Nachdem Walls Of Jericho mit ?All Hail The Dead? ihr zweites Album seit vier Jahren veröffentlichten und dies ein absoluter Knaller in Sachen Hardcore geworden ist war es klar, dass ich mich mit Frontfrau Candace zu einem Plausch treffen musste. Das Gespräch fand in Wil bei schönem Wetter vor dem Club statt. Candace erwies sich dabei als überaus nette Gesprächspartnerin.
Wie läuft die Tour bisher?
Sie läuft ziemlich gut bis jetzt. Wir hatten viele Hochs und nur wenige Tiefen. Es gab einige sehr lange Fahrten aber im Grunde haben wir sehr viel Spaß.
Sind die Shows gut besucht?
Ja, die Shows sind im Schnitt recht gut besucht und vor allem die Festivals waren umwerfend.
Welche Festivals habt ihr denn gespielt?
Das With Full Force natürlich, dann das Unleashed Hell Festival, Pressure und Fury Festival. Wir werden noch auf dem Dour Festival spielen.
Zwischen dem letzten Album und dem aktuellen ist viel Zeit vergangen. Warum denn das?
Ja, das stimmt. Das Debüt erschien ich glaube im Jahr 2000 oder so. Es liegt also bereits vier Jahre zurück. Wir hatten uns für zwei Jahre praktisch aufgelöst weil wir keinen passenden Drummer finden konnten und unser alter Drummer ans andere Ende des Landes gezogen ist. Alexis, unser neuer Drummer, lebte für eine Weile in Deutschland. Als er zurück kehrte hat er uns angerufen und wir haben wieder angefangen zu spielen.
Habt ihr in der Zwischenzeit andere Projekte gehabt?
Nein, ich nicht. Ich habe Vollzeit gearbeitet. Chris, Mike und Aaron hatten eine Band namens ?All Gone To Hell?.
Stand es jemals in Frage überhaupt mit der Band weiter zu machen?
Nach ein paar Jahren fängt man auf jeden Fall an sich zu denken, dass daraus wohl nichts mehr wird. Wir wollten es aber immer versuchen. Sogar als Alexis anrief haben wir uns erst überlegt eine neue Band zu gründen. Wir haben aber mit Mike und Aaron geredet und sie hatten immer noch Bock auf Wall Of Jericho. Also haben wir beschlossen weiter zu machen.
Euer aktuelles Album heißt ?All Hail The Dead?. Was kannst du dazu sagen?
Es wird sehr viel Metal und Mosh geboten. Aber auch ein guter Mix aus schnellen Old-School Youth Crew Sachen und etwas Rock. Es ist sogar etwas richtigen Gesang zu hören, wobei das Meiste natürlich Geschrei ist. Die Texte sind wesentlich erwachsener würde ich sagen. Ich war noch auf der High-School als das erste Album erschien. Es war diesmal eine großartige Erfahrung im Studio. Wir waren dort einen ganzen Monat. Es war schön wieder etwas gemeinsam geschaffen zu haben an das wir alle glauben.
War der Prozess zum Album ein anderer als beim ersten Album?
Es war ein bisschen anders. Unser Gitarrist Chris hat nichts zum Songwriting der ersten Platte beigetragen und Alexis natürlich auch nicht. Es waren also zwei neue Leute an Bord die beide etwas Neues beigetragen haben. Alexis mag sehr dieses ganze Rock und Metal Zeug was er als Einfluss eingebracht hat. Chris hat ebenfalls viele Songs auf dem Album geschrieben. Ich persönlich finde es sehr viel besser als alles was wir früher gemacht haben.
Teilweise streut ihr melodischen Gesang ein. Bist du das?
Ja, das bin alles ich. Es gibt einen Part in ?Through The Eyes Of A Dreamer? bei dem eine Freundin von mir Backup Vocals singt. Aber das eigentliche singen stammt alles von mir.
Möchtest du das in Zukunft noch häufiger machen?
Ja, vielleicht. Ich singe sehr gern. Hoffentlich können wir mehr in dieser Richtung machen. Wir denken gerade darüber nach eine EP zu machen die sich von dem anderen Zeug abhebt und mehr Gesang enthält. Im Moment haben wir aber überhaupt keine Zeit für so was da wir nonstop auf Tour sind. Ich mag es sehr zu singen, aber nicht unbedingt so wie auf dem Song ?Angel? vom Debüt. Ich mag nicht so sehr das melodische singen, ich mag es mehr wenn es rockt, so wie auf ?Revival Never Goes Out Of Style?. In diesem Song schreie ich nicht so sehr, aber es ist auch kein rein melodischer Gesang. In dieser Richtung möchte ich gern mehr machen. Aber das Schreien bleibt definitiv der Schwerpunkt.
Du hast gemeint die Texte seien erwachsener. Wovon handeln sie?
Als ich jünger war konzentrierte ich mich etwas mehr auf politische Texte. Unsere Band ist aber keine politische Band. Wir sind aber auch keine Emo Band und deshalb will ich das Wort emotional nicht benutzen. Wir reden über Situationen aus dem Leben. Das ist es worüber ich schreiben will. Ich will Texte schreiben die direkt ?in your face? sind und die jeder sofort versteht. Nicht diese kryptischen Texte mit Halbaussagen die man erst deuten muss um etwas daraus ziehen zu können. Jeder hat seine Probleme und seine Art mit ihnen umzugehen. Ich glaube jeder kann mit unseren Themen etwas anfangen. Ich sage einfach mit was ich zu kämpfen habe und wie ich versuche damit umzugehen. Hoffentlich können die Leute etwas damit anfangen und etwas für sich daraus ziehen.
Ist das für dich eine Art Selbstheilung für dich?
Ich denke alles was man tut ist eine Art Selbstheilung. Jeder Text den man schreibt wirkt heilsam. Ich habe ein paar Reviews gelesen in denen geschrieben wird meine Texte seien zu selbstheilerisch und sich darüber mokieren. Das ist Blödsinn. Ich bin einfach ehrlich und schreibe was mich in meinem Leben bewegt. Ganz egal was. Ich versuche nicht ein Therapeut für jemanden zu sein ich versuche nur etwas auszusagen mit dem andere vielleicht auch etwas anfangen können. Situationen aus dem echten Leben, nicht so eine beliebige Scheiße wie es sie seit Jahren gibt.
Liegen dir bestimmte Themen besonders am Herzen?
Ein Thema über das wir immer reden ist Vergewaltigung. Darüber haben wir immer etwas zu sagen, auf jeder CD von uns ist ein Song darüber. Der Song ?Another Anthem For The Hopeless? handelt von dem Opfer einer Vergewaltigung. Es scheint nämlich so als ob man sich immer nur auf den Täter konzentriert und ihn bestrafen will. Man vergisst dass es da immer noch jemanden gibt der leidet. Sie ist die wichtige Person, nicht der Täter. Der ist nur ein Stück Scheiße. Es ist wichtig dass jemand für sie da ist mit dem sie reden kann und vertrauen hat. Das ist ein Thema das wir immer sehr betonen.
Ist schon mal jemand zu dir gekommen der dir gesagt hat, dass deine Texte ihm oder ihr geholfen haben?
Ja, das passiert schon ab und zu. Das ist mir total wichtig, denn das ist es doch worum es im Grunde geht.
Warum habt ihr ?A Day And A Thousand Years? noch mal neu aufgenommen?
Er stand
einfach auf der Liste. Das ist etwas was wir immer tun. Auf der EP war auch
ein Song vom Debüt neu aufgelegt. Wir spielen den Song noch immer auf unseren
Shows und es ist einfach ein sehr guter Song den wir sehr mögen. Das sind
Songs die uns über die Zeit sehr wichtig werden und uns begleiten. Wir
wollen einfach, dass die Leute auch mit ihnen in Verbindung bleiben. Leute die
uns erst jetzt kennen lernen werden sich die neue CD und nicht die alte besorgen.
Wir wollen einfach sicherstellen, dass die Kids den Song kennen wenn wir spielen.
Es scheint ganz gut zu laufen für euch?
Ja, es läuft wesentlich besser als wir es erwartet haben. Wir versuchen einfach Spaß zu haben und tun was wir können um voran zu kommen. Wir haben einige sehr gute Chancen bekommen. All diese Festivals spielen zu können ist schon großartig.
Wie definierst du für dich persönlich Erfolg?
Alles was ich will ist Shows zu spielen, ganz egal wie groß. Die Leute sollen mitsingen und Spaß an unseren Shows haben. Das ist Erfolg.
Ich hab noch ein paar Fragen die deine Rolle als Frau in einer Hardcore Band betreffen. Du bekommst solche Fragen wohl andauernd zu hören und ich hoffe es ich OK für dich?
Ja klar, leg los.
Hardcore ist im Allgemeinen eine sehr männlich dominierte Angelegenheit. Was sind für dich Hindernisse oder Schwierigkeiten in der Szene?
Da hab ich eine Geschichte auf Lager. Ich werde jetzt keinen Ort oder Namen nennen, aber es war ein wahres ?Würstchen-Fest?. In dem ganzen Laden waren vielleicht vier Mädchen. Ich dachte mir schon meinen Teil. Ich fragte mich warum so wenig Mädchen in dieser Szene sind. Als wir dann spielten fand ich heraus warum. Ich wurde von allen Seiten begrapscht, am Hintern, an der Brust, überall. Einmal wurde ich sogar geschlagen. Es war absolut außer Kontrolle. Das ist ein Hindernis für mich. Ich möchte jetzt nicht alle Männer über einen Kamm scheren, aber viele Männer wollen nicht von einer Frau dominiert werden. Wenn ich auf der Bühne stehe bekommen sie Angst. Sie denken, dass ich die Kontrolle übernehme oder so. Dann bekommen ihren Powertrip und fangen an Gemeinheiten zu rufen oder zu grapschen. Dadurch wollen sie ihre Macht die sie vermeintlich über mich haben demonstrieren. Jede Frau hat in den meisten Situationen damit zu kämpfen. Im Hardcore und im Metal ist es aber mit Sicherheit am schwierigsten, da es hier so wenige Frauen gibt. Aber mir ist das egal. Scheiß auf diese Typen. Das ist warum ich Hardcore mache. Irgendjemand muss diesen Typen doch klarmachen wie dämlich ihr Verhalten ist. Egal ob Mann oder Frau, es geht um Hardcore, es geht um die Musik und um die Texte. Sei ein Teil davon oder verschwinde.
Hat sich das über die Jahre verändert?
Nein, überhaupt nicht. Als wir angefangen haben gab es außer mir fast kein Mädchen das in einer echten Hardcore Band gesungen hat. Die Leute fragten sich also permanent wie ich klingen würde. Heute gibt es mit Sicherheit mehr Frauen im Hardcore und die Männer scheinen den Frauen heute eher eine Chance zu geben und sich die Band anhören anstatt sie schon im Vorfeld zu verurteilen. Das hat sich vielleicht etwas gebessert. Aber wie ich schon sagte, nicht jeder Mann ist so. Viele haben sehr viel Akzeptanz. Die Meisten eigentlich.
Denkst du, dass du dich mehr beweisen musst als ein Mann?
Ja, das mit Sicherheit. Manchmal muss man hart sein damit man nicht untergeht. Ich denke das Verhältnis ist 60 zu 40. Bei 40% der Leute muss man stark sein die anderen 60% sind normale Leute wie sie sein sollten und die mich akzeptieren weil es einfach egal ist ob ich eine Frau oder ein Mann bin. Das ist aber schon in Ordnung, denn so bin ich von Haus aus gebaut. Ich lass mir von niemandem den Weg versperren.
Welchen Rat würdest du einem Mädchen geben, die in einer Band singen will?
Tu es einfach. Wenn du es machen willst und es in deinem Herzen ist, dann mach es einfach. Sei aber darauf vorbereitet zu kämpfen.
Gibt es eine lustige oder verrückte Tourgeschichte die du erzählen willst?
(lacht) Da gibt es schon ein paar, aber was kann ich nur in der Öffentlichkeit erzählen? Das hier ist jetzt einfach nur blöd aber wir lachen darüber immer sehr viel. Wir waren auf einer Show und der Backstage Bereich war voll mit Band-Graffiti. Jede Band die dort je gespielt hatte hat sich dort verewigt. Es gab dort ein Bild von einem Typ namens Frank. Es war ein simples Comicbild. Ein Kreis mit Brille und Bart. Jede Band die dort spielte hat dieses Bild aufgegriffen und etwas daraus gemacht. Wir haben Frank´n Roses gemalt. Das ist jetzt eigentlich nicht so lustig, aber wir machen das jetzt in jedem Club in dem wir spielen. Überall wird ein neuer Frank gemalt. Es scheint auch so, als ob das alle anderen Bands das auch tun und so entstehen lustige Dinge. Man kommt in einen Club und da ist dann ein Frank von Hope Conspiracy. Das sind Dinge die einem die Tour versüßen.
Was sind eure Zukunftspläne?
Nach dieser Tour spielen wir erst auf dem Hellfest und gehen dann einen Monat mit Fear Factory auf Tour in den Staaten. Wir werden dann wohl noch etwas in den Staaten mit kleineren Bands touren. Dann kommen wir zurück nach Europa um auf der Resistance Tour zu spielen. Dann wollen wir vielleicht versuchen ein neues Album zu schreiben.
Habt ihr schon Ideen für ein Album?
Wir versuchen auf Tour zu schreiben was ziemlich schwierig ist, aber wir haben ein paar Ideen mit denen wir herum spielen.
Ok, das wäre es dann auch schon von mir. Hast du noch abschließende Worte?
Nein, nichts. Danke.
Das Interview wurde von
Rolf Gehring geführt.
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