An Caliban scheiden sich immer wieder die Geister. Tatsache ist aber, dass sie zu den erfolgreichsten deutschen Metalcore Bands zählen. Ihr neues Album „I Am Nemesis“ zeigt die Band nach einer etwas längeren und wohl auch wichtigen kreativen Pause so stark wie schon lange nicht mehr. Ich konnte Gitarrist Marc Görtz einige Fragen zum Album stellen.
Ihr habt euch für euer neues Album „I Am Nemesis“ deutlich mehr Zeit gelassen, als bei den Alben davor. Was waren die Gründe dafür?
Wir hatten einen deutlich höheren Anspruch an das neue Album! Ich wollte neue Wege gehen, ohne dabei unsere Roots zu vergessen und habe erst mal lange rumprobiert bis ich das Ergebnis gefunden hatte, was mir vorgeschwebt hat. Durch den hohen Anspruch an uns selbst sind auch sehr viele Songs oder Songideen in den Müll gewandert, insgesamt werden das ca. 50 gewesen sein, wovon wir letztendlich nur zwölf fertig produziert haben.
Hatte die längere „Reifezeit“ einen Einfluss auf die Songs selbst?
Auf jeden Fall! Nach dem Auswahlverfahren, wie eben erwähnt, ist an den vorhandenen zwölf nochmals lange gefeilt worden. Ob es die Songs selbst oder die Texte waren. Allein der Feinschliff hat glaube ich so lange gedauert, wie sonst ein ganzes Album, haha.
„I Am Nemesis“ klingt in meinen Augen deutlich fokussierter und zielsicherer als „Say Hello To Tragedy“. Es scheint so, als ob ihr dieses Mal ein klareres Ziel vor Augen hattet. War das wirklich so?
Ja, es sollte quasi ein Konzept Album werden, mit viel Abwechslung, ohne den roten Faden zu verlieren.
Auf dem neuen Album ist viel Typisches zu hören aber definitiv auch Neuerungen. Wie würdest du das Album selbst beschreiben? Worauf habt ihr besonderen Wert gelegt?
Ich habe zum Beispiel mit Effektpedalen experimentiert eine andere Art von Melodien hinzuzufügen. Außerdem wollte ich Härte nicht nur durch Schnelligkeit erreichen, sondern auch durch "Schwere" der Riffs, was man ganz gut in Songs wie "We are the many" hören kann. Jeder Song sollte in irgendeiner Form etwas Besonderes sein und an genau der richtigen Stelle auf dem Album platziert sein.
„Dein R3eich“ ist erstmals ein Song mit deutschen Texten, der aber nicht nur deshalb an den Rammstein Coversong erinnert, den ihr für Coverfield aufgenommen habt. Wie kam es zu diesem Song?
Durch den Song haben wir herausgefunden, dass Andys Stimme super auf Deutsch funktioniert und wir fanden es sehr interessant, das mal in einem eigenen Song unter zu bringen! Außerdem ist der Text so geschrieben, als ob zwei "Personen" miteinander reden, die eine auf Englisch, die andere auf Deutsch. Am Ende des Songs sprechen sie die gleiche Sprache, wodurch die eine Person quasi endlich versteht, dass sie unter dem schlechten Einfluss des anderen stand und sich losreißt. In dem Song steht "der Dämon" als Metapher für den schlechten Einfluss!
Ihr habt mit den neuen Songs in meinen Augen den Spagat zwischen hoher Eingängigkeit aber dennoch hoher Brutalität besser geschafft denn je. Habt ihr darauf gesteigerten Wert gelegt? Wie kommt’s?
Das kam quasi automatisch. Durch die Abwechslung, die wir erreichen wollten, und das lange Feilen an den Songs, ist das von alleine so gekommen. Wir wollten halt nicht einfach einen harten und einen melodischen Part aneinander klatschen, sondern haben uns jeweils genau überlegt, wie man diese Übergänge hinbekommt. Wir wollten Songs schreiben und keine Aneinanderreihung von Parts!
Benny Richter scheint inzwischen so etwas wie euer Haus und Hof Produzent geworden zu sein. Euer Status würde es sicher erlauben auch größere Namen als Produzent zu gewinnen. Warum geht ihr immer wieder zu ihm zurück?
Das mag sein, dass es da größere Namen gibt, aber das ist für uns unwichtig! Es kommt ja auf das an, was die Person kann und nicht darauf, wie berühmt sie ist! Benny ist für uns der perfekte Produzent. Das musikalische Verständnis, was wir untereinander haben, gibt es glaube ich sehr selten! Wir haben ja auch schon mit anderen, auch bekannteren Leuten, zusammen gearbeitet, die in keiner Weise schlecht waren, aber mit Benny ist das was anderes. Deswegen halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass wir nochmal jemand anderen nehmen werden…
Wovon handelt das Album textlich?
Es geht im weiten Sinne um die Abgründe der Menschheit. Oder auch Krankheiten der modernen Welt. Zum einen gibt es Texte über Rassismus, Habgier, korrupte Politiker, Verdummung von Leuten durch Fake TV Programme, die einen dazu ermutigen, sein Hirn abzustellen, aber auch ein oder zwei persönliche Texte, wie zum Beispiel in "Memorial", in dem es um Andys Verlust seines Vaters geht, der an Krebs gestorben ist! Im Allgemeinen wollen wir dazu ermutigen, nicht immer wegzusehen!
Als Bonus der Erstauflage liegt eine weitere Cover CD bei. Sind das alles Songs, die ursprünglich für „Coverfield“ vorgesehen waren? Wenn ja, warum haben es diese nicht auf die EP geschafft, die mit nur vier Songs ja durchaus etwas mager ausgefallen ist?
Es waren eigentlich noch eine Reihe mehr Songs! Wenn man Songs aus anderen Musikrichtungen covert, braucht man immer die Zustimmung des Publishers. Die haben wir leider bei manchen Stücken nicht bekommen und die anderen Songs, die jetzt als Bonus bei der Special Edition dabei sind, waren leider noch nicht fertig aufgenommen. Deswegen sind auf der EP weniger Songs enthalten als eigentlich vorgesehen und ich glaube, das ärgert uns fast mehr als unsere Fans!
Wie sehen eure Tour-/Zukunftspläne aus?
Ab dem 2.2. sind wir ja erstmal auf der "Get infected" Tour unterwegs und weiter haben wir noch nicht geplant, das wird alles in den kommenden zwei Wochen erfolgen. Erstmal kann jetzt endlich das Album kommen und die Tour, dann sehen wir weiter!
Letzte Worte?
Dank dir für das Interview! Vielleicht sieht man sich ja auf Tour?!
Rolf Gehring
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