Aereogramme
Köln an einem trüben Tag Anfang Januar. Das neue Album von Aereogramme ?My Heart Has A Wish That You Would Not Go? erscheint in ein paar Wochen und eine Hälfte der Band weilt in Karneval-City, um der angereisten Presse ausführlich Auskunft zu geben. Treffpunkt ist ein Hotel in Bahnhofsnähe und als ich pünktlich dort eintreffe, ist von der Band erst mal nichts zu sehen. Ich gehe an einer Bar vorbei, in der aber nur zwei Leute in schicken Anzügen mit einem Begleiter gepflegt an ihren Drinks nippen, das können sie nicht sein... Nach kurzer Zeit steht der Begleiter aber auf, kommt auf mich zu und stellt sich als Promoter vor. Wir gehen zusammen zum Tisch, und tatsächlich, die beiden Herren in den schicken Anzügen sind Craig B. und Campbell, Sänger/Gitarrist und Bassist der schottischen Bartträgerfraktion ? da hat sich offensichtlich nicht nur musikalisch einiges getan... Die Herren trinken Scotch, ich Wasser; einem guten Interview steht - außer dem derben schottischen Akzent der beiden - nichts mehr im Wege!
HD: Der offensichtlichste und größte Unterschied des neuen Materials im Gegensatz zu Euren vorherigen Alben, ist das völlige Fehlen von geschrieenen Vocals und der fast gänzlich zusammengeschmolzene Anteil an verzerrten Gitarrenparts. Wie kommts?
Craig: Das gabs zwei Hauptgründe und es war eine ganz bewusste Entscheidung. Ich hatte diese richtig derben Halsprobleme. Für fast vier Monate konnte ich überhaupt nicht singen. Wir kamen von einer Tour zurück und sollten eigentlich gleich mit einer Europatour weitermachen, mussten das Ganze dann aber absagen, weil das obere Segment meiner Stimme einfach komplett weg war. Ich denke, das lag an der permanenten Belastung auf Tour und da hat sie sich einfach verabschiedet. In dieser Zwangspause fingen wir dann notgedrungener Weise mit neuen Songideen an. Ich probierte ein paar Sachen auf der Akustikgitarre und die arbeiteten wir dann zusammen aus. Da ich aber nicht schreien konnte, war es ganz natürlich für uns die neuen Songs ohne Geschrei anzugehen. Diesen Songs im nachhinein noch heftige Vocals hinzuzufügen, schien uns dann aber völlig unnötig und unnatürlich. Es war also eine ganz bewusste Entscheidung. Und da die verzerrten Gitarren ähnlich unpassend waren, nahmen wir von denen auch Abstand, es war einfach eine natürliche Weiterentwicklung.
Campbell: Ich glaube wir wollten auch erst gar nicht versuchen wieder ähnliche Songs wir vorher zu machen. Wir wollen Musik machen, die düster und intensiv ist, ohne auf dem bereits gemütlich ausgetretenen Pfaden zu verbleiben, auf denen wir das vorher gemacht haben. Ich glaube immer noch, dass das Album sehr intensiv, vielleicht sogar intensiver als unsere vorherigen ist, aber es ist jetzt so, dass wir das Material mehr für sich selber sprechen lassen, anstatt uns nur immer dieser Methode zu bedienen auf die Verzerrer zu treten und dann abzudrehen. Nach drei Jahren beinahe ununterbrochenem weltweiten Touren, hinterfragten wir einfach dieses Geschrei und die harten Gitarren, es schien uns gar nicht mehr so heftig oder punky. Und obwohl ich die alten Songs immer noch sehr gerne live spiele, erschien es uns allen wenig verlockend ins Studio zu gehen und weitere Songs dieser Machart zu produzieren. Wir haben uns ganz andere Ziele mit diesem Album gesteckt und das ist auch einer der großen Vorteile auf einem Indie-Label, Du kannst machen was Du willst! Wir haben also beschlossen unseren Sound zu limitieren und Sachen herauszunehmen und aus diesen Zutaten ein sehr faszinierendes, reines und intensives Album zu machen.
HD: Es sind ja nun nicht notwendigerweise weniger Zutaten als vorher. Ok, Ihr habt ein paar Sachen herausgenommen, aber auf dem Album kommen Blechbläser vor und der Streicheranteil wurde immens erhöht?
Craig: Da hast Du natürlich recht. Ich muss auch sagen, dass wir, als wir uns für diesen Weg entschieden hatten, schon wussten das es ein gewisses Risiko ist, weil es eben hiess nicht wieder die gleichen Tracks aufzunehmen. Aber dieses Risiko war leicht in Kauf zu nehmen, denn es wäre ebenso gefährlich gewesen ein Album aufzunehmen, bei dem später jeder das Rezept quasi schon gekannt hätte und wir somit berechenbar und langweilig geworden wären. Wenn ich also jetzt auf diese Zeit zurückschaue, dann bin ich so froh, dass wir uns so entschieden und dieses Album gemacht haben.
HD: Als ich das Album bekommen habe und tags drauf der Chefredakteur fragte, wie ich es denn finde, hab ich irgendwas in die Richtung ?Schon gut, aber die Kerle haben wohl ihre Gitarren daheim vergessen und im Lotto gewonnen, hört sich alles so nett an!? gesagt. Nach mehrmaligem Hören hat sich dieser Eindruck aber immens geändert?
Craig: Ich denke es ist ohne Zweifel ein Album, das man nicht gleich nach dem ersten Hören erfasst. Das finde ich auch sehr gut so, das ist ähnlich wie mit einem guten Film!
Campbell: Wir erwarten, für eine Band mit unserem Status, schon einiges von den Leuten. Andererseits haben wir jetzt auch nicht soo viel zu verlieren. Wir wollten einfach ein Album machen, mit dem wir glücklich sind. Klar kann man die neuen Songs kommerzieller nennen, wobei ich lieber von zugänglicher rede, aber bei einer Band wie uns, macht es an sich eh keinen Sinn von Sellout zu reden. Es ging für uns immer nur darum das Album zu machen, das uns vorschwebte.
HD: Aber ich nehme an, dass es schon den Punkt des Zögern gab, wo Ihr Euch überlegt habt ?Moment mal, wir trennen uns hier von Parts, die früher elementar in unserem Sound waren, was werden die Leute denken??
Craig: Klar, natürlich.
Campbell: Klar, aber wir hatten eh schon immer das Gefühl, dass wir mehr Leute mit unserem Sound verwirrt haben, als wir tatsächlich überzeugt haben. Wir haben uns also gedacht, dass wir, wenn wir ein homogenes, ganzheitliches Werk schaffen würden, anstatt verschiedene Genres zusammenzuklatschen, würden wir vielleicht mehr Leute mit der gleichen Nachricht erreichen können. Es ist nach wie vor sehr intensive, emotionale Musik. Man muss sich halt ein bisschen damit beschäftigen, etwas darüber nachdenken und es am besten mehrmals mit Kopfhörern versuchen.
Craig: Wie Campbell eben schon gesagt hat, und das soll jetzt nicht undankbar klingen, wir hatten echt nichts zu verlieren. Wir waren und sind noch immer in der Lage, in der wir schon immer waren. Auf einem Indie-Label, immer noch Jobs neben der Band um uns finanziell über Wasser zu halten; es kann also an sich keinen Rückschlag geben.
HD: Und wie sind so die ersten Reaktionen aufs Album? Ich hab zwar schon einige Meinungen im Forum auf Eurer Homepage gelesen, aber das sind ja Leute, die sich ohnehin für die Band begeistern und auch willens sind Zeit zu investieren um es zu verstehe...
Craig: Ja, die Leute sind wie Freunde oder Familie ? man kann ihnen nicht trauen! (lacht)
Campbell: Ich würde sagen es sind nahezu 90% positive Rückmeldungen seither. Wir werden sogar hier und da im Radio gespielt, was seither noch nie passiert ist! Das war zwar nichts auf das wir speziell abgezielt haben, aber es war schon ne große Überraschung. Wir waren seither wohl eine Band deren Name hier und da gefallen ist, die man dann aber nicht im Radio gehört hat und man wohl auch eher keine CDs ins heimische Regal gestellt hat. Das könnte sich mit diesem Album jetzt ändern, nicht dass wir es darauf angelegt haben, aber das ist doch cool. Wer möchte mit seiner Arbeit schon absichtlich wenig Leute erreichen, wenn jetzt mehr Leute unsere Musik hören sollten, ist das doch prima! Wir wollen an unserer Kultur teilhaben und möglichst viele Leute erreichen und genau das scheint mit dem neuen Album zu passieren, wenn man die bisherigen Reaktionen mal zu Grunde legt.
Craig: Ich warte eigentlich schon jeden Tag irgendwie darauf, dass das umschlägt, das läuft schon fast verdächtig gut (alle lachen). Aber es ist schon sehr ermutigend. Die Leute sind scheinbar recht offen. Ich dachte immer sie sehen uns als eine Metalband ? die wir nie waren! Wir hatten Metal-Elemente, ok... Bisher hat auch nur einer im Forum geschrieben, dass er uns eben gerade für diese Metal-Elemente geliebt hat, und da versteh ich es ja völlig, dass er mit dem neuen Material nicht so viel anfangen kann. Es ging bei Aereogramme aber schon immer um so viel mehr als um diese Geschrei-Ausbrüche.
HD: Ich habe von einem Bonustrack namens 'Dissolve' gelesen, den es aber nur auf der Vinyl-Single von ?Barriers? und auf der Japanversion des Albums geben wird ? ganz schön gemein, oder?
Campbell: (lacht) Ja, ist schon ein bisschen gemein. Aber mal ehrlich, mir hat der Song eh nicht gefallen! Genau deswegen landete er auch nicht auf dem eigentlichen Album ? hat den jemand anderes gemocht?
Craig: Hmm, Ian mag ihn richtig gerne! Wir müssten einen Song rausschmeißen, und das war dann eben der Song, der nicht so recht zum restlichen Album und dessen Spannungsbogen passte. Wir haben uns sehr viel Gedanken über das auf und ab von Song zu Song gemacht und 'Dissolve' war eben der, bei dem es irgendwie stockte. Wir hatten schon ruhige Momente auf der CD und 'Dissolve' war eben der allerruhigste...
Campbell: Er hat einfach die Balance zerstört. Diese speziellen Japan-Versionen haben den ganz einfachen Grund, dass CDs dort sehr teuer sind und eine Menge Steuern draufgeschlagen werden und deswegen wird für den japanischen Markt immer irgendwelches Bonusmaterial verlangt. Ich fand das schon immer doof, denn wir geben uns immer besonders viel Mühe ein rundes Album zu kreieren und insofern bringen irgendwelche Bonustracks das Konzept völlig durcheinander. Richtig bizarr wird's dann mit dem Neil Diamond Album. Das heißt schon ?12 Songs?, und dann packen die da Bonustracks drauf!!! Sowas regt mich richtig auf... Bei unserem Debut haben sie dann einfach die ?White Paw EP? mit draufgepackt, dass heißt nach dem letzten regulären Song kommen dann noch sechs Songs, die eigentlich eher so bessere B-Seiten sind...
HD: Das mit den Japan-Versionen versteh ich ja noch halbwegs, was ich aber völlig unverständlich finde, ist dass das Album in Japan bereits Im Oktober raus kam! Der Trend geht doch weltweit eher in Richtung überall am selben Tag veröffentlichen, so von wegen ins Internet stellen etc.
Campbell: Das haben WIR auch nicht verstanden!
Craig: Naja, irgendwie ist es ja doch so, dass man jedes Album vorher im Netz ziehen kann. Als das Album in Japan veröffentlicht wurde, war das gleichzeitig, wie im UK die Promos verschickt wurden.
Campbell: Die Kids im UK haben es trotzdem in Japan gekauft, und auch als wir Ende letzten Jahres die Visions-Party in Bielefeld gespielt haben, da haben uns Leute die Japan-Version zum unterschreiben hingehalten ? das muss die über 30 Euro gekostet haben die dort zu bestellen! Cool, dass die das machen, aber das Geld hätte man sich doch auch sparen können und sich zwei reguläre Alben kaufen können.
Craig: Weißt Du, ich seh die Sache so, wenn man Fan einer Band ist... Wir sind zum Beispiel total begeistert von ... And You Will Know Us By The Trail Of Dead, wenn wir also mitbekommen, dass deren neues Album schon im Netz zu haben ist, dann wollen wir das natürlich hören, weil ich die Band eben liebe! Wenn das dann aber tatsächlich ein schrecklich schlechtes Album wäre, dann - traurig aber wahr - ja, dann würden wir es uns nicht kaufen. Aber wenns ein großartiges Album ist, dann werd ich mir das auch auf jeden Fall kaufen! Ich denke also schon, dass dieser frühzeitige Japan-Release seine Auswirkungen hatte, aber andererseits kann es auch gar nicht schaden, dass sich die Nachricht von den neuen Songs verbreitet. So spricht sich jetzt schon nach und nach rum, dass sich Aereogramme verändert hat. Klar zunächst mal heißt es, dass wir viel softer geworden sind, aber dann heißt es auch immer schnell, dass es fantastische Songs sind. Wenn sich das also nach und nach verbreitet ist das doch auch eine gute Sache!
HD: Was ist denn aus dem Song 'The End' geworden? Den habt Ihr doch schon live gespielt, er ist jetzt aber nicht auf dem Album gelandet? Habt Ihr den noch in der Hinterhand als Bonustrack oder ähnliches?
Craig: Stimmt, wir haben den Song live gespielt und ich glaube auch irgendwo bei einer Session mal aufgenomen. Aber als es dann ans neue Album ging, gab es einfach stärkeres Material und wir haben den Song außen vor gelassen.
HD: Ich hab gelesen, dass der Albumtitel ?My Heart Has A Wish That You Would Not Go? eine Referenz an den Film ?Der Exorzist' ist. Das Ihr filmbegeistert seid ist nun wahrlich nichts neues, aber ich für meinen Teil hätte bei dem Film nicht sofort an Eure Musik gedacht... Wieso also gerade eine Verbeugung in diese Richtung?
Campbell: Zunächst muss mal gesagt werden, dass der Titel ein Zitat aus dem Buch ist, das so nicht im Film zu finden ist - obwohl der selbe Autor, der das Buch geschrieben hat auch fürs Drehbuch verantwortlich war. Er hat sich also quasi selbst zensiert. Er hat dieses wundervolle, poetische Statement im Film in 'Ich wünschte, Du würdest nicht gehen' abgeändert. Darüber haben wir dann im Studio bei den Aufnahmen geredet. Ich würde den Kerl wirklich gerne fragen, warum er das gemacht hat. In der Zeile schwingt so viel mit, Hoffnung, Verzweiflung und viele andere Sachen. Das hat uns irgendwie berührt, als wir das Album aufgenommen haben.
Craig: Für mich persönlich, ist es jetzt, wo ich nach den Aufnahmen darüber nachdenke, auch gar nicht so, dass ich, wenn ich an den Film denke, an einen Horrorfilm denke. Das steckt viel mehr dahinter als grüne Kotze, die aus einem kleinen Mädchen bricht. Und somit ist der Albumtitel auch keine Horrorreferenz, es ist eher eine Filmreferenz.
Campbell: Ich seh den Film auch überhaupt nicht als Horrorfilm. Das ist eine faszinierende Studie über die Beziehungen von Menschen und Freunden und wie weit sie für ihre Freundschaft und ihren Glauben bereit sind zu gehen. Das meine ich jetzt gar nicht religiös, da gehts um generelle Fragen des Lebens. Insofern finde ich auch, dass es sehr gut zu diesem Album passt...
HD: Klar, jetzt wo Ihr das so herleitet, macht das durchaus Sinn!
Craig: Aber Du hast schon recht, das ist etwas irreführend. Aber tatsächlich ist es so, dass jeder Song des Albums eine Referenz zu einem bestimmten Film oder Genre haben sollte. Insofern ist der Albumtitel eben auch nur eine weitere Referenz. 'Trenches' sollte z.B. dieses Zweiter Weltkrieg-Ambiente haben, wir stehen total auf 'Band Of Brothers' (läuft bei uns gerade unter dem Namen 'Wir waren wie Brüder' im Fernsehen ? Anmerk. d. Verf.) ...
Campbell: 'Running Man' verweist auf die ganzen 80er-Jahre SciFi-Filme... Das war überhaupt so eine Vorgabe, die wir uns selbst gemacht haben mit dem Album. Jeder Song musste diesem Plan cineastisch gerecht werden. Deswegen klingt das Album auch so...
HD: Dann ist es also ein Konzeptalbum?
Craig: Mit einem kleinen k, ja! (beide lachen) Es hat natürlich nicht die 70er-Jahre Prog-Ausmaße, aber es ging uns eben um diesen filmischen Ansatz. Wir wollten, dass die Leute, wenn sie es z.B. über Kopfhörer hören, irgendwie diese filmischen Assoziationen haben würden. (lacht wieder) Ich muss immer noch lachen, wenn ich das so explizit erkläre, denn eigentlich haben wir schon auf unserem ersten Album riesige Filmreferenzen untergebracht, da haben wir Kubricks 'The Shining' gesampelt, Und bei der letzten EP, die wir veröffentlich haben, 'Seclusion', haben wir dann sogar das Rattern eines Projektors und der Filmrolle eingebaut um es auch wirklich offensichtlich zu machen ? und trotzdem hat es immer noch keiner geblickt! (beide lachen wieder). Auf dem neuen Album sollte also jeder Song irgendwie auf einen Film verweisen. 'Exits' sollte an den 'Solaris'-Soundtrack von Cliff Martinez erinnern, weil wir seine Arbeit so schätzen. 'Barriers' hat so eine Vampir-Ball-Stimmung; da wussten wir zunächst nicht, wie wir das filmisch zuordnen sollen, aber es passt ideal zu diesen Ballszenen in Vampirfilmen.
HD: Diese 80er-Jahre Keyboards bei 'Running Man' haben mich bei den ersten paar Durchläufen immer verwirrt, die passten für mich irgendwie nicht zum Song...
Craig: Ging mir beim ersten Hören ganz genauso!
HD: Später hat es dann aber geklickt und es hat gepasst, wobei ich schon auch ne Film-Assoziation hatte, aber eher an John Carpenter-Filme gedacht habe.
Craig: Ja, klar, cool... Das passt doch genauso, wir lieben Carpenter! Der Song war auch einer der wenigen, die wir erst im Studio geschrieben haben...
Campbell: Es ist natürlich auch extrem praktisch jemanden wie Ian in der Band zu haben, der seinen Lebensunterhalt mit dem Schreiben von Filmmusik verdient. Andere Bands müssten erst mühsam jemanden auftreiben, der diese Skills hat. Müssten ihn bezahlen und wüssten dann erst nicht, ob er sie richtig verstanden hat. Das ist schon eine ziemlich einzigartige Situation, dass unser Gitarrist eben auch Filmkomponist ist.
HD: Wenn jeder Song einem bestimmten Film zuzuordnen ist, an welchen Film habt Ihr dann bei 'Nightmares' gedacht? Denn der ist mal richtig offensichtlich filmartig.
Campbell: Für mich ist das ein Clint Mansell-Song, also so in Richtung 'Requiem For A Dream', wo also wirklich alles vor die Hunde geht und falsch läuft.
HD: Oh Gott, das ist einer der härtesten Filme, die ich je gesehen habe! Hab ich nachts mal beim Umschalten zufällig gesehen und hat mich völlig fertig gemacht.
Craig: Dito, einer der extremsten Kinoerfahrungen, die ich je gemacht habe. Zum ersten Mal wollte ich mir im Kino die Augen zuhalten, damit ich das nicht mit ansehen muss... Der Song hat aber einen ganz realen Bezug. Denn er bezieht sich auf eines der düstersten Kapitel unserer Tourgeschichte. Da lief wirklich alles schief und wir haben richtig um irgendeine Erlösung gebettelt, ohne dass das je beantwortet wurde. Man war einfach auf die Hoffnung angewiesen, dass sich etwas ändern möge. Das ist auch ziemlich bizarr, denn als das geschrieben wurde, fuhren wir durch Texas. Und zwar mitten durch einen unglaublichen Sturm. Und es gingen gleich mehrere Sachen schief, sowohl auf persönlicher als auch auf fahrtechnischer Ebene. Wir haben geschlafen um etwas zu vermeiden und ich wurde von diesen wirklich intensiven Alpträumen heimgesucht. Das ist heute noch so präsent wie ein Film, ich kann die Szene förmlich in meinem Kopf sehen; wie der Van jenseits jeglicher Zivilisation in der Wüste diesem immensen Sturm entgegenfährt. Das war für mich also schon immer eine sehr filmische Erinnerung.
Campbell: Den Song tragen wir auch schon ne ganze Zeit mit uns herum, es ist definitiv der älteste Song auf dem Album und er wollte und wollte einfach nicht verschwinden und hing für etwa drei Jahre an uns dran. Wir wollten ihn eigentlich schon auf 'Seclusion' unterbringen.
HD: Ein weiterer filmischer Verweis ist das Artwork. Das ist wiederum eine Referenz an Saul Bass (Diverse Titles, Plakate und auch Filme für Hollywood, u.a. 'Spartakus', 'Vertigo', 'Psycho', 'Rosenkrieg', 'Good Fellas'). Jemand dessen Name kaum einer, dessen Arbeit aber unterbewusst fast jeder kennt. Wer hat das Cover aber nun gemacht?
Craig: Ein Typ aus London namens Samuel Baker. Ein echter Glücksfall. Wir haben ihn auf die Arbeit von Saul Bass hingewiesen und er hat das genau richtig verstanden und dieses Artwork gebastelt.
HD: Craig, ich hab schon gedacht, dass Du das Artwork vielleicht selbst gemacht hast, denn auf Eurer Homepage kann man sich ein paar Beispiele Deiner Arbeit anschauen.
Craig : Nee, lass mal. Ich versuche das zwar immer mal wieder, stell mich aber total doof an, wenns um die ganzen Voraussetzungen geht, wenn man das dann später auch mal drucken, weiterverarbeiten und meinetwegen für Websites verwenden will. Ich mache so was total gerne, aber wenn ich's gemacht hätte, hätte unser Cover dann wohl Briefmarkengröße gehabt oder etwas anderes in der Art wäre passiert. Ich sollte auch längst Shirtdesigns gemacht haben, aber das wird ähnlich enden, so winziger Druck, dass man es später gar nicht mehr erkennen kann.
HD: Seeehr stylish! (alle lachen)
Craig: Oh, genau; das war ja so geplant!! (lacht)
HD: Craig, auf Deiner MySpace-Seite hab ich gelesen, dass Du Dich auch für Comics interessierst. Die Figur auf dem Cover erinnert mich etwas an Mike Mignola...
Craig : Oh, da hast Du recht, ist auf jeden Fall was dran! Aber mal im Ernst, ich war ziemlich enttäuscht von der Verfilmung... (es folgt ein längerer Exkurs über Guillermo del Torro und seine Filme, das führt etwas zu weit vom eigentlichen Thema ab ? Anmerk. d. Verf.)
HD: Was mich auch mal interessieren würde, ist wie Ihr Jungs eigentlich als Band arbeitet, denn soweit ich weiss, wohnt Ihr doch gar nicht alle in Glasgow...
Craig: Oh, das hat sich erst vor kurzem geändert...
Campbell: Unser Drummer ist nach London gezogen, was die Sache schon etwas problematisch macht. Aber bis vor ca. sechs Monaten haben wir alle in Glasgow gewohnt. Normalerweise läuft es so, dass Craig seine Songs mit der akustischen Gitarre macht und in neun von zehn Fällen landen diese Songs dann auch ziemlich in der Form, wie er sie geplant hat auf dem Album. Aber die Arrangements bleiben im groben schon die gleichen.
Craig: Wobei sich für mich mit dem neuen Album da einiges geändert hat. Die Songs hab ich nämlich zum ersten Mal größtenteils auf dem Computer geschrieben, was ich vorher noch nicht gemacht hatte.
Campbell: Ich denke das hat auch zu dem vergrößerten Raum beigetragen...
Craig: Genau, ich war eben auch nicht so auf die Gitarre angewiesen wie früher. Ich hab da aber noch viel zu lernen, ich bin immer noch total schlecht am Computer.
Campbell: Jedenfalls bekommt dann jeder Demos von diesen Songideen und kann selbst daran arbeiten und die eigenen Ideen einbringen, bevor man sich dann nach ein paar Wochen wieder im Proberaum trifft, wo man sich dann zwei Monate lang über die Songs streitet (lacht) und weiter an den Songs arbeitet. Und dann kanns losgehen mit den Albumaufnahmen.
HD: Wenn Ihr dann im Studio seid, stehen die Songs dann zu 100% oder verändert sich da dann noch viel?
Campbell: Besonders bei diesem Album hat sich im Studio noch sehr viel geändert. Wir haben die Songs geschrieben und parallel dazu aufgenommen, was an sich eine sehr unübliche Vorgehensweise ist, und ich wüsste auch kaum andere Leute, außer mir, die das so gemacht haben. Das hat uns ermöglicht gleichzeitig an einzelnen Songs und am Song selbst zu arbeiten. Viele der Sachen, mit denen ich während des Aufnahmeprozesses beschäftigt bin, beschäftigen sich mit dem Klang der einzelnen Signale. Also wie eine Snare oder eine Gitarre klingt. Ich hab mich also schon mit den Sounds beschäftigt, während noch an dem Songwriting der einzelnen Tracks gearbeitet wurde. Nach einem Monat hatten wir also schon sehr stark aussagekräftige Demos der Songs. Dann haben wir erst mal ein paar Tage Pause gemacht und uns dann wieder getroffen und uns wieder ans Material gesetzt und wieder angefangen neu aufzunehmen und die Fehler auszumerzen. Ich denke, daran liegt es auch, dass wir jetzt so glücklich mit dem Album sind, denn bei den vorherigen Alben haben wir immer am Stück aufgenommen und uns dann hinterher geärgert, dass wir dieses oder jenes nicht anders gemacht haben.
HD: Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, dann habt Ihr, wie bei der ?Seclusion?-EP auch schon, selbst produziert?
Craig: Ja. Und da sind wir wieder bei dem vorher bereits erwähnten Vorteil, dass Ian eben diese Erfahrungen durchs produzieren von Soundtracks hat. Jeder in der Band hat seine Aufgabe und wenns ums Produzieren geht, hab ich keine Ahnung!
Campbell: Und da ich sonst als Toningenieur arbeite, kümmere ich mich eben um die Sounds. Aber es ist natürlich immer so, dass wir uns gegenseitig die Meinung sagen und uns austauschen. Das funktioniert sehr gut und reibungslos.
Craig: Das ist auch so eine Sache, dass es zwischen uns einfach funktioniert. Wir sind zusammengewachsen, kennen uns jetzt seit sieben Jahren und sind von Anfang an dabei. Ich hab mehr Zeit mit den Jungs verbracht als mit jeder Freundin, und das teilweise auf engstem Raum in nem Van.
HD: Bei unserem letzten Gespräch haben wir uns damals auch über künstliche und echte Streicher unterhalten und dass man den Unterschied heutzutage eigentlich kaum noch feststellen kann. Besonders bei 'Barriers' klingt die Violine aber so echt, dass ich mir gar nicht vorstellen kann, dass man das programmieren kann, sind das echte Streicher?
Craig: Nö, bis auf eine Passage sind keine echten Streicher auf dem Album. Und das ist, wie Du ganz richtig erkannt hast, das Solo von 'Barriers'.
Campbell: Naja... das kommt ganz darauf an, was man meint, wenn man von künstlichen Streichern spricht. Die genannte Passage hat wohl tatsächlich jemand eingespielt, aber wir haben das so dermaßen bearbeitet, dass das nur noch wenig mit dem ursprünglichen Signal zu tun hat. Das war auch so eine Sache, die mir total wichtig war, dass man eben nicht mehr so genau sagen kann, was nun echt oder generiert ist; denn das war mir persönlich schon immer völlig egal.
HD: Naja, früher, als die Technik noch nicht so ausgereift war, war es aber auch relativ einfach echte von ?falschen? Streichern zu unterscheiden...
Campbell: Mir klangen die Streicher auf dem Album sogar schon zu echt und ich wollte, dass sie mehr nach generiertem Material klingen. Denn ich hatte diesen spezifische ?FakeStringSound? von vielen meiner Lieblingsalben aus den 80ern im Hinterkopf, z.B. von Depeche Mode oder Skinny Puppy. Was wir also gemacht haben, ist dass wir einen sehr echten mit einem sehr künstlichen Sound gemischt haben um das jetzige Ergebnis zu erzielen.
HD: Wenn Ihr ein Album aufgenommen habt, dann gibt's bestimmt Favoriten und Songs, die einem vielleicht nicht so wichtig sind. Ich denke aber, Ihr würdet keinen Song auf das Album packen, den Ihr gar nicht mögt. Sowas kann sich aber ganz offensichtlich ändern. Gerade wenn man von der bereits erwähnten ?Seclusion?-EP und dort insbesondere vom Song 'Inkwell' spricht... Den mögt Ihr wohl nicht mehr so richtig...
Craig: Da triffst Du den Nagel auf den Kopf, denn da diskutiere ich mit Ian gerade darüber. Denn der hat gesagt, dass er den Song wohl mag. Ich hab ihn dann aber gefragt, ob er ihn auch live spielen möchte, und da war er dann auch schon nicht mehr so enthusiastisch! (lacht) Wer weiss, was wir uns gedacht haben als wir den Song geschrieben haben. Aber als wir ihn dann live gespielt haben, haben wir uns alle irgendwie schlecht gefühlt. (schmeißen sich beide weg vor Lachen).
Campbell: Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir den Song zum ersten Mal live gespielt hab und ich danach einfach das Gefühl hatte, dass das falsch war, dass da was nicht passt.
Craig: Und es gibt auch nichts, was wir mit dem Song hätten anstellen können, weil er nämlich einfach nichts weiter als ein Pop-Song ist.
HD: Der Song wird sich also eher nicht auf der Setlist der kommenden Tour finden...
Craig: Nee! Aber ganz ehrlich, da gibt's mittlerweile ne Menge Songs, die wir nicht mehr mögen.
HD: Ich hab kürzlich ein Zitat des Schriftstellers John Updike gelesen, wo er sagte ?Ohne meine Schuppenflechte wäre ich ein langweiliger Kerl geblieben?. Glaubt Ihr, dass es ein besonderes Schicksal braucht um das in Kreativität umzumünzen? Ne Menge Künstler sagen ja von sich, das sie ne harte Kindheit hatten oder in der Schule eher o die Außenseiter waren...
Craig: Hmm... keine Ahnung! Ich denke mal, dass ein durchschnittliches, normales Leben nicht unbedingt zum allerinteressantesten Song oder zu besonders interessanter Kunst im Allgemeinen führt...
Campbell: ... es könnte aber durchaus ein besonders erfolgreiches Stück werden!
Craig: Ich suche grad nach eine entsprechenden Beispiel... In der Kunstszene gibt es nämlich durchaus viele Künstler, besonders in der Modernen Kunst, die gar kein besonders verrücktes Leben hatten. Die wissen einfach, wo ihr Sparte ist und arbeiten darauf hin.
Campbell: Und genau so läuft das mit Musik doch genauso. Es gibt Bands, die genau wissen, was beim Publikum ankommt und das bringen sie dann eben auch in Perfektion, schau Dir Snow Patrol an. Die verkaufen ne Menge Alben und das ist auch schön für sie, aber ich denke, da fehlt Tiefe und da werden nicht viele wirkliche Gefühle verarbeitet. Natürlich haben die Talent, keine Frage, aber das ist eher Handwerk als Herzblut...
Craig: Was mir, wenn ich ehrlich bin, viel mehr aufstößt, sind die ganzen Bands die vorgeben sonderlich 'sauer', 'kaputt', 'arm dran' oder was auch immer zu sein. Und das kann alles sein; Celine Dion, die vorgibt diesen herzzerreißenden Liebessong zu singen, den sie ganz offensichtlich eben nicht lebt, sondern die eine entsprechende Vorstellung gibt; oder genauso gut die unzähligen, mistigen Emo-Bands. Und da sind wir dann auch wieder beim Schreien ? warum und weswegen schreien die? Mann kann doch nicht auf jedem Album über alles und jeden nur schreien, kein Mensch ist so angepisst! Meist ist das auch ziemlich offensichtlich, wenn Leute nur vorgeben etwas zu sein, oder zu durchleben; andererseits kann man genauso gut erkennen, wenn jemand so richtig angepisst oder durchgedreht ist, so was lässt sich nicht imitieren.
HD: ... aber um auf die Frage zurück zu kommen, glaubt Ihr, dass es notwenig ist ein auslösendes Moment zu haben?
Campbell: Keine Ahnung... ich denke schon.
Craig: Ich bin mir da nicht sicher. Das ist eine der Sachen... ach ich weiss nicht ? jetzt fangen wir wieder an übers Sterben zu sprechen (lacht)...
Campbell: ... das ist so ein Insider, wir haben kürzlich lange darüber gesprochen und dann entschieden mal damit aufzuhören...
Craig: Ich hab halt eine sehr, sehr pessimistische, düstere Art das Leben zu betrachten, die ich an sich wirklich gerne ändern würde, ich versuchs seit Jahren, aber es haut nicht hin. Wobei, vielleicht hab ich's auch nur noch nicht richtig probiert. Brauch ich das um Songs zu schreiben? Ich hab keine Ahnung, denn ich kenns ja gar nicht anders! Ich schreibe sehr gerne Songs und ich benutze diese gewissen schwarzen Gedanken auf jeden Fall, wobei ich benutze sie nicht, das ist einfach das, was herauskommt!
HD: Du kannst also gar nicht anders?
Craig: Würd ich so auch nicht sagen. Und das ist ein weiteres Geheimnis des neuen Albums, denn hier versuche ich zum ersten Mal diese Gedanken zu kontrollieren ? und es ist für mich ganz offensichtlich und klingt ganz logisch in meinem Kopf, ich versuch mal es zu erklären... Bei ?Sleep And Release? gings mit dem Geschrei einfach darum diesen Ärger, die Niedergeschlagenheit und die Frustration herauszubrüllen. Mit diesem Album jetzt geht's mehr darum das alles zu kontrollieren und einen Weg heraus zu finden ? und genau darum gehts auch im Song 'Exits'. Wenn man erst mal akzeptiert das alles scheiße ist, dann ist das für sich schon befreiender als seinen Kopf ohne Unterlass gegen die Wand zu schlagen. Man setzt sich hin und zieht Bilanz, was man erreicht hat, was die eigentliche Situation ist und was man daraus machen kann. Das ändert nichts daran, dass nach wie vor alles scheiße läuft, aber man hat aufgehört mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen und erkennt und akzeptiert die Situation. Das birgt eine gewisse Hoffnung. Ich will auch gar nicht absichtlich, dass die Leute meine Schmerzen nachempfinden, das ist einfach nur das, was dabei herauskommt!
Campbell: Wenn man in dem Zusammenhang mal über Slayer redet, die ja an sich wirklich eine unantastbare Legende sind. Aber was die im Laufe ihrer Karriere an Alben mit purem Hass und Aggression gefüllt haben... die tun mir schon fast wieder leid! Ich hoffe für sie, dass das nur Teil des Berufs ist, denn ansonsten wärs ja schon bitter, man muss doch irgendwann auch mal weiterkommen.
Craig: Wobei, wieso sollten Slayer das ändern? Und ich nehm dem das auch ab, ich glaub der hat einfach einen an der Waffel!
HD: Ich glaube, die sind einfach in dieser Rolle gefangen und müssen immer wieder ähnliches abliefern.
Craig: Ja und nein, ich denke, die sind sich schon ziemlich bewusst, das es für sie ganz gut funktioniert sich mit den Christen anzulegen. Ich denke Tom Araya ist sich dessen voll bewusst und der ist auch ein sehr entspannter Mensch. Aber Jeff Hannemann oder eben auch Kerry King hört man selten in Interviews sprechen.
HD: Aber die schreiben die Texte! Und Araya scheint sogar richtig lustig uns sympathisch zu sein ? und völlig christlich!
Craig: Naja, der ist auch Katholik!
HD: Du meinst also bei Araya ist es mehr so ne Art Job, die seine Rechnungen zahlt?
Craig: Ja, die Kaputten sind aber Hannemann und King! Hey man lässt sich auch nicht den ganzen kahlrasierten Schädel zutätowieren, wenn man das nicht irgendwie ernst meint!
HD: Vor ein paar Monaten kam lange Zeit nach der eigentlichen Aufnahmesession auch endlich die Zusammenarbeit mit Isis auf den Markt. ?In The Fishtank #14? heisst die EP, die drei gemeinsam eingespielte Song enthält. Eine fantastische CD, die aber kaum promotet wurde, erzählt doch ein bisschen was dazu...
Campbell: Diese Fishtank-Reihe ist ein Projekt eines niederländischen Kleinstlabels, die in den letzten zehn Jahren schon viele andere tolle Bands in ihrem Studio zusammengebracht hat. Sie haben uns gefragt, ob wir Lust hätten an so einem Projekt teilzunehmen und eine EP in 40 Stunden aufzunehmen. Wir waren gerade mit Isis auf Tour, die uns gefragt hatten, ob wir nicht mit ihnen touren wollten, was ganz fantastisch war. Und als die Anfrage für diese CD kam und wir uns aussuchen konnten mit welcher Band wir das machen wollten, haben wir gleich Isis ins Spiel gebracht und so kam alles ins Rollen.
Craig: Wir kennen das Label Konkurrent auch schon lange, sind ganz gut befreundet und die sind einfach so... holländisch! (alle lachen) Und deswegen lief auch alles so entspannt und es gab keinen Stress.
Campbell: Und trotzdem, gerade auch in Deutschland, beide Bands recht bekannt sind, ist es irgendwie total untergegangen...
Craig: ... sehr merkwürdig alles! Ich hab auch schon ganz den Überblick verloren, wie viele Leute mich schon darauf angesprochen haben, dass sie gar nicht wussten, dass das Album raus ist, bzw. wo sie es bekommen können. Es war eigentlich gar nicht als Geheimnis gedacht! (lacht)
Campbell: Da gabs vorher auch schon ein paar richtig gute CDs in der Reihe und ich bin eigentlich auch mit unserem Beitrag recht zufrieden, wenn man bedenkt, wie wenig Zeit wir hatten. Da trafen einfach neun Leute aufeinander und versuchten aus dem Nichts heraus ein Album zu machen.
Craig: Es war nämlich im Vorfeld überhaupt noch nichts für das Album geschrieben oder ausgearbeitet worden.
Campbell: Es war auch rein vom Ablauf und von der Zusammenarbeit her total interessant. Ich mache jetzt seit acht Jahren mit niemand anderem außerhalb Aereogramme zusammen Musik und man ist da schon recht eingefahren. So hielt sich Begeisterung und Frustration auch ziemlich die Waage bei dem Projekt. Es gibt z.B. eine Menge Sachen an Isis, das ich liebe, die sie aber partout nicht machen wollten! Ich wollte, dass der Sänger schreit, weil ich seine Stimme so liebe, aber er ist da eben auch mit einem gewissen Bild davon angekommen, was er machen wollte, und Schreien gehörte da eben nicht dazu! Da gabs diese Bläserpassage und alles, was ich da hören wollte, war Aaron Turners Schreien, das wäre so der Hammer gewesen ? aber er wollte nicht, er hats nicht mal versucht ? der Bastard! (lacht)
Craig: Das Interessante bei der EP ist, dass viele Leute die harten Passagen Isis zuschreiben, die in Wahrheit aber von uns kamen.
Campbell: Und es gibt wiederum viele Leute, die denken, dass wir das Album mit unseren ruhigen Parts kaputt gemacht hätten! Da niemand weiss, wer was gemacht hat, war das sehr lustig die Rezensenten dabei zu beobachten, wie sie sich völlig verrannten. Und obwohl man das als Musiker ja nie zu Herzen nehmen sollte, konnte sich Ian nicht beherrschen und hat sich an den einen Schreiber gewandt, weil der halt so völlig daneben lag und nur Mist geschrieben hat...
Craig: Er hat uns für den Gesang beim zweiten Song kritisiert und das war nun mal nicht ich, da hat Aaron gesungen!
Campbell: Aber ich bin schon sehr glücklich mit dem Album, es sind ein paar gute Songs drauf.
Craig: Ich denke, die Leute haben auch etwas ganz anderes, wahrscheinlich härteres erwartet. Nur das Cover nervt, wir hätten gerne nen fiesen Tintenfisch oder Schwertfisch gehabt und haben schließlich 'Findet Nemo' bekommen! (lacht)
HD: Was ich mich schon immer gefragt habe: Ihr scheint ein besonders Verhältnis zu Deutschland zu haben. Ihr tourt halbwegs regelmäßig hier und Ihr habt in Eurem Forum auf der Homepage sogar einen speziellen, deutschsprachigen Bereich ? sieht man auch nicht oft!
Campbell: Wir sind hier sogar am erfolgreichsten! Wir sind auch daheim oder in den Staaten ganz gut dabei, aber in Deutschland läuft es echt am besten für uns. Ich hab da auch keine Erklärung dafür, es ist aber wohl einfach so, dass unsere Musik hier besser, als sonst irgendwo ankommt!
HD: Und wie geht es dann nach der Deutschlandtour im Februar weiter?
Campbell: Wir sind von April bis Mai in den Staaten unterwegs, danach kommen wir dann für ein paar weitere Shows im UK zurück und spielen dann das ein oder andere Sommerfestival. Danach dann wieder UK-Dates...
HD: Auch Festivals in Deutschland?
Campbell: Hoffentlich! Es sieht ganz gut aus, aber wir haben noch nichts bestätigt!
HD: Craig, als letzte Frage: Was passiert, wenn Euer neues Album in ?'The Wire' (britische, sehr elitäre Musikzeitschrift, am ehesten mit dem deutschen Spex vergleichbar, Anmerk. d. Verf.) besprochen wird?
Craig: Oh, da wäre ich mal richtig überrascht!
HD: Nein, nein, ich will, dass Du mir das hier ins Mikro sprichst, was Du letztens verkündet hast!
Craig: Auch, Du meinst die Roman Herzog Referenz (Stammregisseur von Klaus Kinski, Anmerk. d. Verf.), ok, wenn das Album da ne Besprechung bekommt, dann esse ich meinen eigenen Schuh und poste eine Aufnahme davon bei YouTube!
HD: Siehste, da drück ich dann schon mal die Daumen, das würde ich gerne sehen!
Thomas Jentsch
www.aereogramm.co.uk
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Interview: Interview mit Craig B. (Sänger, Gitarrist) (2003)
Review: Sleep and Release, 2003 (tj)
Review: Seclusion, 2004 (rg)
Review: My Heart Has A Wish That You Would Not Go, 2007 (tj)
Live-Review: 11.12.2003, Würzburg - AKW
Live-Review: 24.05.2003, München - Backstage
Live-Review: 14.12.2004, Stuttgart - Schoken
Live-Review: 20.02.2007, Nürnberg - Hirsch