Mastodon - The Hunter
Mastodon sind eine Band, die die Dinge anders angeht, als viele ihrer Musikerkollegen, und seit ihrer Gründung im Jahr 2000 waren sie stets bemüht, neue Wege zu beschreiten. Da sie dies genauso gut wie kompromisslos vollzogen, wurden sie schnell dafür bekannt, sich keinesfalls durch Schubladen oder Grenzen in irgendeiner Form in ihrer Kreativität einschränken zu lassen, und immer für eine Überraschung gut zu sein. Ihr fünftes Studioalbum „The Hunter“ führt diesen Usus fort, unter anderem durch die Verpflichtung von Produzent Mike Elizondo, der zuletzt mit Leuten wie 50 Cent und Eminem zusammenarbeitete. Außerdem handelt es sich um das erste Nichtkonzeptalbum der Herrschaften aus Atlanta, welches sich erstmals mit anderen Themen als den vier Elementen beschäftigt. Aber durch den Tod von Brents (Gitarre) Bruder im Vorfeld der Aufnahmen, hat man erneut eine Familientragödie zu verarbeiten, ähnlich wie beim Vorläufer „Crack The Skye“, der sich mit dem Ableben von Branns (Schlagzeug) Schwester auseinandersetzte. Dieses Mal allerdings auf eine ganz andere Art und Weise, denn Mastodon wenden sich bewusst ab von ihren zuletzt recht vertrackten und oft überlangen Kompositionen und begeben sich gezielt auf die Jagd nach zugänglicheren Ansätzen. Sie offenbaren in ihrem neuen Material eine bisher ungekannte Klarheit und Spontanität, und auch inhaltlich begegnet man der Welt mit einer weniger ernsthaften, stellenweise beinahe kindlichen Sichtweise, ohne aber jemals in allzu seichte Gewässer abzudriften. Aus vielen der Stücke spricht ein teils plakativer, teils eher hintergründiger Humor, der eine weitere bisher unbekannte Seite dieser Band zutage fördert. „Black Tongue“ gebührt die Eröffnung der Platte, und es wird ohne Umschweife deutlich, in welchen Jagdgründen „The Hunter“ wildert: Kurze Songs, ebenso schöne wie eindringliche Melodien, häufig und gut platzierte Hooks; und vor allem tauchen hier zum ersten Mal diese triumphalen, fast epochalen Momente auf, die im weiteren Verlauf zum Leitmotiv der Platte mutieren werden. Die sich anschließende erste Singleauskopplung „Curl Of The Burl“ ist ein brillant ausgeknobelter Hit, inklusive Ohrwurmrefrain und enormem Dauerbrennerpotential – wahrscheinlich der eingängigste Mastodon-Song überhaupt. Mit dem furiosen „Blasteroid“ beweist der Vierer aber, dass er seine ungestüme, harte Seite keinesfalls vergessen hat. Das Stück explodiert nach der ersten Strophe regelrecht und galoppiert wild davon. Mit eher proggigen Tracks wie „Stargasm“, „Dry Bone Valley“ und insbesondere „All The Heavy Lifting“ (grandioser Titel übrigens) wirft man einen Blick zurück auf das verspielt abgedrehte Vorgängeralbum, ohne sich aber in ausufernden Details zu verlieren. Ein weiters Highlight dieses Silberlings verbirgt sich hinter „Spectrelight“, einem wilden Dreiminutenritt durch treibendes Riffing und einen wahren Schlagzeugsturm. Als Gegensatz dazu führen die Herren ihre Hörerschaft aber gelegentlich auch auf ruhigere Pfade, die von melancholisch verträumt („The Sparrow“) bis überbordend episch wie bei „Creature Lives“ reichen können, wobei Letzteres auch sehr bizarr und ungewohnt simpel klingt, und mir persönlich nicht wirklich zusagt. Eine positive Überraschung sind allerdings die durchaus beachtlichen Gesangsleistungen, die ja in der Vergangenheit nicht immer frei von Kritik waren, und es ist auch herauszuhören, dass Bassist Troy vermehrt am Mikrofon präsent ist und hier für eine echte Bereicherung sorgt. Ob „The Hunter“ nun das beste Album der vier Amis ist oder nicht, bleibt wohl abschließend dem persönlichen Geschmack des einzelnen Hörers überlassen. Wer diese Musik bisher mochte, wird auch dieses Album mögen, und wem „Crack The Skye“ eventuell zu abgefahren war, wird es höchstwahrscheinlich sogar lieben. Außer Frage steht aber, dass Mastodon ein beeindruckend episches, sehr emotionales Stück Musik erschaffen haben. Progressiv nach vorne ausgerichtet, ohne ihr Hauptmarkenzeichen – diesen typischen, bandeigenen Sound – einzubüßen. Es gibt nicht viele Musiker, die das von sich behaupten können, und somit ist ‚Die Neue Mastodon’ ein meisterliches, aber auch mutiges Werk, das die Bandtradition, mit Traditionen zu brechen uneingeschränkt fortführt. (cj)