Oceansize - Everyone Into Position
Das Debut "Effloresce" war ein später Knaller 2003, die Tour im Vorprogramm von Aereogramme eine Offenbarung und die "Music For Nurses"-EP ein willkommener Happen, der den entstanden Hunger nach mehr nicht wirklich stillen konnte. Und jetzt ist es endlich da, das heissersehnte Nachfolgealbum - und enttäuscht erstmal. Wäre es das Debut einer unbekannten Band, würde es wohl auf Anhieb gefallen, so muss es sich aber am Vorgänger messen lassen und zieht dann doch den kürzeren. Nach den ersten Durchgängen war ich also erst mal etwas ratlos, so ab dem achten Durchgang, nach mehrmaligem Abhören eröffnete sich mir das Material dann aber. Ich hatte wohl die Fortsetzung vom Debut erwartet, die Band hat sich aber weiterentwickelt und ihre Qualitäten wie Komplexität, Eigenständigkeit und Tiefe noch weiter herausgearbeitet. Der erste Song "The Charm Offensive" dient dann auch als eine Art Ouvertüre. Mit sanfter Stimme, die mich etwas an den Silverchair-Sänger erinnert, schleicht sich der über siebenminütige Song langsam an, lullt einen ein und kommt dann etwa nach fünfeinhalb Minuten mit den gewohnten riesigen Gitarrenwänden (immerhin kann man mit drei Gitarristen ja auch aus dem Vollen schöpfen) und geschrienen Gesangspassagen zum Einreißen. Es folgt mit "Heaven Alive" die erste Singleauskopplung, die erneut elektronische Bässe einsetzt und mit dem melodischen und eingängigen Refrain eine naheliegende Wahl war. Beim dritten Song kennen die Jungs aus Manchester aber schon wieder keine Gnade, Schonzeit vorbei und hier toben sie sich dann aus, allen voran der Sänger in bester Mike Patton-Manier. Ansonsten ist das hier wieder gehaltvoll wie das Debut, eine Spielzeit von über 66 Minuten, nur ein Song ist unter fünf Minuten lang, viele deutlich länger, einer bringt es sogar auf satte neuneinhalb Minuten - ohne künstlich gestreckt zu wirken oder gar zu langweilen. Und das Schildchen Prog Rock trägt die Band völlig zu recht am Revers, jedoch gleiten sie nie in selbstgefälliges Gefrickel ab, hier passiert auf musikalischem Level aber jederzeit so viel, daß man wirklich bei jedem Hören wieder Neues entdeckt. Vermeintlich schräge Harmonien, Rhythmen und Takte, dazu ein ordentliches Pfund Bombast - intelligente Rockmusik nennt man das dann wohl und somit reihen sich die Jungs dann neben Bands wie Pink Flyod ein. Das ist hier ganz großes Kino für die Ohren und ich krieg jetzt schon ein feuchtes Höschen, wenn ich an die Tour im Oktober denke! (tj)