HARMFUL
Interview mit Harmful vom Freitag, 22. März im Club Komma in Esslingen
Nachdem
ich die Jungs eine Woche vorher in Böblingen bei System of a down getroffen
habe, wurde dort bereits das Interview klar gemacht und ein paar Tage vor dem
Gig per Mail nur noch kleinere Details wie Gästeliste koordiniert. Hat
dann auch alles wunderbar geklappt, der Club war leicht zu finden, Gästeliste
kannte den Namen und kurz nach Eintreffen saß ich schon in einem Raum
im ersten Stock des Clubs einem entspannten Aren Emrize gegenüber, Sänger,
Gitarrist und ein Drittel von Harmful.
Nachdem wir uns Mitte Januar das letzte Mal gesprochen hatten, und es zu dem
Zeitpunkt noch zur Diskussion stand, dass die Hessen bei ein paar Dates von
System of a Down im Vorprogramm zu sehen wären, galt meine erste Frage
den Gründen warum es dann doch nicht geklappt hat.
"Ja, schade eigentlich, das war ne schwierige Sache. Nachdem ich die Band ja schon seit der ersten Tour mit Slayer kenne (Aren ist wie System of a Down auch Armenier), hatten wir uns Hoffnungen gemacht dabei zu sein, da wurde dann auch wild kontaktet zwischen den entsprechenden Managmenets und Bookern in Deutschland, England und den USA. Dann hat aber der System-Gitarrist Dillinger Escape Plan als Vorgruppe für die ganze Tournee ausgekuckt und als zweite Vorgruppe war auch nix zu machen...".
Im Gegensatz zu dem Tourverhalten nach der Veröffentlichung des letzten Albums Counterbalance, wo der Dreier viel als Vorgruppe mit größeren Acts wie z.B. Machine Head, Haggard und Iggy Pop unterwegs war, gings im zweiten Teil der Counterbalance-Tour als Headliner auf die Walz und das wurde nach der Veröffentlichung von Wromantic auch so beibehalten, Absicht oder fehlender Support seitens des Labels?
"Neinnein, das hat nix mit dem Label zu tun, das ist schon Absicht so. Als Headliner kann man sich viel besser präsentieren und sein Ding durchziehen, wir sind ganz glücklich mit der Situation. Ist auch die Frage, ob man so viel neue Hörer gewinnt, wenn man einfach nur auf irgendeine Tour mitgeschickt wird, wenn dann muss das schon ne gute Kombination sein, System wärs gewesen...".
Überhaupt zeigen sich Harmful in ihrem Tourverhalten sehr basisnah. Wenn ich mir so manche Undergroundband anschaue, die kaum, dass sie eine eigenproduzierte CD am Start haben schon anfangen sich aufzuführen wie die Helden, einen Monsterstab aus Roadies, Licht- Merch- und Tonmann mit sich rumziehen und nur noch für astronomische Festgagen spielen wollen, dann lob ich mir doch Harmful, die zu dritt in nem VW-Bus unterwegs sind, ihr Zeugs selber aufbauen, ihr Merch selbst verkaufen und auch sonst alles andere als Rockstars sind. Bei diesem Low-Budget Verhalten drängt sich natürlich die Frage auf, wies um die Finanzen steht, viel Geld ist so doch wohl nicht verdient, haben die Jungs nebenher Normal-Jobs?
"Teilsteils, das hängt immer von mehreren Faktoren ab, wenn wir viel unterwegs sind, ist es natürlich einerseits nicht möglich nebenher noch ner geregelten Beschäftigung nachzugehen, andererseits auch nicht nötig, denn dadurch, dass wir eben nicht so den riesen Stab zu finanzieren haben, bleibt von der Gage immer viel bei uns hängen. In Phasen, in denen wir nicht so viel spielen, kanns schon mal sein, dass ich Gitarrenunterricht gebe oder die Jungs nebenher kellnern. Chris macht ein Praktikum bei nem Architekten. Niko hat außerdem Familie und muss schauen wo er bleibt." Bei Chris hätte ich irgendwie ne Beschäftigung im Computerbereich vermutet, schließlich ist er zu großen Teilen an der Gestaltung und Pflege der Homepage beteiligt...
Beim Konzert im Januar schrie aus dem Publikum jemand der Band Helmet entgegen.
Aren reagierte ganz cool, meinte irgendwas in die Richtung, dass die wohl ganz
cool wären, fragte dann aber ob das Publikum Prong kennt, die wären
wirklich geil... Da scheinen wir dann wohl der selben Meinung zu sein, hat der
Harmful Sänger auch von der Reunion gehört?
"Ja, ich habs gelesen, schon schön, da ne tolle Band, aber andererseits auch nicht so toll, denn außer Tommy Victor (dem Sänger und Gitarristen) ist ja keines der Ex-Mitglieder dabei, wenigstens Ted Parsons (der Drummer, spielt mittlerweile bei Godflesh und Killing Joke) hätte dabei sein müssen. Überhaupt gibt es zwischen uns und Prong durchaus Parallelen in der Entwicklung. Prong haben auch zunächst relativ unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit zwei Alben (Force Fed und Primitive Origins) und dann mit dem dritten (Beg to differ) einen Meilenstein veröffentlicht. Nach einem weiteren guten Album (Prove you wrong) kam dann mit Cleansing und der Über-Single Snap your fingers der Durchbruch auf breiter Ebene." "So solls bei uns auch laufen!" merkt er noch verschmitzt an - womit wir beim neuen Album wären, beim Soundcheck in Backnang hab ich doch schon nen neuen Song gehört? "Stimmt, wir haben schon ein paar neue Songs und werden bald ins Studio gehen um ein Demo aufzunehmen."
Fragt sich warum ein Demo nötig ist, ist man nicht mehr bei BMG unter Vertrag?
"Im Prinzip ja aber... BMG muss noch die Option aufs nächste Album aussprechen, deswegen die Demo-Songs damit die sich ein Bild machen können, was sie erwartet."
Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn BMG sich das entgehen lassen würde. Schließlich hat sie die Band nun seit zwei Alben kontinuierlich aufgebaut und in sie investiert. Die Verkaufszahlen gehen stetig nach oben, mit Österreich und der Schweiz wurden kürzlich neue Felder live bestellt und somit auch dort die Absätze ordentlich angekurbelt. Es wäre ja mehr als kurzsichtig und wirtschaftlich unschlau, wenn die BMG Harmful ziehen lassen würde und somit einem Independent Label, das die Band sicher sofort unter Vertrag nehmen würde, die Ernte überlässt. Was haben die Leute denn vom nächsten Album zu erwarten?
"Harmful haben sich über die Distanz von nunmehr 4 Alben stetig entwickelt. Kein Album war nur eine Kopie des letzten. Nachdem wir als Noise Band gestartet sind, wars bald eher Noise Rock, dann Alternative Noise Rock und so wird's weiter gehen."
Nachdem Du den Anteil an Gesang im Gegensatz zum Anteil an Geschrei mit jedem Album vergrößert hast geht es also weiter in Richtung mehr Melodie, das Alternative wird also mehr betont werden?
"Kann man so sagen, obwohl ein finales Urteil natürlich erst möglich ist, wenn man Distanz zum Album hat. Die bisherige Entwicklung hast Du aber korrekt beschrieben."
Mittlerweile ist Nico mit einem Bekannten zu uns gestoßen, es wird munter über die Prong-Reunion geredet und das eigentliche Interview ist hiermit beendet; auf meine Frage nach aktuellen Alben, die die Beiden mögen kriege ich außer jeder Menge Nennungen zum Thema schlechte Alben nur die neue System of a Down genannt, was nichts wirklich neues ist... Zum Abschluss noch ne kurze Frage an Aren. Ich hab mich beim Lesen von Harmful-Texten und -Songtitel immer gefragt, ob er zweisprachig aufgewachsen ist, oder mit Absicht nach Wörtern sucht, die einem beim normalen Englischgebrauch eher selten begegnen (z.B. noxious, apoplexy, impalpable, lugubriously usw.).
"Ertappt, ich bin nicht zweisprachig aufgewachsen und hab schon immer mit Absicht Wörter gesucht, die sich nicht sofort erschließen. Mittlerweile hat das aber nachgelassen, sowohl bei den Texten als auch bei den Titeln solls eher gut erschließbar sein und hängen bleiben." Im Gespräch mit Chris später nach dem Konzert wurde noch etwas über die nähere Zukunft gesprochen. Demnach geht's nach ein paar ausstehenden Gigs ins Studio um die sechs neuen Songs aufs Band zu bannen - wobei nicht klar ist, wie viele der Songs es in den vier zur Verfügung stehenden Tagen, aufs Demo schaffen. Danach ein paar Sommerfestivals und dann ran an die neue Scheibe... Dein Wille geschehe!!
Das Interview wurde von Thomas Jentsch geführt.
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