Killswitch Engage veröffentlichten gerade ihr neuestes Album, das schlicht auf den Namen der Band hört. Es ist einmal mehr ein Lehrstück in Sachen modernem Metal mit Hardcore Background. Kurz vor der Veröffentlichung war die Band in Zürich zu Gast, wo ich mich mit Gitarrist Joel zum Plausch über das neue Werk traf.
Das erste, was mir am neuen Album auffiel, ist der Titel. Es ist selbstbetitelt und somit schon das zweite Album eurer Bandgeschichte das den Namen der Band trägt. Warum das?
Um ehrlich zu sein konnten wir uns einfach nicht auf einen Titeltrack einigen. Wir waren zwischen ein paar hin und her gerisen. Es war außerdem das erste Mal, dass wir mit einem externen Produzenten gearbeitet haben. So war es für uns also auf eine gewisse Weise ein Neuanfang und wir haben uns neu erfunden. Das klingt jetzt etwas abgedroschen, es war aber wirklich so, dass wir nicht mehr die gewohnte Formel angewandt haben, die wir seit Jahren haben, sondern etwas Neues ausprobiert haben.
Dafür klingt das Album aber doch eindeutig nach Killswitch. Wo siehst du die großen Unterschiede?
Howard singt sehr viel mehr und die Songs sind insgesamt sehr viel melodischer. Die Songs sind außerdem alle etwas kürzer und kommen direkter auf den Punkt. Man hört aber im Grunde keine grundlegenden Veränderungen in unserem Sound. Es war mehr die Art wie die Songs entstanden sind, was anders war. Wir waren zum ersten Mal nicht zuhause um es aufzunehmen. Der Prozess fühlte sich anders an.
Wie würdest du das Album charakterisieren?
Wir haben damals mit einem starken Hardcore Background angefangen und wurden dann immer metallischer. Jetzt hat sich immer stärker ein Rock-Einfluss bei uns breit gemacht. Ich weiß auch nicht woran das liegt, vielleicht daran, dass wir alt werden, haha. Im Ernst, wir haben einen Gang zurück geschaltet. Wir stehen heute einfach auf so viele unterschiedliche Sachen und mögen die melodischen Parts. Die neuen Songs sind weniger Metal aber dafür stärker wie Rock Songs strukturiert. Das war auch das was wir selbst hören wollten.
Auf der anderen Seite habt ihr aber auch Blastbeats auf dem Album.
Ja, das stimmt. Das Album hat auch seine heftigen Momente.
Wie muss man sich das in der Praxis vorstellen? Schreibt ihr noch heftige Songs für die Quote wenn ihr genügend melodisches Zeug habt?
Haha. Nein, das nicht. Wir schreiben einfach das was sich in dem Moment richtig anfühlt. Dabei gibt es kaum bewusste Entscheidungen eine bestimmte Art von Song zu schreiben. Die Songs entstehen einfach, manche fühlen sich mit einem gemäßigten Beat besser an, während andere Riffs schnell sein müssen. Manches wird melodisch, manches heftiger. Wir mögen es die Stile zu mischen. Ich finde das Album bietet eine gute Mixtur aus schnellen und heftigen Parts aber auch sehr melodischen Sachen.
Du hast gesagt, dass die Platte anders entstanden ist als bisher. Wie genau?
Wir alle, außer Howard, schrieben ein paar Monate jeder für sich Songs. Dann haben wir uns ungefähr eine Woche bevor wir ins Studio gegangen sind jeden Tag im Proberaum getroffen und die Ideen zusammengeworfen. Jeder von uns hat selbst Songs geschrieben, aber wir haben auch einige zusammen geschrieben. Die Songs sind also eine Kombination aus allen Mitgliedern. Das eigentliche Schreiben der Songs war aber gar nicht so viel anders als bei anderen Platten. Es war mehr das eigentliche Aufnehmen das anders war. Wir haben die Drums in Atlanta aufgenommen. Dabei haben wir alle live in einem Raum gespielt, was wir normalerweise nicht tun. Normalerweise spielten wir vorläufige Gitarren zu einem Clicktrack wozu dann Justin sein Ding machte. Die eigentlichen Gitarrentracks haben wir zuhause aufgenommen. Howard blieb in Atlanta und hat mit Brendan an den Vocals gearbeitet. Wir waren alle überall verstreut und haben die Platte dezentral aufgenommen. Normalerweise sind wir immer zu Adam ins Studio am Ende der Straße gefahren, dieses Mal sind wir quer durch die USA geflogen.
Aber die Songs waren schon fertig als ihr ins Studio gegangen seid?
Ja, zum größten Teil. Die Vocals waren noch nicht fertig. Howard hat sehr viel erst im Studio geschrieben. Das macht er eigentlich immer so. Er ist da sehr locker und sagt immer: „Mir wird schon was einfallen“.
Wie war es für euch zum ersten Mal mit Brendan O Brien als externen Produzenten zu arbeiten? Schließlich hat Adam D. (Gitarrist) bisher alle eure Platten produziert.
Das war auf jeden Fall eine seltsame Erfahrung. Im Endeffekt war es aber sicher eine gute Sache. Wir wurden aus unserer gewohnten Umgebung gerissen und haben einige Dinge anders gemacht als sonst. Brendan hört sehr viel stärker die eher organischen Rocktöne heraus. Wenn man die rough Tracks mit dem finalen Mix vergleicht, ist das ein ziemlicher Unterschied. Er hat uns auch sehr viel mit Kleinigkeiten bei den Arrangements geholfen. Er und Howard kamen sehr gut miteinander klar und haben gut zusammen an den Vocals gearbeitet. Es war eine sehr gute Sache.
Was hat Brendan anders gemacht als Adam?
Für mich war es im Detail gar nicht mal so anders, weil wir die Gitarren zuhause aufgenommen haben. Aber für uns alle als Band war es eine neue Erfahrung. Wir haben die Drums mit ihm gemacht, sind dann nach Hause geflogen und haben dort die Gitarren aufgenommen um dann wieder zu Brenaden zu fliegen und weiter an dem Album zu arbeiten. Brendan ist von seiner Persönlichkeit her wohl entspannter als Adam. Adam macht immer viel Druck während Brendan es sehr locker angehen lässt und lieber erst mal gut Essen geht bevor er weiter arbeitet. Er strahlt ein sehr entspanntes Vibe aus, was sich natürlich auch auf uns übertragen hat. Das hat für uns alle gut funktioniert und wir haben so auch viel mehr erreicht.
Konnte Adam seine Produzentenrolle wirklich ganz abgeben?
Ja, das hat er getan. Für ihn war das sehr gut, ein Stück der Verantwortung abgeben zu können. Er war sonst immer derjenige, der mit Howard am Gesang gearbeitet und ihm immer Vorschläge gemacht hat. Dieses Mal konnte er sich zurück lehnen und einfach zuhören. Wenn man jemanden in der Band hat, der immerzu Vorschläge macht, fängt man nach einer Weile an es persönlich zu nehmen. Dass Adam nicht mehr als Produzent auftrat hat sicher auch einige Spannungen gelöst.
Seid ihr von etwas bestimmtem inspiriert worden während ihr die Songs geschrieben habt?
Eigentlich nichts außergewöhnliches. Mike steht sehr auf Sludge und Hardcore. Adam und ich stehen eher auf melodischen Metal wie In Flames, Soilwork oder All That Remains. Das sind unsere üblichen Einflüsse. Ich weiß gar nicht wo Howard seine Inspiration her hat. Er ist wohl derjenige auf der Platte der sich am stärksten verändert hat. Er singt sehr viel melodischer. Das ist eine Sache die er schon länger machen wollte. Er steht sehr auf melodische Songs. Brendan ist auch eher ein Rock´n Roller und weniger Metaller. Er steht auch eher auf melodischen Gesang. Die beiden waren ein gutes Paar.
Eine Sache die die Leute wohl schon immer über euer jeweils neues Album gesagt haben ist, dass es nicht mehr so heavy ist. Wie reagierst du darauf?
Es ist melodischer, aber ich finde nicht, dass es weniger heavy ist. Das ist meine Meinung, aber ich kann natürlich verstehen, dass Leute, die auf das ganz extreme Zeug abfahren, nichts mehr mit uns anfangen können. Da kann ich aber auch nichts machen. Wir würden keine ehrliche Musik mehr machen wenn wir nicht das spielen würden was wir selber hören wollen. Im Moment ist das eben eher die melodische Schiene. Es war keine bewusste Entscheidung so zu klingen.
Kennst du dich mit den Texten aus?
Ja, ein bisschen. Howard predigt nicht mehr so viel auf diesem Album. Ich glaube die Texte sind für ihn sehr viel persönlicher und handeln von Beziehungen die nicht funktioniert oder auch funktioniert haben. Es geht auch um Probleme, die das Touren mit sich bringt. Er lässt einigen Dampf ab. Das Album ist textlich gesehen sehr viel düsterer. Nicht mehr so positiv.
Gibt es einen Text der besonders heraus sticht?
Ich mag den Text von „Take Me Away“. Er redet nicht viel darüber, aber ich glaube es geht um das Leben auf Tour und dieses Doppelleben, das man als Musiker führen muss. Das ist geil, aber auch sehr teilweise schwierig. Vieles ist auch offen für individuelle Interpretationen.
Wie empfindest du das Tourleben?
Es ist seltsam. Die Zeit in der man auf der Bühne steht und seine Musik für das Publikum spielt ist toll, die meiste Zeit des Tages kann man aber nicht wirklich nutzen. Das nagt an einem nach einer Weile auf Tour. Dann macht man eine Pause und ist eine Weile zuhause - aber bevor man sich richtig eingelebt hat muss man wieder weiter. Man kann es sich nirgendwo richtig gemütlich machen.
Hast du Familie?
Ich bin verheiratet, habe aber keine Kinder. Es ist trotzdem immer wieder schwer zu gehen. Manchmal nehme ich sie mit auf Tour, das ist dann cool.
Wirst du jemals müde, Shows zu spielen?
Nein, das Spielen selbst ist immer großartig. Es nervt aber den ganzen Tag herum zu sitzen und nichts tun zu können. Man schlägt oft einfach die Zeit tot mit Videospielen und Musik. Auf dieser Tour ist es eigentlich ganz nett weil wir an ein paar coolen Orten waren, die wir uns angeschaut haben.
Was ist deine Lieblingsstadt in Europa?
Schwer zu sagen. Ich mag Köln in Deutschland sehr. Ich konnte da auf einer Pressetour etwas Zeit verbringen. Roadrunner Deutschland hat dort sein Hauptquartier. Ich mag die Stadt.
Warst du auf dem Dom?
Ja, das war toll.
Was sind eure Ziele für die Zukunft?
Wir wollen einfach so lange wie möglich mit der Band weitermachen. Ich hoffe, dass den Leuten das neue Album gefallen wird. Es ist mir klar, dass es einige Leute nicht mögen werden weil es zu anders und zu melodisch ist. Es wird aber sicher auch Leute geben, die es nicht mögen werden weil sie glauben es klingt so wie immer. Man kann es nicht jedem recht machen. Aber wir sind in der glücklichen Position von der Musik leben zu können und wir hoffen, dass wir das noch vielen Jahren können. Niemand hat erwartet, dass aus dieser Band jemals ein Job oder eine Kariere werden wird. Für uns war das einfach Spaß. Es hat dann einen Level erreicht, den wir nicht erwartet hätten. Hoffentlich bleibt es so.
Was war der großartigste Moment in eurer Kariere?
Wir hatten einige großartige Momente. Ich glaube aber, dass das erste Mal als wir auf dem Download Festival gespielt haben am überwältigsten für uns war. Es war das erste richtig große Festival außerhalb der Staaten das wir gespielt haben. Beim Ozzfest oder der Warped Tour spielt man vor ein paar tausend Leuten. Beim Download waren 60 oder 80000. Das ist nochmal eine ganz andere Dimension. Inzwischen haben wir uns natürlich an Festivals wie Rock Am Ring oder Wacken gewöhnt. Zumindest ein bisschen. Das erste Mal war schon sehr krass und cool.
Adam verkleidet sich sehr oft auf der Bühne. Ist das eigentlich geplant oder eher spontan?
Das ist fast immer spontan. Er macht jede Nacht etwas Anderes. Es hängt glaube ich davon ab wie viel er getrunken hat. Manchmal sind es komische Shorts, manchmal Masken oder ein Cape. Er ist da spontan und sorgt für Spaß. Wir nehmen das alles nicht so ernst.
Ich finde das ist es auch was Killswitch Engage ausmacht. Ihr seid keine dieser superernsten Bands. Ihr habt einfach Spaß und zeigt das auch.
Ja, das stimmt. Wir sind keine traurigen Typen denen es immer schlecht geht und wir sind auch keine Gangster. Wir sind einfach normale Typen. Es macht uns einfach Spaß und es ist uns wichtig, dass jeder Spaß hat. Wir machen auch keine große Show und kümmern uns nicht um ein Image oder so. Wir ziehen keine Lederklamotten mit Nieten an, oder so.
Vielleicht solltet ihr das…
Ja, vielleicht. Vielleicht machen wir das für unser nächstes selbstbetiteltes Album, haha.
Wie findest du es wenn dich jemand nach einem Autogramm fragt?
Das ist komisch. Es ist einerseits natürlich schmeichelhaft, andererseits aber auch seltsam. Wenn jemand wirklich mein Autogramm will, gebe ich es natürlich. Wenn man damit jemandem eine Freude machen kann, warum nicht? Howard ist sehr scheu was das angeht. Er ist auch meist derjenige der nach einer Show nicht mehr abhängt. Wir anderen kommen meistens raus, trinken ein paar Bier und signieren Zeug. Es ist seltsam, aber ich irgendwie cool, weil es die Leute glücklich macht.
Wird man, wenn man wie ihr Erfolg hat, zwangsläufig in diese Rockstar-Rolle gepresst?
Ja, ein bisschen. Wir geben darauf aber gar nichts. Ich selbst verstehe das nicht. Ich habe als Kid nie jemanden nach einem Autogramm gefragt. Das war mir einfach egal. Wir sind keine Rockstars.
Wie beeinflusst Adams Arbeit mit anderen Bands den Sound von Killswitch?
Er trennt das eigentlich ganz gut. Ich bin mir aber sicher, dass er sehr viel lernt. So gesehen nützt uns das natürlich wieder. Er verfeinert seine Fähigkeiten als Produzent. Einer der Gründe warum Adam das neue Album gemischt hat war, dass Brendan einfach kein Metaller ist. Er hat produziert, wie der Mix aber klingen muss weiß Adam immer noch am Besten. Brendan hat das aber auch verstanden. Er wollte uns eher einen Rock Sound verpassen. Da wir aber eher einen Metal Sound wollten war klar, dass er der falsche ist.
Das Artwork stammt von Mike (Bass). Wie ist die Idee entstanden?
Er hatte dieses Bild schon länger und wusste nicht, ob es vielleicht ein Shirt werden sollte. Es passte dann aber gut zum Titel. Es ist ein simples Bild, ohne Schnickschnack. Das passt zu einem selbstbetitelten Album. Es hat einfach funktioniert und wir haben uns darauf geeinigt.
Ist es euch wichtig, möglichst viele Aspekte der Band selbst zu machen?
Ja, ich denke schon. Man ist sehr stolz auf das was man geschaffen hat, wenn man alles selbst gemacht hat. Wir sind auch sehr dickköpfig was das angeht. Mike will, dass das Artwork auf eine bestimmte Weise aussieht. Adam will, dass die Produktion auf eine bestimmte Weise klingt. Jeder ist sehr wählerisch.
Was hörst du dir persönlich gerade an?
Ich höre viel Blackfield, ein Porcupine Tree Nebenprojekt. Ich mag The Killers. Aber auch Dinge wie Nevermore und Symphony X im Metal. Das eher technische Zeug. Ich steh auf eine ganze Bandbreite von Bands. Ich höre allerdings kaum mehr Hardcore.
Hast du noch letzte Worte?
Nein, eigentlich nicht. Ich hoffe ihr mögt das Album und vielen Dank für die Unterstützung.
Rolf Gehring
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Interview: Interview mit Sänger Howard (2004)
Interview: Interview mit Gittarist Joel (2002)
Review: The end of heartache, 2004 (tj)
Review: Killswitch Engage, 2005 (rg)
Review: Killswitch Engage, 2009 (rg)
Review: Incarnate, 2016 (rg)