Abend, hatten die ganz hart gesottenen noch die Möglichkeit bis zum Morgengrauen in den heiligen Hallen des See-Studios auf der Aftershow-Party weiter zu feiern.
(jb)Dieser Artikel wurde 904 mal gelesen