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Rise Against haben mit ihrem letzten Album eine stetig wachsende Fanschar hinter sich versammeln können. In den USA sind sie längst eine große Nummer und auch hierzulande ist die Band nicht mehr aus den Billings der großen Sommer-Festivals weg zu denken. Somit sind sie wohl die derzeit angesagteste Band im Bereich des melodischen Punk/Hardcore. Grund genug mit Drummer Brandon zu telefonieren um ihm ein paar Statements zum neuen Album abzuringen.

Hi Brandon. Wie geht´s?

Gut. Ich bin in Portland. Wir sind gerade auf Tour mit Alkaline Trio, Thrice und The Gaslight Anthem. Wir sind bereits seit fünf Wochen unterwegs und haben noch zwei Wochen vor uns. Wir haben sehr viel Spaß. Definitiv eine der besseren Touren. Das Lineup ist toll.
Auf jeden Fall, dieses Paket sollte auch hier in Europa auf Tour kommen.

Ja, das wär toll.

Euer neues Album ist auf Platz drei in die Charts eingestiegen. Wie fühlst du dich?
Das war eine tolle Nachricht. Wir sind direkt hinter Metallica. Die haben ca. 1000 Alben mehr als wir verkauft. Wir waren sehr überrascht. Wir spielen in dieser Band jetzt seit neun Jahren und hätten nie gedacht, dass es einmal so weit kommt.

Habt ihr darauf hin gearbeitet?

Nein, das war nie ein Ziel der Band. Wir wollten einfach unsere Musik spielen und hoffentlich irgendwann mal davon leben können. Als wir dann in den Charts waren und insbesondere auf Platz drei, war das ein Schock für uns.

Wie würdest du das neue Album charakterisieren?

Es ist einfach Rise Against. Wir schrieben und spielen jetzt all diese Jahre zusammen. Ich finde das Album zeigt wie wir gewachsen sind.

Mir ist aufgefallen, dass kaum wirklich harte Songs auf dem Album sind. Hat das einen bestimmten Grund?

Wir versuchen uns nicht zu wiederholen. Es sind noch immer heftigere Songs auf der Platte, finde ich. Insgesamt haben wir 29 Songs geschrieben und nur eine Auswahl hat es auf das Album geschafft. Das waren einfach die besten Songs, die die am besten zusammen passten. Wir können nicht jedes Mal dasselbe Album schreiben. Ich bin mir sicher, dass das nächste wieder anders klingen wird. 

War es schwierig für euch aus den 29 Songs die für das Album auszuwählen?

Ja, das war wirklich schwierig. Man hat all diese Songs mit denen man ja auch eine zeitlang gelebt hat und von denen muss man dann im Studio die aussuchen, die man wegwerfen will. Das ist immer schwierig. Normalerweise schrieben wir ca. 15 Songs für ein 12 Song-Album. Dieses Mal hatten wir die doppelte Menge, das macht es natürlich noch schwerer.

Was passiert mit den restlichen Songs?

Ein paar werden sicher in Videospielen oder Filmen auftauchen. Andere werden aber wahrscheinlich nie erscheinen. Sie wurden auch nicht richtig aufgenommen. Aber für ein paar wird sich sicherlich eine Verwendung finden.

Das neue Album heißt „Appeal To Reason“. Warum habt ihr euch diesen Titel ausgesucht und wofür steht er?

Das war eigentlich eine Zeitung die 1897 erschien. Es war eine Zeitung der Linken in den USA. Es war eine Stimme der Arbeiter, die damals unter schlechten Arbeitsbedingungen in den Fabriken arbeiteten und kaum Lohn bekamen. Es war eine Zeitung, in der die Leute über Themen reden konnten, die damals alles andere als populär waren. Im Internet kann man eine Geschichte der Zeitung ansehen und man bekommt auch einige Artikel daraus. Das ist ziemlich cool. Die Zeitung kam relativ lange heraus.

Gibt es heute etwas Vergleichbares in den Staaten?

Ja, heute ist es wesentlich akzeptierter über diese Themen zu sprechen. Wir haben gerade einen Präsidenten gewählt, der deutlich demokratischer ist als der letzte. Heute gibt es viel Literatur zu diesen Themen, die damals ziemlich Tabu waren. Sozialistische und Kommunistische Ideen waren damals nicht akzeptiert in Amerika.

Würdest du Rise Against als politische Band beschreiben?

Ja, eigentlich schon. Wir sind zwar nicht nur politisch, aber es gibt schon einige Themen, die uns am Herzen liegen und über die wir auch sprechen wollen. Wir haben keine Angst unsere Meinung zu sagen.

Ich denke, das ist heute ziemlich selten geworden, auch in der Punk und Hardcore Szene.

Ja, da hast du Recht. Aber ich denke auch nicht dass jeder die Pflicht hat, über etwas Politisches zu reden. Das kann auch Selbstmord für die Kariere sein. Wir sind in Rise Against, aber auch wir als Einzelpersonen sind sehr politisch. Wir interessieren uns für Politik und das was in der Welt und in unserem Land vor sich geht. Ich bin der Meinung, dass wir dies auch im Kontext der Band machen können. Warum sollten wir das nicht tun? Aber du hast Recht, es gibt wenige Bands, die wirklich noch politisch sind.

Aber ist es nicht das Fundament von Punk und Hardcore auf die Missstände in der Welt hinzuweisen und kontroverse Themen aufzuwerfen?

Ja, da hast du Recht. Wir alle sind in der Punk Szene groß geworden und waren immer dabei, Literatur zu Themen wie Straight Edge, PETA und so weiter zu bekommen. Auf den Shows gab es immer diese Tische mit Informationsmaterial. Bands wie Minor Threat und Bad Religion haben es vorgelebt. Es ging darum, gegen den Strom zu schwimmen. Ich finde Punk hat das verloren. Was auch immer Punk heute bedeutet. Wenn eine Band sich als Punkband bezeichnet, ist oft mehr ein Sound gemeint als eine bestimmte Message. Das ist heute nur noch ein Begriff. Es ist interessant zu sehen wie der Punk sich darauf gegründet hat und es heute in vielen Bereichen verloren hat.

Versucht ihr das wieder zurück zu bringen?

Ja, definitiv. Darum haben wir als Kids angefangen Punk zu machen. Wir wollten nicht im Football Team spielen und nicht wie jeder andere sein. Also haben wir uns eine Alternative gesucht. Punk war dafür perfekt. So hatte man eine Stimme und hat sich wohl gefühlt. Darum haben wir alle damit angefangen.

Da ihr heute so viel größer seid, erreicht ihr sehr viel mehr Leute mit eurer Message. Wie reagieren die Leute außerhalb der Szene darauf?

Ganz unterschiedlich. Auf unserem neuen Album haben wir den Song „Hero Of War“, der lose auf der Geschichte dieser amerikanischen Soldaten basiert, die im Irak diese schlimmen Kriegsverbrechen begangen haben. Der Mainstream in Amerika fühlt sich von diesem wahrscheinlich beleidigt.

War es ein Problem einen solchen Song auf einem Major Label zu veröffentlichen?

Nein, überhaupt nicht. Sie haben uns da sogar den Rücken gestärkt. Wir umgeben uns bei unserem Label mit Leuten die uns tun und lassen machen was wir wollen. Wenn wir einen Song auf dem Album haben wollen, kommt er auch drauf.

Lass uns etwas über die Texte der Platte reden.

Die Texte sind hauptsächlich Tims Baby und wir reden nicht immer über ihre exakte Bedeutung. So entfaltet jeder Song für jede Person eine etwas andere Bedeutung. Einer meiner Lieblingssongs im Moment ist „Collapse“. Darin geht es wie auch bei einigen anderen um die Industrie in Amerika und darum, wie wir unsere Luft und unser Land zerstören. 90% aller Amerikaner sind taub wenn es um diese Themen geht. Die letzten Platten waren sehr von der Bush Ära beeinflusst, die nun zum Glück zu Ende ist. Wir wollten nicht mehr über diese Dinge schreiben. Darum geht es auf dem neuen Album auch viel um umweltpolitische Themen. „Collapse“, der erste Song auf dem Album, ist definitiv mein Lieblingssong im Moment.

Wie steht es mit Re-Education (Through Labour)? Das scheint mir ein sehr kapitalismuskritischer Song zu sein.

Ja, stimmt. Das witzige ist, als der Song als Single heraus kam, gab es in einer großen Amerikanischen Zeitung eine Überschrift mit dem Titel „Chinese Women face Re-Education through labour“. Dabei handelt es sich um ein Programm in China, in das man gesteckt wird, wenn man sich kritisch zum Regime äußert. Was im Grunde bedeutet, dass du so lange und so hart arbeiten musst, bis du mit der Regierung einer Meinung bist. In dem Artikel ging es um zwei fast 80–jährige Frauen, die in ein Arbeitslager geschickt wurden, weil sie nicht mit der Politik der Regierung einverstanden waren. In dem Song geht es darum, wie jeder in den USA so beschäftigt ist, dass er gar nicht mehr Zeit hat inne zu halten und nachzudenken. Die Gesellschaft verlangt von dir, dass du permanent arbeitest. Wenn man abends nach Hause kommt, hat man nicht mehr die Energie sich um Politik oder ähnliches zu kümmern. Dann will man nur noch abschalten. Das ist im Grunde dasselbe wie das Programm in China. Die Leute arbeiten sich zu Tode und realisieren gar nicht mehr was um sie herum vor sich geht.

Ja, ich denke so sieht es in den meisten westlichen bzw. modernen Ländern aus und das basiert im Grunde auf dem Kapitalismus. Was denkst du wäre eine Alternative zum Kapitalismus?

Ich habe keine Ahnung. Wir stecken da jetzt schon viel zu tief drin. Das ist die Milliarden-Dollar-Frage. Ich finde nicht mal, dass das Konzept der Arbeit so schlecht ist. Es kommt aber eben auf die Menge an, sonst werden aus den Menschen Roboter.

Ein weiterer interessanter Song ist „Entertainment“.

Der Song kritisiert die Idee, in einer Band zu sein und dadurch auch ein Entertainer zu sein und wie seltsam und unangenehm das manchmal sein kann. Der Song geht das Thema recht zynisch an.

Wo seht ihr euch selbst in der Unterhaltungsindustrie?

Es ist seltsam mich selbst als Entertainer zu bezeichnen. Aber es ist in der Tat so, dass wir die Leute unterhalten. Ich denke aber, dass wir es auf einem anderen Level machen und über Themen reden die etwas bedeuten und vielleicht aus diesem Unterhaltungs-Ding etwas Produktives erschaffen.

Ihr habt wieder mit Bill Stevenson aufgenommen. Warum bleibt ihr bei ihm hängen?

Wir haben nach unserem ersten Album mit Bill einen anderen Produzenten ausprobiert (GGGarth) und das war sicherlich eine gute Erfahrung, aber wir fühlten uns bei ihm einfach nicht so gut aufgehoben. Er war einfach ein Punk-Rock Typ. Er hat nicht wirklich verstanden was wir erreichen wollten. Bill auf der anderen Seite hat die Musik die wir spielen mit erfunden. Wir fühlen uns sehr wohl bei ihm und er ist im Grunde das fünfte Mitglied der Band. Nicht nur er, auch Jason Livermore. Beide sind tolle Musiker und haben großartige Ideen. Davon abgesehen sind sie auch gute Freunde von uns. Wenn wir bei ihnen aufnehmen, können wir sicher sein, dass sie wissen was wir wollen. Das ist sehr wichtig wenn man aufnimmt.

Wie würdest du in einem Wort beschreiben wofür Rise Against stehen?

Uff… hmm. Das ist eine schwere Frage. Ich denke „Change“. Wir wollen die Leute zum Nachdenken bringen. Ich weiß, dass wir nicht alle unsere Fans auf diese Weise erreichen aber wir hoffen, dass die meisten unserer Fans zu unserer Show kommen oder unsere CD hören und zumindest angepisst sind von den Dingen mit denen sie nicht einverstanden sind und versuchen sie zu verbessern.

Es ist lustig, dass du gerade „Change“ sagst. Das war ja schließlich einer der Slogans des Obama Wahlkampfs.

Oh, ja. Stimmt.

Glaubst du, dass ihr als Band oder vielleicht auch Punk-Rock allgemein einen Einfluss auf den Ausgang der Wahl gehabt haben?

Ich weiß nicht. Ich hoffe es auf jeden Fall. Wir haben auf die letzten Monate auf Tour viel darüber geredet und die Leute zum Wählen animiert. Dabei war uns primär egal für wen sie stimmen, wichtig war nur, dass sie wählen gehen und sich eine Meinung bilden. Das Problem in Amerika ist, dass die Jungen oft nicht zur Wahl gehen. Dieses Mal war die Wahlbeteiligung der jungen Wähler aber auf einem Rekordniveau. Vielleicht hatten wir tatsächlich einen kleinen Einfluss auf die Wahl.

Wie hat sich dein Leben seit der Veröffentlichung von „The Unravelling“ verändert?

Eigentlich nicht besonders. Ich bin inzwischen verheiratet und habe Kinder. Abgesehen davon zieh ich aber immer noch alles so durch wie immer.

Ich meinte eher im Sinne von dem Einfluss, den euer gesteigerter Bekanntheitsgrad mit sich bringt.

Ja, das merken wir natürlich. Aber wir spielen schon so lange in dieser Band, dass es uns nicht wirklich als große Veränderung erscheint. Unsere Band ist jetzt sicherlich auf einem anderen Niveau und ich muss mir keine Sorgen machen ob ich morgen den Kühlschrank voll bekomme. Ich persönlich habe mich aber nicht besonders verändert. Manchmal kann es passieren, dass ich auf der Straße erkannt werde. Das ist seltsam, aber im Grunde auch völlig in Ordnung.

Was würdest du machen wenn du nicht bei Rise Against spielen würdest?

Keine Ahnung. Das ist es was ich mache und das ist auch das einzige was ich kann. Vielleicht würde ich an einer Tankstelle arbeiten. Ich habe schon immer in Bands gespielt. Vor Rise Against war ich in einer Band Namens Pinhead Circus. Wir hatten einen Vertrag mit BYO und haben dort zwei Alben veröffentlicht. Damals war ich so 17/18. Das war meine erste Band mit der ich auch auf Tour ging und in Europa war.

Welche Bands hörst du dir privat an?

Eine Band, die ich mir in letzter Zeit sehr gern anhöre, ist Bedouin Soundclash. Diese Jungs sind genial. Das entspannt mich nach Shows immer sehr. Das ist eine Abwechslung zu dem was man sonst den ganzen Tag hört. Es ist schön ruhig.

Ihr kommt bald in Europa auf Tour. Freust du dich darauf?

Oh ja, wir lieben Europa. Die Fans da sind immer sehr gut zu uns. Ich mag es, die verschiedenen Länder zu sehen. In den Staaten hier sind wir im Prinzip ja auch Europäer die hierher kamen und ein neues Land gegründet haben. Wir haben also keine echte Geschichte. Es ist für uns also sehr interessant zu sehen wo unsere Vorfahren her kamen. Es ist einfach wunderschön dort. Die Shows sind auch immer sehr gut. Ich mag es im Ausland zu spielen.

Wo spielst du am liebsten?

Wahrscheinlich in meiner Heimatstadt in Denver. Da gibt es eine Open-Air Arena die wirklich sehr schön ist. Wir haben da letztes Jahr gespielt. Das war ziemlich toll.

Hast du noch letzte Worte?

Vielen Dank an die Fans die das hier lesen und Rise Against hören.

Rolf Gehring

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